Computer für alle Mitarbeiter

Zu Hause am PC - Aufbruch in eine neue Arbeitswelt

03.11.2000
Die Schweden haben es vorgemacht, die Deutschen freunden sich mit der Idee zunehmend an: ein PC für jeden Mitarbeiter in seinen eigenen vier Wänden - auf Firmenkosten. Das fördert die Bereitschaft, sich spielerisch mit dem Internet vertraut zu machen, und spart obendrein Kosten. Von Veronika Renkes*

"Schenken Sie Ihren Mitarbeitern einen PC für den Hausgebrauch und zahlen Sie Ihnen den Anschluss an Internet und Intranet", schlug bereits 1997 Dieter Klumpp, Geschäftsführer der Alcatel SEL Stiftung in Stuttgart, deutschen Unternehmern vor. Der Vorteil dieser Aktion, so der Manager: Die Mitarbeiter würden dadurch auf schnellstem Wege die in der Arbeitswelt dringend benötigte Medienkompetenz erwerben. Zudem ließen sich Arbeitsgänge an den Heimarbeitsplatz verlagern.

Der Vorstoß, der vor ein paar Jahren noch als etwas wirklichkeitsfern beargwöhnt wurde, ist inzwischen auf offene Ohren gestoßen. International agierende Konzerne, die längst einen Teil ihres Geschäftsverkehrs via Internet und E-Commerce abwickeln, wollen weltweit ihre Mitarbeiter zu Hause mit PCs und Internet-Anschluss ausstatten; darunter der Computerhersteller Intel, der Autobauer Ford, die Fluggesellschaft Delta Airlines und der Medienkonzern Bertelsmann.

Neben dem Anliegen, die eigenen Fachkräfte im Eiltempo auf den Gebrauch der neuen Technologien einzuschwören, steht dabei laut Georg Ruppert, E-Commerce-Experte der Unternehmensberatung Mummert + Partner, auch der Umbau der bisherigen Arbeitsstrukturen im Blickfeld: "Die Unternehmen preschen vor, weil sie über neue Arbeitsformen wie Telearbeit nachdenken." Nebenbei, so Ruppert, könnten die Firmen langfristig Schulungskosten einsparen, indem sie entsprechende Lernprogramme gleich mitliefern.

"Wir wollen unsere Mitarbeiter fit machen fürs Internet, denn ohne dieses Wissen wird es in Zukunft nicht mehr gehen", erklärt Hans Jürgen Fuchs, Sprecher der deutschen Ford-Werke in Köln. Der Autobauer will Anfang nächsten Jahres mit der Aktion starten.

Sei es der Einkauf auf B-to-B-Marktplätzen oder der Internet-Anschluss im Auto: Die Branche braucht Fachkräfte, die nicht nur Ahnung vom Pkw-Bau haben, sondern sich mit den neuen Informationstechnologien auskennen.

Deshalb geht Ford in die Offensive: Vom Fließbandarbeiter bis zum Manager, jeder der weltweit 350000 Mitarbeiter, davon alleine 30000 in Deutschland, soll einen "erstklassigen PC inklusive Internet-Anschluss" zur privaten Nutzung erhalten; allerdings nicht wie ursprünglich geplant als Geschenk, sondern nur als Leihgabe. Der Idee, das PC-Paket einfach zu verschenken, steht der deutsche Fiskus entgegen. Laut Steuergesetzgebung müssen die Arbeitnehmer solche Geschenke als geldwerten Vorteil versteuern.

Mit einem Trick umgeht die Konzernführung nun dieses Hindernis: Leiht der Autobauer die Computer an die Mitarbeiter nur aus, dann entfällt die Besteuerung. Also wird Ford die PCs seinen Mitarbeitern ab Januar 2001 für einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren nur zur Nutzung überlassen. Dafür zahlen sie rund zehn Mark im Monat für Computer, Drucker und Internet-Zugang. Ähnlich wie andere Unternehmen bietet Ford ein Basismodell für alle an. Wer es gerne aufwändiger hätte, zum Beispiel einen Laptop, der muss etwas drauflegen. Softwarepakete zur Weiterbildung sind für die Einführungsphase noch nicht vorgesehen, aber in Zukunft denkbar.

Mitte nächsten Jahres will der US-Computerhersteller Intel mit seinem Home-PC-Programm in Deutschland beginnen, nachdem er damit auf den Philippinen gestartet ist. Mit einer aufwändigen Kampagne soll die Belegschaft auf das Internet eingeschworen werden. Dafür stellt Intel jedem Mitarbeiter einen PC mit einem leistungsstarken Pentium-III-Prozessor, inklusive Drucker, Kamera sowie gängiger Software zur Verfügung. Sogar ehemalige Mitarbeiter, die sich jetzt im Ruhestand befinden, werden bedacht.

