Zurückhaltung in deutschen Amtsstuben

23.02.2006
COMPUTERWOCHE VERLEGERPUBLIKATION - Martin Barnreiter ist Analyst bei dem auf Software und IT-Dienstleistungen spezialisierten Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consult. Im Interview erklärt er, warum öffentliche Auftraggeber in Deutschland beim Outsourcing nach wie vor zurückhaltend sind – während das britische Outsourcing-Geschäft boomt.

Die öffentlichen Haushalte haben kein Geld.Warum machen die Behörden so wenig Gebrauch vom Outsourcing?

Barnreiter: Letztes Jahr blieb der deutsche Outsourcing-Markt im öffentlichen Sektor mit einem Wachstum von 8,6 Prozent und einem Volumen von rund 840 Millionen Euro hinter den Erwartungen zurück. Die Gründe sind vielfältig. Angestellte der ITAbteilungen nationaler Behörden genießen einen beamtenähnlichen Status. Zudem stößt man schnell an gesetzliche Grenzen, wenn Bürgerdaten an einen externen Dienstleister weitergegeben werden. Kommunale Behörden und Länder ziehen oft noch Landesrechenzentren und kommunale Rechenzentren vor, die derzeit einen Teil des Outsourcing-Bedarfs abdecken.

Also keine Chance für IT-Dienstleister?

Barnreiter: Die veralteten, nicht am Leistungsprinzip orientierten Verwaltungsstrukturen der öffentlichen Einrichtungen und der Einfluss der Gewerkschaften streuen beim Outsourcing oft Sand ins Getriebe. Auch die sehr komplexen, langwierigen Ausschreibungsverfahren legen Outsourcern so manchen Stein in den Weg. Zudem stoßen die IT-Anbieter meist auf die Erwartung, selbst Geld in die Hand zu nehmen,wenn sie Teile der öffentlichen IT übernehmen wollen. Da stellt sich dann schnell die Frage der Rentabilität, wenn man bedenkt, dass die öffentlichen IT-Infrastrukturen meist veraltet sind und viel Aufwand in neue Systeme gesteckt
werden muss. Einige Outsourcing-Verträge mit der öffentlichen Hand, etwa mit den Städten Leipzig, Ludwigshafen oder dem Saarland, wurden abgebrochen und rückabgewickelt.

Ist Besserung in Sicht?

Barnreiter: Wir erwarten vor allem im Bereich des New Business Outsourcing beträchtliche Wachstumsraten. Dabei werden von einem IT-Anbieter neue Anwendungen entwickelt, implementiert und betrieben.Bezahlt wird in Jahresraten, verteilt auf die Laufzeit des Vertrags. Auch der Herkules-Deal (das Outsourcing der Bundeswehr-IT) sollte dem Markt beträchtlichen Auftrieb geben.

Warum klappt das in anderen Ländern besser?

Barnreiter: Im britischen Public Sector erlebte Outsourcing einen regelrechten Siegeszug. 2004 hatte der Markt ein Volumen von 3,98 Millionen Pfund. Die Gründe dafür liegen in der 1992 eingeführten "Private Finance Initiative" (PFI).Um öffentliche Investitionen zu fördern, leisteten die Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung und erhielten im Gegenzug langfristige Einnahmen durch Systemwartung und Applikations-Management. Besonders im Bereich Business Process Outsourcing (BPO) führte PFI dazu, dass öffentliche Institutionen quasi alles - bis auf die Politik selbst - auslagerten.

Sind staatliche Anreize eine Voraussetzung für mehr Outsourcing im öffentlichen Bereich?

Barnreiter: Nicht unbedingt. Wie in deutschen Public-Sector-Verträgen mangelt es den PFI-Verträgen an Flexibilität, was zum Scheitern einiger großer Deals führte. Aus diesem Grund gab man in England das Konzept Anfang 2004 auf.

Und in Deutschland?

Barnreiter: Es gibt im öffentlichen Sektor gerade ein hohes Rationalisierungspotenzial. Schon heute sehen wir Outsourcing-Formen, die von Application Service Providing (ASP) bis hin zu Application Management (AM) reichen. Sie werden jedoch nur sehr selektiv, langsam und zögerlich umgesetzt. Doch New Business Outsourcing sowie der Herkules-Vertrag sollten dazu führen, dass sich der Abstand zu England verringert. Da sich voraussichtlich die öffentliche Finanzlage in absehbarer Zeit nicht verbessert und effizientere Strukturen mit immer weniger Personal gewährleistet werden müssen,wird hierzulande Outsourcing weiter interessant bleiben.