Die Schwierigkeiten im kommerziellen Markt sind auch hausgemacht:

Zu lange und zu gut in der Nische gelebt

09.07.1982

Den Willen, Berge zu versetzen, haben die Hersteller von 32-Bit-Minis schon lange. Vor allem hätten sie im kommerziellen Bereich zu gern den gleichen Erfolg wie auf dem technisch-wissenschaftlichen Sektor. Doch mit Schweiß allein, den die Götter bekanntlich vor den Erfolg gesetzt haben, ist es hier nicht getan. Zu sehr haben sich die Minicomputerhersteller in der Vergangenheit auf ihren technisch-wissenschaftlichen Ursprung konzentriert.

Das ist weiter auch kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die Unternehmen hier sehr gut gelebt haben. Zweistellige Zuwachsraten, wie sie an der Tagesordnung waren, trübten den Blick für die Zukunft. Die Mini-Unternehmen traten mit spezialisierten Verkäufern, in der Regel qualifizierten Ingenieuren, auf dem Wissenschaftssektor an. Sie trafen auf Anwender in Hochschule und Industrie, für die es keine Akzeptanzprobleme gab, und die sich obendrein mit einer unglaublichen Begeisterung an die Entwicklung ihrer individuellen Software machten.

Dies alles geschah zu Zeiten, da die Gelder im Bereich der Forschung sowohl von der öffentlichen Hand als auch von den Industrieunternehmen reichlich flossen. Nicht das Wirtschaftlichkeitsdenken stand im Vordergrund, sondern die Hoffnung, mit Computerhilfe dem auf die Spur zu kommen, was die Welt im Innersten zusammenhält", wie es schon Faust im Sinne hatte. (Dabei gibt es durchaus Denker, die meinen, der Einsatz der DV ähnele dem bei Goethe beschriebenen Pakt mit dem Teufel.)

Jetzt, da der technisch-wissenschaftliche Bereich nicht mehr die Steigerungsraten hergibt wie in der Vergangenheit, sind die Hersteller von Minicomputern gezwungen, neue Pfründe aufzutun. Zwangsläufig entdeckten sie den kommerziellen Markt - nicht ganz freiwillig, wie es scheint. Vielfach sind es Softwarehäuser, die sich aufgrund der relativ hohen installierten Basis ein Geschäft mit den Minis versprechen und von sich aus kommerzielle Anwendungen wie die Brot- und Butter-Applikationen Finanzbuchhaltung oder Lohn und Gehalt programmieren. Doch der Weg in den kommerziellen Markt ist schwierig, weswegen der Wille allein, einen Berg zu versetzen, nicht reicht. Zu stark sind die Traditionalisten in diesem Markt, allen voran die gute alte IBM. So mußten die potentiellen Eindringlinge sehr schnell einsehen, daß im reinen Ablösegeschäft nichts drin ist.

Wenn die Leistungsfähigkeit der Superminis auch in nichts der der mittleren bis großen Universalrechner nachsteht, ist es doch die Vielzahl der bei den Anwendern laufenden Programme, die eine Umstellung auf die oft kostengünstigeren Top-Minis völlig unwirtschaftlich und damit unmöglich machen. Es bleibt den Herstellern demnach nur die Möglichkeit, bei den kommerziellen Anwendern irgendwie den Fuß in die Tür zu bekommen.

Häufig gelingt dies mittlerweile über solche Bereiche wie Produktions- und Fertigungssteuerung: Neben ihre traditionelle kommerzielle DV stellen sich die Unternehmen einen Supermini zur Bearbeitung der genannten Aufgaben, da sie in diesen Bereichen per Dialog zu jedem Zeitpunkt auf dem aktuellsten Stand sein wollen. Diese Anforderung können die Universalrechner mit ihrer Batch-orientierten Verarbeitung nicht erfüllen.

Auch das, was auf Forderung der Anwender von den Universalrechnerherstellern dann als Dialogverarbeitung geboten wurde, war oft nicht mehr als die Verlagerung der sonst einmal wöchentlich ausgedruckten Listen auf den Bildschirm. Damit war der Anwender im Prinzip nicht viel weiter. Die Miniproduzenten erkannten ihre Chance, aktivierten Softwarehäuser und boten die gewünschten Lösungen.

Bald erkannten einige Anwender jedoch, daß ihnen die Rückmeldung der Produktions- und Fertigungsdaten zu den kommerziellen Programmen fehlte. Daraufhin entwickelten die Minihersteller auf Druck des Marktes zusammen mit den Softwarepartnern entsprechende Programme. Ist ihnen damit der Einstieg in Teilbereiche der kommerziellen DV gelungen, können die Minis guter Hoffnung sein, mit diesem Trend weiterzuwachsen.

Außerdem ist das Geschäft im kommerziellen Bereich mittlerweile viel attraktiver. Gerade in Zeiten knapper werdender Finanzmittel für Wissenschaft und Forschung erhöht sich der Beratungsaufwand im technisch-wissenschaftlichen Sektor enorm. Benötigt man hier drei hochqualifizierte Verkäufer, um eine Maschine an den Mann zu bringen, schafft im kommerziellen Bereich ein Verkäufer drei Maschinen. "Im Gegensatz zum technisch-wissenschaftlichen Markt" räumt ein Superminianbieter ein, "kommt man eben mit erheblich weniger Fachwissen aus."