Zug der Lemminge

18.03.1983

Angst oder Euphorie bestimmen den Umgang mit Computern - und mit IBM. Was die Akzeptanz bei den Endbenutzern betrifft, mögen die von der DV-Industrie beauftragten Werbeprofis ihre Hirne anstrengen, den Computer zu entmystifizieren. Diese Entrümpelungsaktion findet ja auch statt: Die PR-Leute sind dabei, das Anwenderverhalten auf mögliche Denk-Klischees (Superhirn, Intelligenzverstärker) hin abzuklopfen, den Rechner als freundliches Kommunikationsmedium darzustellen. Die Motivationsmasche zieht: Im "Personal Computing" vereinigen sich Spieltrieb und Renommiersucht aufs vortrefflichste.

Der IBM-Mythos dagegen lebt. Immer wieder werden Versuche unternommen, die Ausnahmestellung des Marktführers nachzuweisen: technologisch führend, um seine Kunden besorgt - mit (Marketing-)Mephisto im Bunde. Und interessanterweise sind es nicht die Anwender - oder doch nur wenige von ihnen -, die den Computergiganten, aus diesen Gründen, aufs Podest stellen. Nein, gerade die IBM-Konkurrenten erstarren in Ehrfurcht vor Big Blue: Kein anderes Unternehmen, das amerikanische Fleischklops-Imperium MacDonald vielleicht ausgenommen, werde so gut gemanagt, könne so uneingeschränkt auf den Corpsgeist seiner Mitarbeiter bauen. In diesem Punkt übertreiben die Wettbewerbsbeobachter nicht. Doch wer so redet, fürchten IBM-Kritiker (ja, auch diese gibt es), vergrößert die Kluft zwischen IBM und dem Rest der Computerwelt ins Unermeßliche.

Man komme uns doch nicht damit, daß die Anwender echte Alternativen nicht zu schätzen wüßten. Es ist auch nicht so ohne weiteres einzusehen, daß in den größten Labors die schönsten Innovationen wachsen. Auf die Hardware, man denke an die Josephson-Frigidaire-Versuche, mag dies ja noch zutreffen. Doch was Größe mit Software-Genius zu tun haben soll, wissen wohl nur die Mainframe-Lemminge. Die Zwergenparade, die Nicht-IBM-Anbieter heuer veranstalten, gleicht dem selbstmörderischen Zug der Arktis-Säuger. Anstatt sich auf ihre Individualität, ihr Anderssein zu besinnen, haben es viele Big-Blue-Antipoden gar nicht eilig genug, mit IBMe-too-Produkten auf den Markt zu kommen. Im Kleinstcomputerbereich, nicht eben IBMs Domäne, jedenfalls noch nicht, beginnt gerade ein Ringelpietz mit Anfassen um den Personal Computer (PO. Überhastet werden von einigen Mikro-Produzenten bereits Imitationen angekündigt, obwohl der Marktführer selbst noch an seinem endgültigen PC-Konzept bastelt. Personal Computer, dieser Eindruck entsteht, sind IBM-Maschinen.

"Keine Angst", möchte man den Zaghaften zurufen, "der Markt, der Käufer, wird's schon richten." Wenn da nicht die Erfahrung aus dem Universalrechner-Busineß wäre, daß viele Anwender eben lieber "leichter in der Masse sterben". Doch Herdentrieb (IBM forever) oder nicht - das Kränkeln einiger unabhängiger Hersteller hat nicht nur neurotische Ursachen. Beispiel Magnuson (siehe Seite 0: Die Lage des amerikanischen PCM-Anbieters hat sich nicht unter IBM-Druck verschlechtert. Vielmehr durch Managementfehler hatte der 4300-Kompatible seinen technischen Vorsprung in den letzten zwei Jahren so weit versiebt, daß er jetzt gegenüber seinen Gläubigern den Schutz von Chapter eleven beansprucht. Über dem Magnuson-Debakel könnte man schnell zur Tagesordnung übergehen. Wenn gleichwohl die Unsicherheit bei vielen Anwendern wächst, wenn das Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit mancher Marktteilnehmer schwindet, kommt die große Zeit der IBM als Alleinunterhalterin.

Dies kann letztlich kein Anwender wollen.