Billiger lernen

Zur Weiterbildung nach Dubai oder Indien

04.06.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Viele IT-Experten, die Kenntnisse ausbauen und Zertifikate erwerben wollen, buchen wegen günstigerer Preise und internationaler Erfahrungen Kurse in fernen Ländern. Obwohl sie zufrieden sind, wollen die meisten nicht darüber reden.

Müde wirken die Wartenden, die sich in lange Schlangen vor der Passkontrolle einreihen. Kaum merklich geht es vorwärts. Europäer benötigen zwar kein Visum für Dubai, dafür aber viel Geduld. Draußen vor den Flughafentüren wartet die glitzernde, im Wüstensand gebaute Metropole, die viel Dynamik und noch mehr Möglichkeiten verspricht. Die Stadt am Persischen Golf zieht Touristen, Geschäftsleute, Glücksritter und seit einigen Jahren auch Weiterbildungsreisende an. Die Spuren der Finanzkrise sind kaum noch spürbar, Baukräne wachsen in den Himmel. Schätzungsweise 1000 deutsche Firmen unterhalten einen Firmensitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die meisten in Dubai oder Abu Dhabi. Das 2003 gegründete "Dubai Knowledge Village" verspricht Firmen aus dem Bildungs- und Personal-Management-Sektor optimale Bedingungen und Steuervorteile. Über einen Quadratkilometer erstreckt sich das Areal mit seinen meist zweigeschossigen Gebäuden und großen Plätzen. Laut Eigenwerbung des Knowledge Village haben 450 Business Partner dort eine Dependance gegründet.

Für Microsoft- und andere IT-Zertifikate können Lernwillige aus aller Welt seit einiger Zeit auch in Dubai büffeln.
Für Microsoft- und andere IT-Zertifikate können Lernwillige aus aller Welt seit einiger Zeit auch in Dubai büffeln.
Foto: Koenig Solutions

Auch der indische IT-Weiterbildungsanbieter Koenig Solutions eröffnete hier im September 2011 ein Trainingscenter. Vor elf Jahren hatte Geschäftsführer Rohit Aggarwal als einer der Ersten begonnen, IT-Weiterbildungen für Ausländer anzubieten. Heute unterhält er in Indien vier Bildungszentren, in denen (angehende) IT-Profis aus den USA, Europa, Australien, Afrika oder arabischen und zentralasiatischen Ländern für ein Zertifikat büffeln.

Kleine Lerngruppen, kleine Preise

Dubai ist Aggarwals erstes Trainingscenter außerhalb Indiens. Die Idee dazu kam dem Informatiker, als er eine Anzeige in seiner indischen Tageszeitung las. Dort bot ein Dienstleister an, für einige tausend Dollar ein Büro in Dubai zu eröffnen. "Wieso nicht Dubai?", dachte sich Aggarwal. "Es ist wichtig, Mut zu haben und Risiken einzugehen." Mit sechs Klassenzimmern ging es vor eineinhalb Jahren los, inzwischen kamen fünf weitere hinzu, bald sollen es 24 Schulungsräume sein. Mit dem Standort Dubai will Koenig Solutions näher an Europa und die von dort kommenden Kursteilnehmer heranrücken. Kürzere Flugzeiten und eine visafreie Einreise sollen Offshore-Trainings für Mitteleuropäer attraktiver machen.

