Zweckehe, keine Liebesbeziehung

04.11.1983

Mal wiederum scheint das Abschneiden der "Systems", kurz: SYS, den Münchner Messe-Managern auf der ganzen Linie recht zu geben. Die SYS-Thematiker plädieren ja mit Verve für eine "All-in-one-Show", eine Informationsveranstaltung, die alles sein will - und alles sein kann: Einsteigertreff, Anwendermesse, OEM-Ausstellung, CAD/CAM-Forum, Telekommunikations-Fachschau und DV-Kongreß (kann sein daß wir etwas vergessen haben).

In der Tat läßt sich das Besucherergebnis von rund 80 000, nahezu eine Verdopplung gegenüber 1981, im nationalen (CEBIT, Orgatechnik) und internationalen Vergleich (Sicob, NCC) sehen. Nicht näher bezeichnete "Umfragen" der SYS-Hausherren sollen überdies erbracht haben, daß die Aussteller mit der "Systems'83" rundherum zufrieden waren. Offizielle Erklärung: Das Publikum sei bemerkenswert fachkundig gewesen. Ließe sich kalauern: auch so schlau, nicht überstürzt zu ordern?

So betrachtet, wäre aus der Sicht des neutralen Beobachters eigentlich nichts hinzuzufügen. Doch täusche man sich nicht. Mit dem Abschlußkommuniqué konfrontiert, kommt es einem vor, als sei man auf einer ganz anderen "Hochzeit" gewesen. Lag's daran daß der für die "Systems" neue Hallenkomplex 23/25 noch nicht richtig eingewohnt war oder daß kaum Neues geboten wurde? Jedenfalls mochte keine rechte Stimmung aufkommen, wirkte alles merkwürdig aufgeräumt, steril, gedämpft, beinahe feierlich - wie auf einem Botschaftsempfang. Nicht geschäftig, quirlig, "crowded", wie die Amerikaner sagen. "Eine verrückte Branche", das ist es doch, was sich die DV-Insider zur Begrüßung und zum Abschied sagen. Wer zufällig in die Hallen oberhalb der Bavaria hereingeplatzt wäre, hätte genau diesen Eindruck gewiß nicht bekommen können - es sei denn, er fände es "verrückt", wie sich die Bildschirme der Bildschirmcomputer gleichen.

Da hätte es etwa der peniblen Absperrungen nicht bedurft, die die Besucher der Mikrocomputerhalle 23 von der übrigen Ausstellung fernhalten sollten. Wie Oberhaupt das Experiment der Münchner Messegesellschaft, eine Art "Personal-Computer-Show" an die "große" SYS anzuhängen, als gescheitert angesehen werden kann. Die Resonanz "von der Straße" war gering, man sah nur wenig "Anti-Prominenz", sprich: DV-Underdogs, Plastiktütenträger, Werbegeschenksammler. Die, die kamen, durften sich zum DV-Establishment zählen. Und das verabscheut bekanntlich alles Bunte, Grelle, Laute, betrachtet sein Verhältnis zur "Systems" als reine Zweckehe, keinesfalls als Liebesbeziehung.

Wir gestehen, daß uns zumindest ein kleiner Flirt mit der schicken Innovation, dem vermeintlich nicht Machbaren, auch keineswegs Marktreifen, unbändigen Spaß gemacht hätte. Doch der Flirt braucht die kleine Form, die Intimität - und die ist längst futsch auf der "Systems".

Am Rande wurde gleichwohl das Thema "Spezialmessen" diskutiert. Wer sagt denn, daß mehr Messen aus Kostengründen nicht drin sind. Muß ja nicht gleich in Verschwendung ausarten. Kleine Stände tun's auch. Wichtig ist doch nur, daß das Konzept stimmt, zielgruppengenau um Besucher geworben wird. Die Kölner haben es vorgemacht, welche Attraktivität beispielsweise von den Mikros und Personal Computern ausgeht. Eine reine Wiederverkäufer-Veranstaltung fehlt hierzulande gänzlich. Wo treffen sich die "Telefonierer"? Mal wiederum. scheint das Ergebnis der "Systems" den Messe-Managern recht zu geben.