Zu wenig am Business orientiert

17.10.2007
Immer mehr IT-Dienstleister geben sich nach außen hin geschäftsbezogen. In der Praxis fällt es ihnen aber oft schwer, die Anwender von diesem Ansatz zu überzeugen.
Bei HP ist das Verhältnis zwischen Unternehmens- und Servicepositionierung ausgewogen. Die anderen drei Anbieter geben sich zwar nach außen hin sehr Business-orientiert, werden diesem Anspruch in ihren Angeboten jedoch nur teilweise gerecht.
Bei HP ist das Verhältnis zwischen Unternehmens- und Servicepositionierung ausgewogen. Die anderen drei Anbieter geben sich zwar nach außen hin sehr Business-orientiert, werden diesem Anspruch in ihren Angeboten jedoch nur teilweise gerecht.

Die Rolle der IT hat sich den vergangenen Jahren stark verändert: Neben reinen Back-Office-Funktionen soll sie heute vor allem dazu dienen, die Geschäftsprozesse des Anwenders abzubilden und zu verbessern. Die Analysten von Forrester Research haben sich die Frage gestellt, inwieweit die IT-Anbieter diesem Wandel zur so genannten Business Technology (BT) Rechnung tragen. Jeweils drei Services von vier großen IT-Dienstleistern wurden unter diesem Aspekt unter die Lupe genommen (siehe Kasten "Drei Services von vier Anbie-tern"). Das Fazit ist ernüchternd: "Auf Unternehmensebene reden derzeit alle IT-Dienstleister davon, wie geschäftsorientiert ihre Angebote sind. Wenn man sich die Services aber näher anschaut, ist von diesem Ansatz oft nichts mehr zu sehen", fasst Pascal Matzke, Principal Analyst bei Forrester Research, zusammen.

Die Vorgehensweise

Um sich einen Überblick über die Positionierung der vier Serviceanbieter Accenture, CSC, Hewlett-Packard (HP) und Infosys zu verschaffen, werteten die Forrester-Experten Anbieterinformationen und Marketing-Inhalte aus und verglichen sie mit jeweils drei konkreten Serviceangeboten und Key-Studies der IT-Dienstleister sowie mit entsprechenden Erfahrungsberichten von Anwendern.

Dabei ging es nicht um eine Leistungsbeurteilung der einzelnen Services, sondern um die Methoden, mit denen die Anbieter den Kunden ihre Dienste schmackhaft machen.

Hier lesen Sie ...

wie vier große IT-Dienstleister versuchen, ihre Serviceangebote unter dem Aspekt der Business-Orientierung zu vermarkten;

inwieweit sie diesen Ansatz in ihren konkreten Angeboten umsetzen;

warum es vielen Anbietern schwerfällt, den Business-Mehrwert ihrer Lösungen verständlich darzustellen;

warum dabei eine differenzierte Kundenansprache entscheidend ist.

Drei Services von vier Anbietern

Accenture

CRM-Beratung,

IT-Strategie und -Trans-formation,

Anwendungs-Outsourcing.

CSC

Systemintegration (CRM),

Management-Beratung,

Outsourcing.

HP

CRM-Hosting,

strategisches Outsourcing,

IT-Infrastruktur-Services (Architektur).

Infosys

Anwendungsentwicklung und -betreuung,

Systemintegration,

Beratung.

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590833: Die Grenzen der Inder;

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Eine Ausnahme in zweifacher Hinsicht ist die nach wie vor sehr techniklastige Firma Hewlett-Packard (HP), die sich allerdings auch gar nicht als BT-Anbieter verkauft. Erst seit kurzer Zeit geht HP auf seine Firmenkunden mit Business-Argumenten zu. Insgesamt ist die Positionierung laut Forrester aber gut ausbalanciert: Die nach außen vertretene Darstellung entspricht dem, was den Kunden in einer konkreten Verkaufssituation erwartet. "Mit seinem Fokus auf der IT-Entscheiderebene ist HP zwar eher ein Solution-Provider als ein BT-Anbieter", räumt Analyst Matzke ein. "Aber das Unternehmen hält wenigstens, was es verspricht."

