Erfahrungen aus der Großindustrie gelten für den Mittelstand kaum:

Zufriedene MDT-Anwender in der Minderheit

27.06.1980

In den überwiegenden Fällen sind nach Messen, Vorführungen und Vorträgen Interessenten der mittelständischen Industrie nicht klüger, sondern eher resigniert. So erging es auch Hans Holighaus, einem der führenden Küchenmöbelhersteller, der sagte: "Uns hat die Hannoversche Messe nur verwirrt, jetzt wissen wir weniger als vorher." Aus dieser Kenntnis hat Holighaus die Konsequenz gezogen. Der Möbelhersteller beauftragte einen neutralen Organisationsfachmann mit der Lösung seiner organisatorischen Probleme.

Die zufriedenen Anwender der mittleren Datentechnik sind in der Minderheit. Laut Handelsdienst

- mußten 40 Prozent der Erstanwender ihre EDV-Anlage nachträglich aufrüsten, weil Fehleinschätzungen vorlagen;

- 70 Prozent der Unternehmen erhebliche Terminabweichungen. zum Ersterwerb in Kauf nehmen;

- waren 50 Prozent der Firmen mit den Programmen (Software) nicht zufrieden, da die erwartete Leistung nicht eintraf;

- mußten 23 Prozent der Erstanwender ungeplante Verteuerungen für zusätzliche Software in Kauf nehmen;

- hatten 50 Prozent der Firmen unterlassen, ihre Mitarbeiter zu schulen;

- klagten 50 Prozent der Firmen über mangelnde organisatorische Vorbereitungen und hatten erhebliche Schwierigkeiten während und nach der Umstellung.

Demnach empfahlen 66 Prozent der Unternehmen auf jeden Fall, ein detailliertes EDV-Konzept zu entwickeln, um Pannen und zusätzliche Kosten zu vermeiden. Eine bittere Erkenntnis wie im Fall Holighaus wäre vermeidbar gewesen.

Organisation völlig vernachlässigt

Während der rasanten technischen Entwicklung der Computer in den letzten vier bis fünf Jahren (immer kleiner, leistungsfähiger und preiswerter) wurde die den Computer tragende Organisation völlig vernachlässigt. Gewaltige Mengen von Datenverarbeitungsanlagen mußten an den Mann gebracht werden. Laut Werbung war mit diesen Geräten einfach alles möglich - und wurde geglaubt. Wie sonst gäbe es so viele sogenannte Computergeschädigte?

Wie wir heute wissen, löst der Kauf von Anlage und Programmen keine Probleme, sondern schafft sie erst einmal. So waren alle verkaufsfördernden Maßnahmen der Cornputerindustrie allein auf Umsatz gerichtet.

Schwache Ansätze von Beratungsgesellschaften, den Erstlingen beizustehen, schlugen fehl, da organisatorische Erfahrungen aus der Großindustrie auf den Mittelstand nicht übertragbar sind. In der Großindustrie ist meist die Aufgabe der Berater mit Abgabe eines Berichtes beendet. Betriebseigene Organisatoren erarbeiten weitere Details. In kleinen Betrieben wird der externe Organisator für einige Zeit zum Mitarbeiter des Betriebes. Bis zur durchführungsreifen Übergabe koordiniert er die Umstellung verantwortlich. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Organisator den Menschen in einen kleinen Betrieb sehr viel näher ist. Neben dem Sach- und Fachwissen sind Vertrauen, Anpassung und Menschenführung gleichrangig anzusetzen.

Hersteller müssen sich umstellen

Damit der Mittelstand in Handel und Industrie möglichst bald an moderner Organisation und Technik teilhaben kann, ist es erforderlich:

- daß die Computerindustrie erkennt (Anzeichen dazu sind bereits wahr zu nehmen), daß ohne organisatorische Grundlagen die Anwendung der Datentechnik eine selbstzerstörerische Entwicklung nimmt, je höher die Ansprüche der Anwender steigen.

- daß die Verständigung zwischen Computerhersteller und Anwender nicht nur im fachchinesisch, sondern für den Anwender verständlich geführt wird.

- daß Umsatzdenken der Computerhersteller allein langfristig niemandem nutzt. Tatsache ist, daß den Anwendern langfristig mehr geholfen wird, wenn, von realen Verhältnissen

ausgegangen, die organisatorische Grundlage in Verkaufsgespräche ein bezogen wird.

- daß der Computerverkäufer zunächst nur Mittler zwischen Hersteller und Anwender sein kann. Der Organisator übernimmt Detailarbeiten. Mit den Verantwortlichen des Unternehmens gemeinsam plant und überwacht er die organisatorische Umstellung.

