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"Zum Teufel mit den Finanzanalysten"

02.07.2001
SAS Institute machte bisher nur selten von sich reden. Dies änderte sich, als im vergangenen Jahr Umstrukturierungen, Entlassungen im Management und ein angeblich bevorstehender Börsengang die Analystenwelt aufweckten.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Obwohl SAS Institute seit 25 Jahren mit Business-Intelligence-Produkten im Markt vertreten ist und mit über einer Milliarde Dollar Umsatz als größter nichtbörslicher Player im Softwaremarkt gilt, machte das Unternehmen aus Cary, North Carolina, bisher nur selten von sich reden. Dies änderte sich, als im vergangenen Jahr Umstrukturierungen, Entlassungen im Management und ein angeblich bevorstehender Börsengang die Analystenwelt aufweckten. Mit James Goodnight, Chairman, CEO und Mitgründer von SAS Institute, sprach CW-Redakteur Sascha Alexander über den Stand der Dinge im Hause SAS.

CW: Vor einem Jahr schien ein Börsengang von SAS beschlossene Sache zu sein. Nun ist es darum ruhig geworden. Planen Sie überhaupt noch den IPO?

GOODNIGHT: Wir begannen im letzten Jahr mit den internen Vorbereitungen für den IPO und implementieren momentan ein weltweites Finanzsystem, das die von der SEC geforderten Börsenberichte ermöglichen soll. Diese Arbeiten werden noch mindestens bis zum Jahresende dauern. Falls wir wirklich public gehen, dann frühestens in einem Jahr. Ich muss aber gestehen, dass der Druck weg ist. Die Dotcoms brechen zusammen. (Insider behaupten, dass es SAS vor allem darum ging, Mitarbeiter, die mit einem Wechsel zu New-Economy-Firmen liebäugelten, mit Aktienoptionen zu halten. Anm. der Redaktion).

CW: Bei den von Ihnen genannten Vorbereitungen enstand eine neue Unternehmensorganisation bestehend aus SAS Institute (Entwicklung) und SAS International (Sales und Marketing). Zugleich kam es zu Entlassungen im obersten Management – ein Novum in Ihrem Unternehmen.

GOODNIGHT: Ich sehe keine großen Veränderungen. Früher gab es die Regionen Asien-Pazifik/Lateinamerika, USA und Emea (Europa, Mittlerer Osten und Afrika). Nach Gesprächen mit Anwendergruppen entschieden wir im letzten Jahr Asien-Pazifik mit USA zusammenzulegen, weil das Geschäft nicht zufriedenstellend gewesen war.

CW: Soll allein die neue Organisation die Umsätze ankurbeln?

GOODNIGHT: Das Allerbeste wäre, wenn der Euro nicht so schwach wäre. Im letzten Jahr machten wir beispielsweise in Italien 23 Prozent mehr Umsatz. Am Ende blieb durch die Kursentwicklung nichts mehr übrig.

CW: Es fällt auf, dass Sie mehr Marketing betreiben als früher. Ist das nicht auch ein wenig Werbung für den IPO?

GOODNIGHT: Nein. Wir versuchen nur, SAS bekannter zu machen. Es gibt immer noch Leute, die uns in erster Linie mit Statistikwerkzeugen verbinden, die sie im College benutzt haben. Außerdem können wir nicht auf Dauer zweistellig wachsen, wenn wir keine Werbung machen.

CW: SAS galt bisher als Anbieter von Werkzeugen für den Aufbau von Business-Intelligence-Lösungen. Verändert sich diese Strategie durch die nun propagierte Ausrichtung auf das Lösungsgeschäft?

GOODNIGHT: Wir bieten weiter Tools an, aber zusehends auch analytische Anwendungen, weil sehr viel Geld in diesem Markt steckt. Wir sind gut vorbereitet und bieten Lösungen für Data Mining und Enterprise-Marketing-Automation. Für letzteren Bereich haben wir jetzt Angebote für Telekommunikationsunternehmen, zur Kreditkartenprüfung und die Versicherungswirtschaft. Sie vereinen unsere Erfahrungen aus dem Consulting. Weitere Lösungen sind geplant.

CW: Bisher verdienen Sie Ihr Geld hauptsächlich mit Lizenzen. Das Lösungsgeschäft verlangt aber mehr Beratung und ein stärkeres Engagement in vertikalen Märkten. Zeichnen sich da nicht Konflikte mit den bisherigen Implementierungspartnern und Beratern ab?

GOODNIGHT: Nur zehn Prozent unseres Umsatzes stammen derzeit aus der Beratung. Obwohl wir eine starke Servicemannschaft haben, bevorzugen wir Partner und Consultants und wollen lieber Software entwickeln.

CW: Manche Marktbeobachter glauben aber, dass sich Hersteller wie Sie doch bald im Lösungsgeschäft ausbreiten könnten, um neue Umsätze zu generieren.