Bei den anderen drei untersuchten IT-Dienstleistern - Accenture, CSC und Infosys - klaffen Anspruch und Realität dagegen weiter auseinander. Alle haben sich eine eindeutige BT-Orientierung auf die Fahnen geschrieben, auf der Serviceebene verfolgen sie diese jedoch nicht konsequent.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Am größten ist die Diskrepanz bei Infosys. Die Inder sind bemüht, das Image eines Billiganbieters loszuwerden, das dem Offshoring-Konzern naturgemäß anhaftet. Aggressiv positioniert sich Infosys als führender Anbieter von Business-Innovationen in einer globalisierten Welt. Wie die Forrester-Analysen zeigen, sind die Services jedoch noch immer weitgehend nach dem alten Muster gute Technik zum günstigen Preis gestrickt. Die nach außen vertretene Geschäftsfokussierung findet sich in den konkreten Angeboten nicht wieder. Dementsprechend groß ist auch die Kluft zwischen der Außenwahrnehmung und den Erfahrungsberichten der Anwender.

Accenture hat seine Kommunikation am stärksten an die neuen Herausforderungen angepasst. Dank seiner langjährigen Erfahrung in der Business-Beratung ist das Unternehmen schon früh auf den BT-Zug aufgesprungen. Seine solide finanzielle Situation und ein umfassendes Partnernetzwerk verschafften ihm viel Aufmerksamkeit und Vertrauen unter Business- und IT-Entscheidern. Allerdings gelingt es Accenture nicht immer, explizite Kundenanforderungen zu erfüllen und den Mehrwert seiner Angebote herauszustellen. Die Analysten vermissen eine differenzierte Kundenansprache. Vor allem die Business-Seite werde zu wenig berücksichtigt. Auch Tools zur Darstellung des Geschäftsnutzens der einzelnen Services kommen kaum zum Einsatz.

BT-Orientierung mit Schwächen

Besser schnitt in der Untersuchung CSC ab: Demnach ist das Image als vorrangig technisch orientierter IT-Outsourcer, dem es an Business-Know-how fehlt, mittlerweile überholt. In seiner fast 50-jährigen Firmengeschichte konnte das Unternehmen seinen Kunden helfen, ihre IT effizienter einzusetzen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und auf diese Weise Betrieb und Profitabilität zu verbessern. Laut Forrester verfolgt CSC heute auch in der Servicepositionierung eine relativ starke BT-Orientierung, die über reine Einsparziele hinausgeht. Der Kundenkontakt erfolgt zwar nach wie vor vorrangig auf CIO- und CTO-Ebene. Speziell bei größeren Outsourcing-Deals gelingt es CSC aber zunehmend, auch die Business-Seite gezielt anzusprechen. So geht es beim "Dynamic Sourcing" darum, gemeinsam mit dem Kunden zu überlegen, wie dieser seine durch das Auslagern gewonnenen Einsparun-gen sinnvoll reinvestieren kann. Allerdings vermissen die Analysten auch bei CSC die Verwendung von Werkzeugen, mit denen sich der geschäftliche Nutzen der einzelnen Services darstellen lässt.

Business-Tools: Fehlanzeige

Der fehlende Einsatz von Methoden und Metriken, mit denen sich Wertbeiträge etwa im Hinblick auf mehr Flexibilität der Prozesse oder ein langfristiges Umsatzwachstum messen lassen, ist ein generelles Manko der IT-Dienstleister, hat Matzke beobachtet: "Angesichts ihrer verkrusteten Strukturen und Prozesse ist es für die Anbieter einfach bequemer, altbewährte Benchmarks zu verwenden", begründet der Analyst.

Ein weiterer wesentlicher Grund dafür, dass es den Anbietern oft nicht gelingt, ihren Kunden näherzubringen, wie sie die viel zitierte Steigerung des Business Value konkret erreichen wollen, liegt laut Forrester in ihrem Unvermögen, die Bedürfnisse der Anwender zu erkennen und gezielt anzusprechen. Das ist symptomatisch für die Branche, wie die derzeit noch laufenden Untersuchungen anderer IT-Dienstleister zeigen. Hintergrund ist der Wandel von einer rein IT- zu einer Business-zentrierten Sichtweise, durch den sich das Kaufverhalten verändert hat und neue Einkäufergruppen entstanden sind, erläutert Matzke: "Früher war die IT-Abteilung mehr oder weniger allein verantwortlich für die IT-Ausgaben. Heute dagegen klinken sich zunehmend Entscheider aus den Geschäftsbereichen oder aus dem Management in den Einkaufsprozess ein." Vor allem bei Outsourcing-Vorhaben seien der Finanzvorstand oder Geschäftsbereichsleiter oft nicht erst in die Anbieterauswahl, sondern bereits in die Definition der Strategie involviert.

