ZVEI beginnt Expertengespräche über Fertigungsautomation:Der ClM-Typ ist multifunktional

21.03.1986

FRANKFURT - Den Weg zu CIM markieren will der Fachverband Informations- und Kommunikationstechnik im ZVEI. Das erste in einer Reihe von Expertengesprächen schnitt den Aspekt "Auswirkungen auf Mensch und Organisation" an - in der Diskussion über den computerintegrierten Fabrikbetrieb bisher häufig vernachlässigt.

Die Realisierung von CIM (Computer Integrated Manufacturing) ist technisch bereits möglich, bezüglich des Know-hows jedoch noch zweifelhaft. Dies waren die Thesen dieses Treffens von Experten aus Anwenderunternehmen sowie von Herstellern der elektrotechnischen Branche und des Maschinenbaus sowie der Hochschulen. Im Vordergrund stand die Frage: Sind wir auf CIM vorbereitet?

Das CIM-Konzept ist weder branchenspezifisch noch allgemeingültig für eine ganze Industrie zu erstellen, sondern vielmehr zunächst betriebsspezifisch zu sehen, so die einhellige Meinung. Denn unterschiedliche Integrationskreise hängen von der Bedürfnispalette einerseits und vom Niveau der Organisation andererseits ab.

Tote Zeiten in der Fertigung von über 80 Prozent bei einem herkömmlichen Arbeitsablauf lassen neue Arbeitsorganisationsformen dagegen nur als allzu natürlich erscheinen. Mit dem Werkzeug Mikroelektronik könnten in einer CIM-Umgebung Redundanzen vermieden, erweiterte Informationen bereitgestellt, also Planung und Produktion weitgehend aufeinander abgestimmt und zusammengefaßt werden. Diese Re-lntegration basiert auf neuen Denkansätzen, wertet Funktionen um und läßt gewandelte Anforderungen an den Produktionsarbeiter wie auch den Entscheider entstehen. So reduziert gerade diese Integration von Tätigkeiten und Arbeitsstrukturen möglicherweise die Bedeutung des mittleren Managements im dispositiven Bereich, war der Konsens im Expertenkreis.

Ob allerdings die skizzierte Gruppe von Verantwortlichen durch den "Super-Mitarbeiter" abgelöst wird, sei bisher zweifelhaft. Auch künftig bleibt nämlich das Fällen von Entscheidungen für begrenzte Bereiche bei erfahrenen Fachkräften und wird nicht von Maschinen übernommen.

Die Management-Aufgaben jedoch werden sich unzweifelhaft wandeln. Denn im Informationsverbund zwischen den Unternehmensteilen Produktionsplanung und -steuerung sowie von der Konstruktion bis zur Maschine einschließlich der Qualitätssicherung, wird der Mitarbeiter neue Fähigkeiten zu den bisherigen hinzuaddieren müssen: vor allem das Kommunizieren sowie das Konzepte-Realisieren. Er müsse eine sichere Hand in der Organisation und Koordination aufweisen, besonders aber teamfähig und kreativ sein.

Diese Eigenschaften des "CIM-Typs" allerdings gedeihen und tragen Früchte nur dann, so die ZVEI-Experten, wenn die Unternehmenskultur auch für Denkweisen "gegen den Strich" Raum läßt. Vor allem mittelständisch strukturierte Organisationen, also auch Betriebsteile, die dezentral gelagert sind, bieten mit ihren flexiblen Entscheidungswegen dafür einen fruchtbaren Boden.

Nur ein Mitarbeiter mit einer Mehrfachqualifikation kann dem breiteren Aufgabenspektrum eines CIM-Arbeitsplatzes gerecht werden, wie sie etwa "Bindestrich-Informatiker" aufweisen können, ermittelte das Gremium. Ein gewandeltes Aus- und Weiterbildungskonzept sieht Kenntnisse über reine Bedienerfunktionen hinaus auch des Facharbeiters vor und mache so eine Qualifikationssteigerung möglich.

Mit Ablehnung der neuen Konzeption indes halten "Alteingesessene" im Betrieb nicht zurück. Dem bisherigen "König" Konstrukteur beispielsweise werden durch CIM Fesseln angelegt. Die Angst, zum Sachbearbeiter im "Akkord" dequalifiziert zu werden, lassen sowohl ein erheblich rascheres Informationsangebot als auch Leistungsvorgaben und mögliche -kontrollen als nicht unbegründet erscheinen. Hier ist der Betriebsrat gefordert.

Zum einen befindet sich die Industrie erst am Anfang des Wandels zu einem Verbund aller rechnerunterstützten Teilsysteme. Zum anderen sind arbeitswissenschaftliche Grenzen bei weitem nicht ausgelotet - etwa, wie lange ein Mitarbeiter am Bildschirm arbeiten kann und wann die Aufnahme von Informationen ihn zu überbelasten beginnt.

Man sollte bei der Diskussion über CIM vermeiden - hat man die Aufgaben und Tätigkeitsbereiche im Blick -, in Idealstrukturen zu denken, resümierten die ClM-Protagonisten, denn konventionelle arbeitstechnische Fähigkeiten würden auch weiterhin eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Alte Tugenden, wie etwa die der Intuition, seien weiterhin hochzuhalten. Ebenso müsse auch künftig ein Schwergewicht auf einigen nicht-technischen Inhalten der Ausbildung bestehen bleiben, so die Forderung besonders der Experten aus der Hochschule.

Eines von weiteren Expertengesprächen unter der Überschrift "Auf dem Weg zur CIM" soll die Frage "Welche Wirtschaftlichkeitsaspekte bringt CIM?" behandeln.

Die Expertengespräche zum Themenkreis "Der Weg zum CIM" wird eine Publikationsreihe des Fachverbandes Informations- und Kommunikationstechnik im Zentralverband der elektrotechnischen Industrie begleiten.