Die organisatorische Umstellung eines Unternehmens darf künftig nicht mehr allein auf der Datentechnik beruhen. Zunächst muß das Unternehmen organisatorisch in den Stand versetzt werden, damit die Einführung der Datentechnik verkraftet werden kann. Alle Mitarbeiter sind an der organisatorischen Umstellung von vornherein zu beteiligen. Dies gilt auch für die Geschäftsleitung. Die Verantwortung der organisatorischen Umstellung liegt allein beim Organisator. Auswahl der Programme und der Anlage werden aus dem Organisationskonzept abgeleitet und somit zum organisatorischen Hilfsmittel.

Umfassende Betreuung über viele Jahre

Der Unternehmer steht nicht mehr allein dem Computerverkäufer gegenüber, sondern dem neuen Typ einer Organisationsgruppe. Sie hat sich bei IBM und Nixdorf bereits stark ausgeprägt, kleinere Gruppen wie EZI Haiger ziehen nach. In dieser Gruppe sind Kontakter, Organisator, Programmierer und Datentechniker unentbehrliche Spezialisten. Für den Anwender bedeutet das eine umfassende Betreuung für viele Jahre aus einer Hand.

Erst Analyse, dann die Anlage

Der potentielle Anwender sollte nach folgenden Richtlinien vorgehen: - Zunächst ist die Vorstellung, daß Datentechnik alle Probleme löst, falsch. Für die meisten beginnen erst die Probleme (wie die Statistik zeigt). - Richtig eingebettet ist allerdings heute die Datentechnik auch aus der mittelständischen Industrie nicht mehr wegzudenken. Zur müssen für die rationelle Anwendung entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden.

- In Festsetzung der Reihenfolge muß eine Umstellung der unternehmerischen Organisation von einer Betriebsanalyse ausgehen, in der alle wesentlichen Punkte der Neuorganisation enthalten sind. Darauf aufbauend wird das Organisationskonzept mit den Verantwortlichen des Betriebes gemeinsam erarbeitet. Erst im Laufe dieser Konzeption erfolgt die Entscheidung für Anlage und Programme Hard- und Software werden dann erst beschafft. Die Auswahl der Standard- oder lndividualprogramme ist keine Frage des Aufwandes, sondern allein der Verwendbarkeit. Billigere Standardprogramme erfordern in den meisten Fällen teuere betriebliche Anpassungen; En wieweit ein externer Organisator Detailarbeiten durchführt, ist eine Frage der betrieblichen Mitarbeiterkapazität. Können Arbeiten in der Umstellung auf eigene Mitarbeiter delegiert werden, erfordert das immer neue Absprachen.

- Ein neutraler Organisationsfachmann sollte so früh wie möglich hinzugezogen werden. Anhand von Durchführungen ähnlicher Art ist seine Leistungsfähigkeit festzustellen.

- Betriebsblindheit führt in den meisten Fällen zur Fehleinschätzung der eigentlichen, betrieblichen Probleme. Aus diesem Grunde können mögliche Rationalisierungseffekte durch Eigenhilfe oft nur zum Teil ausgeschöpft werden.

- Organisation ist keine Nebensächlichkeit und sollte gleichwertig angesehen werden wie ein hochwertiges Produkt aus der eigenen Herstellung der Unternehmen.

- Für Entwicklung und Einführung werden bedenkenlos erhebliche Kosten, die besten Mitarbeiter und Technologien aufgewendet. Organisation erfordert das ebenso.

- Vorsicht ist mit der Anwendung von Standardprogrammen geboten. Sie sind weit weniger einsetzbar als allgemein angenommen. Der günstigere Preis darf hier gegenüber dem Individualprogramm nicht verlocken.

- Richtig ist das auf ein Unternehmen exakt zugeschnittene Organisationsmodell. Anlage und Programme sollten den Organisationsstufen angepaßt und laut Generalplan den nächsten Organisationsstufen entsprechend vergrößert werden.

- Die Wahl der Organisationsgruppe ist nicht nach großen Namen, sondern allein an den vergleichbaren Taten zu messen. Nicht jugendlicher Elan, sondern Erfahrung und Reife können sachliche und menschliche Probleme am ehesten lösen. Die besten Fachleute sind die weitaus billigsten.

- Nicht zu vergessen, der Staut hilft kleinen und mittleren Unternehmen durch Zuschüsse.

Auch die Beratungsgesellschaften sollten von Voraussetzungen ausgehen, die nicht nur zum eigenen, sondern zum Vorteil der zu beratenden Unternehmen geht.

Karl Heinz Schubäus ist Management-Berater in Petersberg.