Vernachlässigte Anwendermotive

Um die einzelnen Entscheider überzeugen zu können, muss der Provider zunächst ihre Motive kennen. Forrester unterscheidet bei der Inanspruchnahme eines externen Service drei Hauptmotive: billiger, besser und mehr. Diese Vorlieben fallen jedoch je nach Funktion des Entscheidungsträgers unterschiedlich aus. So legen Business-Manager vor allem Wert auf den Faktor "besser", also auf Lösungen, die den laufenden Betrieb aufwerten etwa durch Prozessoptimierung, erhöhte Produktivität oder mehr Kundenzufriedenheit. Wichtig ist den Geschäftsverantwortlichen zudem der Aspekt "mehr": Gemeint sind Lösungen, mit denen sich Profitabilität und Umsatz steigern lassen oder die zu Innovationen beitragen. Die IT-Verantwortlichen setzen ebenfalls auf das Argument "mehr". Sie erwarten von einem extern erbrachten Service aber auch, dass er zur Senkung der Betriebskosten beiträgt. Der Finanz-Manager wiederum hat in der Regel ausschließlich die Kosten im Blick.

Zu technische Kundenansprache

Diese Unterschiede werden von den Anbietern nicht hinreichend berücksichtigt, kritisiert Matzke. Eine Argumentation auf Basis von Service-Level-Agreements (SLAs) sei durchaus angemessen, wenn es sich bei dem Gegenüber um den IT-Verantwortlichen handelt. "Aber der Geschäftsbereichsleiter, der für den Vertrieb im Außendienst zuständig ist, kann mit Angaben zu Verfügbarkeit und Repair-Zeiten nicht viel anfangen", warnt der Experte. "Ihn interessiert ja nur der Effekt von etwaigen Ausfällen, nämlich die eingeschränkte Produktivität seiner Sales-Mannschaft. Und genau da muss ihn der Provider abholen." Dazu seien die Anbieter jedoch selten in der Lage.

Das ist zum einen ein Kommunikationsproblem: "Nachdem die IT-Dienstleister jahrzehntelang ausschließlich mit Ansprechpartnern im IT-Umfeld ihrer Kunden zu tun hatten, müssen sie jetzt auch auf Vorstands- oder Geschäftsbereichsebene präsentieren und das ist natürlich eine ganz andere Welt." Andererseits darf bezweifelt werden, ob die Mitarbeiter des Providers überhaupt in der Lage sind, den Business-Mehrwert eines Service selbst zu erkennen und zu verstehen. "Für viele IT-Dienstleister ist schon die Technik an sich die Innovation. Forschung und Entwicklung werden vorrangig unter technischen Maßgaben vorangetrieben. Der Hinweis, wie sich die Innovationen in einen Business-Wertbeitrag umsetzen lassen, fehlt." Viele verträten sogar die Einstellung, das müsse der Kunde schon selber wissen.

Ehrlichkeit währt am längsten

Die heutigen Anwender sind jedoch nicht länger bereit, diese Haltung zu akzeptieren. Gerade in Wachstumsphasen gewinnen Faktoren wie Umsatzsteigerung, die Erschließung neuer Märkte, Time-to-Market, Qualität und Kundenzufriedenheit wieder an Bedeutung. "Darauf müssen sich die Provider einstellen - und zwar nicht nur nach außen, sondern auch in ihren Angeboten", fordert Matzke. "Auf längere Sicht werden die Anwender nur Anbieter honorieren, die liefern, was sie versprochen haben." Abgesehen davon könne die Kluft zwischen Unternehmens- und Servicepositionierung auch dazu führen, dass der Provider den Prozess der IT-Business-Übersetzung bei der IT-Abteilung des Kunden ablädt, "und das ist natürlich ein großes Risiko für den Anwender", warnt der Experte.

Der hat letztlich nur eine Möglichkeit, um solchen Szenarien entgegenzusteuern: wachsam zu bleiben und immer wieder nachzuhaken. "Natürlich kann der Anwender auch Strukturen schaffen, damit seine IT-Verantwortlichen Services und Prozesse aus Business-Sicht besser beleuchten können", so Matzke. Als Beispiel nennt der Analyst Mitarbeiter, die Querschnittsfunktionen innehaben etwa operativ im Business-Umfeld angesiedelt sind, aber an die IT berichten. "Aber klar ist auch: Es ist nicht Aufgabe des Anwenders, diesen Übersetzungsprozess zu übernehmen. Das muss der Anbieter leisten."