Der indische Weiterbildungsanbieter Koenig Solutions wirbt mit kleinen Lerngruppen.
Der indische Weiterbildungsanbieter Koenig Solutions wirbt mit kleinen Lerngruppen.
Foto: Koenig Solutions

Noch haben IT-Kurse in Offshore-Ländern wie Indien einen schlechten Ruf, ungeachtet dessen, dass die meisten Trainer ein Informatikstudium und weitere IT-Qualifikationen mitbringen. Selbst Teilnehmer, die vom Lernen in Einzeltrainings oder kleinen Arbeitsgruppen angetan sind, sind in der Regel nicht bereit, unter ihrem richtigen Namen über ihre Erfahrungen mit der Offshore-Weiterbildung zu sprechen. Auch Jens Werner heißt in Wirklichkeit anders. Der 23-jährige IT-Freiberufler verbrachte 18 Tage im Januar in Delhi und Shimla am Fuß des Himalaya, um sich in Einzeltrainings zum Microsoft Certified Professional Developer (MCPD) weiterzubilden. Auch die sechs zugehörigen Prüfungen absolvierte der Anwendungsentwickler vor Ort und brachte zwei Zertifikate mit nach Hause. Das konzentrierte Lernen, der kulturelle Austausch und die Gastfreundschaft vor Ort haben ihm gefallen. Die negativen Berichte zum Offshore-Training kann er nicht nachvollziehen: "Mich stört, dass es wie ein Augen-zu-und-durch-Leiden dargestellt wird, das man nur macht, um in Deutschland einen Job zu finden." Für ihn waren die guten Trainer vor Ort, die internationalen Erfahrungen und Gespräche mit anderen IT-Experten ein Erlebnis.

Der Lehrer kommt per Flugzeug

Unternehmen, die mehrere Mitarbeiter schulen lassen wollen, bietet Koenig Solutions das Konzept "Fly-me-a-Trainer" an: Hier wird statt der Schüler der Lehrer eingeflogen. "Gerade größere Firmen bevorzugen diese Art von Training", sagt Aggarwal. Doch keine der deutschen Firmen, die solche Services gebucht haben, möchte namentlich genannt werden. Vermutlich fürchten sie genauso wie manche IT-Experten, dass ihnen hierzulande Misstrauen entgegenschlägt. Auch der technische Leiter eines mittelständischen Systemhauses, der einen zweiwöchigen Security-Kurs im indischen Dehradun besuchte, bleibt lieber ohne Namen. "Wer abenteuerlustig ist, gerne reist und eine recht gute Weiterbildung genießen möchte, für den sind die Kurse gut geeignet. Der große Vorteil ist, dass ein Trainer für eine einzelne Person zur Verfügung steht und so das Lernziel in kürzerer Zeit erreicht wird", so der IT-Leiter.

Horst Bornschein-Grolms, IT-Freiberufler: "Ich habe sehr viel gelernt, die Kurse sind harte Arbeit."
Horst Bornschein-Grolms, IT-Freiberufler: "Ich habe sehr viel gelernt, die Kurse sind harte Arbeit."
Foto: Privat

Horst Bornschein-Grolms aus Herrenberg schämt sich dagegen nicht für seine in Indien erworbenen Zertifikate. Der IT-Freiberufler nennt offen seinen Namen. Als sein ehemaliger Arbeitgeber vor drei Jahren viele Mitarbeiter entließ, stand auch Bornschein-Grolms vor der schwierigen Frage, wie es beruflich weitergehen soll. In seinem Abfindungspaket gab es auch ein Budget von 5000 Euro für Qualifizierungen. "In Deutschland hätte ich damit zwei Kurse besuchen können, in Indien habe ich sieben Microsoft-Zertifikate erworben", berichtet der findige Schwabe stolz. "Ich war sehr zufrieden mit meinen Lehrern und habe viel gelernt." Die Unterrichtssprache Englisch war kein Problem für ihn, die internationale Atmosphäre und der Kontakt zu IT-Spezialisten aus der ganzen Welt gefielen ihm, und er erzählt auch seinen Auftraggebern davon. Doch Bornschein-Grolms verschweigt nicht, dass die Kurse harte Arbeit bedeuten. Daran änderte auch der exotische Studienort Goa nichts: "Ich war nach drei Wochen zum ersten Mal am Strand." In diesem Jahr reiste der Windows-Spezialist abermals für neun Tage nach Delhi, um sein Wissen aufzufrischen. Auch seine Söhne hat er schon nach Indien zur Weiterbildung geschickt.