Christian Anderka von Intel Deutschland in Feldkirchen betont, dass die Aktion ausschließlich für den privaten Nutzen der Mitarbeiter gedacht ist. Es sei keinerlei Verpflichtung damit verbunden. So würden auch keine Lernprogramme installiert. "Allerdings", so Anderka, "hoffen wir natürlich, dass die Mitarbeiter auf diesem Weg spielerisch lernen, mit dem PC und dem Internet umzugehen."

Auch der Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann will noch in diesem Jahr seinen Mitarbeitern in Deutschland kostenfrei ein PC-Paket zur Verfügung stellen. In den USA, Großbritannien, in Irland und Spanien ist die Aktion "Alle ins Netz" für die weltweit 75 000 Mitarbeiter in insgesamt 54 Ländern bereits angelaufen. "Das Internet ist ein Schlüssel zur Zukunft. Bertelsmann will seine Mitarbeiter und deren Familien an diesem Fortschritt teilhaben lassen", erläutert Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff das Engagement. Der Medienkonzern setzt darauf, dass sich die hinderliche Steuergesetzgebung in Deutschland schon bald verändern wird. Recherchen im Bundesfinanzministerium und dem Bundespresseamt haben allerdings keine Hinweise erbracht, dass sich in nächster Zeit bei diesem Thema wirklich etwas ändert.

Was in Deutschland erst langsam anläuft, hat sich in Schweden bereits bewährt. "Das Ganze begann 1996, als die schwedische Post ihren Mitarbeitern Computer zur Weiterbildung überlassen wollte", erzählt Kenneth Wiklund vom Stockholmer IT-Systemhaus WM-Data. Auch in Schweden stellten sich damals die Steuerbehörden zunächst quer. "Geldwerter Vorteil" lautete hier ebenfalls das Hauptargument.

1998 wurde dann allen Arbeitnehmern die Möglichkeit geboten, vom Arbeitgeber steuerfrei eine Computerausrüstung für den privaten Gebrauch auszuleihen. Die Ausrüstung kann nach einigen Jahren gegen einen symbolischen Betrag erworben werden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Vergünstigung für das gesamte Personal gilt. Die Reform wurde gut aufgenommen und hatte zur Folge, dass viele Arbeitnehmer jetzt zu Hause über einen Computer verfügen. Allein zwischen 1997 und 1998 stieg der Anteil der Beschäftigten, die zu Hause einen Computer haben, von 48 auf 67 Prozent.

*Veronika Renkes ist freie Journalistin in Bonn.

Qualifikation im NetzWie könnte die Qualifizierungsoffensive in Deutschland weitergehen? Ein mögliches Szenario hat Dieter Klumpp von der Alcatel SEL Stiftung entwickelt: "Der Arbeitgeber schenkt jedem Mitarbeiter einen neuen PC mit Modem und installiertem Office-Paket. Der Arbeitgeber übernimmt zusätzlich für seine Angestellten Grundgebühr und Online-Kosten. Das Geschenk wird steuerlich nicht als geldwerte Leistung, sondern als normale Betriebsausgabe behandelt, genau wie die Online-Gebühren. Der Arbeitnehmer lernt und übt den Umgang mit den PC-Anwendungen selbst; Familie, Kinder, Freunde, Nachbarn, Kollegen oder auch neue Dienstleister helfen ihm dabei. Er nimmt das Gerät in seinen Alltag auf wie eine Stereoanlage oder einen Videorecorder. Es entsteht keine Telearbeit, sondern lediglich eine Tele-Informationsarbeit und eine Tele-Grundfortbildungszeit. Der Angestellte kann auch geeignete Arbeitsdokumente per Diskette zur Erhöhung der eigenen Zeitflexibilität mit nach Hause nehmen, aber dies geschieht freiwillig.

In einer zweiten Stufe erhält der Angestellte einen Zugang zum jeweiligen Firmennetz. Dann können problemlos Terminkalender, Arbeitszeiten, aktuelle Aufgaben und Informationen auch außerhalb der Anwesenheitszeit von allen kommuniziert, bearbeitet und benutzt werden. In einer dritten und zunächst letzten Stufe richten kooperierende Unternehmen in den Peripherien der Ballungsräume Satellitenbüros ein, die jeder Mitarbeiter eines Betriebes zu seinem eigenen virtuellen Büro machen kann."