Hersteller arbeiten an IP-Zuverlässigkeit

Zustellgarantie für Datenpakete

31.05.2002
MÜNCHEN (CW) - Das Internet Protocol (IP) soll verlässlicher werden. Hersteller wie Cisco oder Alcatel wollen erreichen, dass Datenpakete beim Versand in IP-Netzen nicht mehr durch Fehler beim Routing verloren gehen. Das ist besonders für konvergente Netze und den Betrieb von Echtzeitanwendungen von Bedeutung.

Daten werden im Weitverkehrsbereich noch immer vornehmlich über Netze transportiert, die leitungsorientiert arbeiten und in erster Linie für Telefonie konzipiert sind. Der Grund dafür liegt in der höheren Verfügbarkeit und Sicherheit solcher Strukturen. Da die Verbindungen Ende-zu-Ende geschaltet werden, ist sichergestellt, dass auch alle Informationen ohne Verluste übermittelt werden. Die Verfügbarkeit von Carrier-Netzen liegt im Durchschnitt bei 99,999 Prozent - das entspricht einer Ausfallzeit von etwa fünf Minuten pro Jahr.

Im paketorientierten Internet ist die Situation anders. Hier kommt es immer wieder vor, dass Datenpakete verloren gehen, weil Router überlastet oder Routing-Informationen unvollständig sind. Die Informationen, die nicht auf Anhieb fehlerfrei das Ziel erreichen, werden vom Empfänger noch einmal angefordert und bei Eintreffen in die Sequenz der eingegangenen Datenpakete eingefügt. Solange es sich bei der Nutzinformation um nicht-zeitkritische Daten handelt, ist das auch kein Problem. Wird jedoch wie bei Voice over IP Sprache übermittelt, sind hörbare Störungen wie Aussetzer oder Rauschen die Folge.

Verschiedene Hersteller arbeiten daran, diesen Mangel zu beseitigen und IP zu mehr Zuverlässigkeit zu verhelfen. Alcatel und Cisco beispielsweise haben Erweiterungen der Betriebssysteme ihrer Router angekündigt, die die Prozesse innerhalb der Maschinen und auch die Kommunikation zwischen den Geräten verbessern sollen. Damit wollen sie dem Verlust von Datenpaketen in Netzen entgegenwirken: Erklärtes Ziel beider Anbieter ist "Zero Packet Loss", das heißt, alle Pakete erreichen sicher ihre Zieladressen.

Unter dem Namen Alcatel Carrier Environment Internet System (Aceis) präsentierte der französische Anbieter bereits im April eine Technik, die ein unterbrechungsfreies Routing für die Routing-Protokolle Border Gateway Protocol (BGP), Intermediate System to Intermediate System (IS-IS) und Open Shortest Path First (OSPF) ermöglicht. Aceis besteht aus einer Kombination von Hard- und Software , die zunächst für Alcatels Core-Router "7770" und den Routing-Switch "7670" zur Verfügung steht.

Laut Alcatel schützt Aceis die zentrale Routing-Engine der Geräte, die Informationen über benachbarte Router und deren Erreichbarkeit vorhält. Im Falle einer Störung des Route-Prozessors müssen diese Tabellen jedesmal neu erstellt werden, was die Gesamtleistung des Netzes natürlich senkt. Mit Hilfe von Aceis sei dies nicht notwendig.

Ciscos Ansatz gleicht dem von Alcatel. Die Kalifornier haben die Erweiterung ihres Internetworking Operating System (IOS), der Betriebssystem-Software ihrer Netzkomponenten, um eine Technologie namens Globally Resilient IP (Grip) angekündigt. Es umfasst eine Reihe von Komponenten, unter anderem Nonstop Forwarding (NSF), Stateful Switchover (SSO) und Multiprotocol Label Switching (MPLS) Fast Forward. NFS und SSO sollen gemeinsam dafür sorgen, dass IP-Pakete im Fall einer Störung des Route-Prozessors trotzdem weitergeleitet werden, und zwar auf den zuletzt aktuellen Routen. Ciscos IOS-Erweiterungen werden zunächst für die Router-Serien "12000", "10000" und "7500" verfügbar sein, die vornehmlich in Carrier-Netzen zum Einsatz kommen. Nach Angaben des Herstellers ist dies bereits im Juni der Fall. Im nächsten Schritt adressiert Cisco in der zweiten Jahreshälfte Unternehmenskunden und die für sie in Frage kommenden Lösungen.

Auch für Unternehmen relevant

Für Service-Provider und Carrier, die Core-Router in ihren Backbone-Netzen einsetzen, ist es von großer Bedeutung, wenn sie die Zuverlässigkeit von IP-Übertragungen erhöhen können. Doch auch Unternehmen sind betroffen: Um die Vorteile der größeren Zuverlässigkeit voll ausschöpfen zu können, muss die Technik auch in Router-Modellen implementiert werden, die im Bereich der Enterprise-Backbones und an den Übergabepunkten von den Firmen zu den Netzen der Carrier im Einsatz sind. Nur dann lässt sich gewährleisten, dass die Zuverlässigkeit auch tatsächlich Ende-zu-Ende verbessert wird.

In Labortests haben die Verfahren zwar die Feuertaufe bestanden, doch großangelegte Praxistests stehen noch aus. Außerdem gibt es einen weiteren Wermutstropfen: Bei den genannten Erweiterungen handelt es sich um proprietäre Techniken, die nur funktionieren, solange sie in einer homogenen Umgebung eingesetzt werden. In Netzen mit Komponenten verschiedener Hersteller verbessert sich an der IP-Zuverlässigkeit also vorerst nichts. (ave)