GOODNIGHT: Bisher hatten wir keine Probleme mit unseren Partnern. Es gab aber interne Anfragen, ob unsere Sales-Leute nicht mehr als bisher auch Dienstleistungen verkaufen könnten. Ich habe darauf geantwortet, dass das nicht geht, weil es sonst zu einem Konflikt mit unseren Partnern kommt.

CW: Mit Ihren analytische Anwendungen sind Sie nicht allein auf dem Markt. So bieten eine ganze Reihe von Herstellern ihre Lösungen vornehmlich als Ergänzung zu Produkten für das Customer-Relationship-Management (CRM) an.

GOODNIGHT: Viele Hersteller tun so, als würden sie dazugehören. Siebel wirbt beispielsweise mit seiner Call-Center-Lösung, die aber tatsächlich nur herkömmliches, operatives CRM erlaubt (Siebel ist Lizenznehmer bei SAS, Anm. der Redaktion). Wir machen hingegen den analytischen Teil von CRM, werten Daten aus, erstellen Modelle und helfen Aussagen über Marktentwicklungen zu treffen. Wir können mit 25 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet aufwarten, Firmen wie Siebel und SAP nicht.

CW: Apropos SAP. Erwächst Ihnen da nicht ein starker Konkurrent?

GOODNIGHT: Zwischen "SAP BW" (Warehouse-Lösung der Walldorfer, Anm. der Redaktion) und SAS liegen Welten. Während die nur einen Haufen Reports aus dem operativen System generieren können und einen Teil der Datenübertragung übernehmen, bringen wir Intelligenz in das Unternehmen. Wir helfen dem Anwender, durch die Auswertung von historischen und aktuellen Informationen mehr über seine Organisation zu lernen.

CW: Die Produktentwicklung bei SAS scheint von außen gesehen sehr langsam zu gehen. Allein zwischen Release 6 des "SAS Systems" und dem aktuellen Release 8 vergingen beinahe zehn Jahre. Wäre SAS an der Börse notiert, wären solch langen Zyklen wohl nicht denkbar...

GOODNIGHT: Es gab auch im Release 6 eine Reihe wichtiger Updates bis hin zu Version 6.12. Schließlich wollte ich aber, dass mit den Dezimalzahlen Schluss ist. Trotzdem haben wir über fünf Jahre mit der Entwicklung von Release 7 verbracht.

CW: Kritiker behaupten, dass Release 7 unvollständig und eher eine Betaversion von Release 8 war.

GOODNIGHT: Im Rückblick stimmt das auch. Release 7 war ein großer Sprung für uns, weil wir lange an dem User Interface und dem Output Delivery System gearbeitet haben (Mit ODS lässt sich SAS-Output in verschiedenen Formaten wie Listing, HTML, PDF und Dataset erstellen, Anm. der Reaktion). Zudem konnten statt der bisher acht Bytes nun erstmals 32 Byte lange Dateinamen benutzt werden, so dass ein Mapping nicht mehr nötig ist. Das war ein großer Wandel und betraf viele unserer Programme. Release 8 kam ein Jahr später auf den Markt und vollendete diese Arbeiten. Viele Anwender blieben aber auf Release 6 und beginnnen jetzt direkt auf 8 umzusteigen.

CW: Woran arbeitet SAS derzeit?

GOODNIGHT: Mit Release 8.2 lassen sich bestehende Anwendungen seit kurzem auf wichtige 64-Bit-Betriebssysteme portieren (Early Adopters Releases für Solaris, AIX und HP-UX). Dies war bisher nur für Compaqs "Tru64 Unix" möglich. Zudem arbeiten wir unter der Bezeichnung "Mercury" am nächsten Release, das vor allem mit einer schnelleren Engine aufwarten soll.

CW: Noch einmal zum Geschäft: Ihre Wettbewerber mussten zuletzt Umsatzeinbußen hinnehmen, SAS hingegen verzeichnet weiter Zuwächse und will in den USA zusätzliche Sales-Mitarbeiter einstellen. Was ist denn bei Ihnen anders?

GOODNIGHT: Wir setzen auf die Produktentwicklung und das Lösungsgeschäft. Der Return on Investment liegt bei unseren Produkten bei einem bis eineinhalb Jahren.

CW: Sie haben aber nicht unter dem Druck der Börse und der Kritik der Finanzanalysten zu leiden.

GOODNIGHT: Ich habe erst vor kurzem gesagt, dass kein Finanzanalyst mir zu sagen hat, wie ich mein Unternehmen zu führen habe. Das sind doch die Leute, die vor einem Jahr noch sagten, wir müssten alle Dotcom-Aktien kaufen. Was verstehen die denn überhaupt von Unternehmensführung. Die verstehen doch nicht einmal ihr eigenes Geschäft. Zum Teufel mit ihnen.