Zuhören, Trösten, Schulterklopfen

24.10.2000
Von Protokoll: Kathi
In der New Economy sind 25- bis 30-jährige Manager keine Seltenheit. Elke Röttgen (28), seit Januar Mitglied der Geschäftsführung von Aperto Multimedia Berlin/ Cell Network Germany, erzählt, was sie unter Führung versteht.

„Es sind vor allem die Kunden, die sich beeindruckt zeigen, wenn auf der Visitenkarte plötzlich ‚Mitglied der Geschäftsleitung‘ steht. Zum Glück hat sich im Verhältnis zu den Mitarbeitern und Freunden hier keine Distanz aufgebaut. Die meisten haben es verstanden und auch unterstützt, dass ich Mitglied der Geschäftsleitung werde.

In diese Position bin ich regelrecht hinein gewachsen, seit ich 1996 als Praktikantin zu Aperto kam.

Elke Roettgen, Mitglied der Geschäftsführung von Aperto Multimedia Berlin. Quelle: Stephan Pramme
Elke Roettgen, Mitglied der Geschäftsführung von Aperto Multimedia Berlin. Quelle: Stephan Pramme

Genau einen Monat war ich in dieser Funktion, dann durfte ich das Projekt „Sachsen online“ betreuen. Anfangs studierte ich noch vier Tage die Woche, dann versuchte ich, das Studium zu schieben. Bis ich die Diplomarbeit geschrieben hatte, vergingen noch zwei Jahre. Jedesmal war es eine riesige Umstellung vom dynamischen Arbeiten bei einem Multimedia-Dienstleister auf den Studienalltag, der weder Frames noch Browser-Technologien kannte.

Ich bin jemand, der gern Verantwortung auf sich nimmt. Es macht mir Spaß, sie zu tragen, zumal es seitens der Geschäftsführung bis heute keinerlei Druck gibt. Anfangs betreute ich verschiedene Internet-Projekte vor allem inhaltlich – ohne jede Etatverantwortung. Doch irgendwann, beim fünften Schreiben, wurde nicht mehr gefragt, dann habe ich selbst entschieden und es war in Ordnung. Das Vertrauen, das in mich als Person gesetzt wurde, konnte ich im Team gut weitergeben, denn auch hier mussten alle lernen, nicht lange zu fragen, sondern die Dinge einfach zu tun.

Wenn eine Firma so schnell wächst wie die unsere, dann verändern sich zwangsläufig auch Strukturen. Heute muss ich längst nicht mehr jedes Projekt in- und auswendig kennen, dafür gibt es Projekt-Manager. Dafür muss ich viel stärker als früher die großen Ziele des Unternehmens im Blick haben, zum Beispiel Kooperationen oder die Integration in das schwedische Unternehmen Cell Network. Einige wenige Mitarbeiter verbinden mit meiner Funktion die Hoffnung, dass ich ständig sage, wo es lang geht. Die muss ich enttäuschen, denn das habe ich nicht vor. Ich kann aber davon erzählen, wie es ist, ins kalte Wasser zu springen, Dinge zu tun, die man nie zuvor gemacht hat.

Natürlich muss ich mit Leuten nun auch über Gehälter oder Arbeitsleistungen sprechen. Das fällt mir nicht schwer. Nur bei Leuten, mit denen man befreundet ist, gestaltet sich das manchmal etwas schwierig. Da ist es wohl von beiden Seiten nicht mehr so leicht zu sagen: Du, das war nicht so toll, was Du da gemacht hast. Ich denke, ich habe vieles von dem übernommen, was mir unser Geschäftsführer Dirk Buddensiek vorgelebt hat, nämlich jedem Mitarbeiter persönliche Beachtung entgegenzubringen und ihn zu fördern.

Zwar arbeite ich viel und bin ich in meiner jetzigen Position noch mehr unterwegs als vorher, aber die Zeit zum Zuhören, Trösten und Schulterklopfen will ich mir einfach nehmen. Kleine Krisen im Unternehmen kriegt man, hoffe ich, im Projektgeschäft noch mit, andere Dinge, wenn man privat zusammenkommt. Wenn Leute uns verlassen, hoffe ich, dass sie gehen, weil sie mal was anderes machen wollen, aber nicht, weil sie es bei Aperto nicht ausgehalten haben. Ich möchte die Entwicklung bei Aperto auch in Zukunft mitgestalten. Als ich angefangen habe, waren wir zu dritt, jetzt sind wir über 140 Mitarbeiter und als Teil von Cell Network einer der größten Internet-Dienstleister in Europa. Ich bin schon sehr gespannt, was die nächsten vier Jahre bringen und möchte diese Entwicklung auf keinen Fall verpassen."