Mit der ersten Auslandsniederlassung in Dubai erschloss sich Koenig Solutions auch neue Kundengruppen. Für Lernwillige aus Saudi-Arabien, dem Jemen oder auch Afghanistan liegt Dubai geostrategisch gut. Zwei IT-Spezialistinnen aus den Vereinigten Staaten, die von ihren Firmen nach Afghanistan entsandt wurden, genießen es, sich in Dubai frei bewegen zu können. "Diese Woche Training ist wie Urlaub für uns, es tut sehr gut, hier zu sein", sagt eine der beiden Frauen, und ihr ist die Erleichterung im Gesicht anzusehen.

Gute Geschäfte mit Offshore-Trainings

Rohit Aggarwal ist Geschäftsführer beim indischen IT-Weiterbildungsanbieter Koenig Solutions.
Rohit Aggarwal ist Geschäftsführer beim indischen IT-Weiterbildungsanbieter Koenig Solutions.
Foto: Privat

Seit elf Jahren bietet der studierte Informatiker Rohit Aggarwal IT-Weiterbildungskurse für Ausländer in Indien an. 2012 lag der Umsatz des Unternehmens, das mehr als 200 indische IT-Trainer beschäftigt, bei zehn Millionen Dollar. In fünf Jahren möchte Aggarwal weltweit 50 Trainingscenter betreiben. Mindestens 1000 IT-Trainer sollen dann für ihn arbeiten, auch den Gang an die Börse strebt er 2014 an.

In Indien zählt Koenig Solutions zu den Marktführern. Zwar betont Aggarwal, wie wichtig es ist, Geld zu verdienen, doch etwas anderes treibt ihn ebenfalls an: "Wir möchten die Welt zu einem besseren Ort für alle Menschen machen, das motiviert mich mehr, als das größte Unternehmen zu sein." Was für westlich geprägte Menschen ungewohnt klingt, erläutert der Manager den kritischen Europäern ausführlich. Zehn Prozent des Gewinns investiert das Unternehmen in Bildungsprogramme für Kinder in Indien: "Wir möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben und benachteiligten Kindern Chancen eröffnen." Geschäftsgeist und Unternehmertum verbindet Aggarwal mit hinduistischem Spiritualismus. Auch innerhalb des Unternehmens und gegenüber den Kunden legt er großen Wert auf einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Die Mitarbeiter honorieren das Engagement, drei Jahre in Folge erhielt Koenig Solutions den Titel "Best Place to Work".

E-Learning nimmt zu

Zwei Drittel der IT- und Telekommunikationsfirmen setzen auf mobiles und IT-unterstütztes Lernen, weitere 18 Prozent möchten es in Zukunft tun, so das Ergebnis einer aktuellen Bitkom-Studie. "E-Learning ist aus der beruflichen Weiterbildung nicht mehr wegzudenken. Es kann orts- und zeitunabhängig an den Wissensstand der Teilnehmer angepasst werden, von dieser Flexibilität profitieren Unternehmen wie Mitarbeiter", sagt Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Komfortable Endgeräte wie Smartphones und Tablet-PCs sowie große Bandbreiten bei der Datenübertragung beschleunigen diesen Trend.

Am beliebtesten sind Online-Trainings (oft kombiniert mit Präsenzveranstaltungen), gefolgt von Blogs, Wikis und Online-Communities. Podcasts, bei denen Audiodateien oder Videos abgerufen werden können, und Computer Based Trainings ohne Verbindung ins Netz kommen nur selten zum Einsatz. Auf mobile Lernangebote mit Apps für Tablets und Smartphones greift rund ein Viertel der Unternehmen zurück. "Das Mobile Learning ist einer der wichtigsten Trends im Bildungssektor. Smartphones und Tablets machen Bildung mobil", sagt Kempf.