Gates-Company hat PC-Hersteller massiv unter Druck gesetzt

Zeugen belegen Microsofts unlautere Praktiken

07.05.1999
MÜNCHEN (CW/IDG) - Kurz vor der Wiederaufnahme des Monopolprozesses gegen Microsoft sind neue Zeugenaussagen an die Öffentlichkeit gelangt, die belegen, wie der Softwarekonzern durch seine Lizenzpolitik PC-Hersteller unter Druck gesetzt hat. IBM hat dem Gericht bislang unbekannte Dokumente ausgehändigt, die ebenfalls auf unlautere Geschäftspraktiken hindeuten sollen.

Eine der strittigsten Fragen im Washingtoner Antitrust-Prozeß war von Anfang an, wie stark der Einfluß Microsofts auf PC-Anbieter durch die Lizenzpolitik für das Windows-Betriebssystem ist. Die auf Anordnung von Richter Thomas Jackson veröffentlichten Aussagen aus dem bisherigen Prozeßverlauf geben den Kritikern der Gates-Company neue Munition.

John Romano etwa, ehemals verantwortlich für Forschung und Entwicklung in HPs Home Products Division, berichtete, Microsoft habe dem Hersteller untersagt, ein eigenentwickeltes, einfach zu bedienendes Startprogramm auf den eigenen PCs zu installieren. Benutzer hätten diese Oberfläche noch vor Erscheinen des Windows-95-Bildschirms zu sehen bekommen. Auch eine Multimedia-Präsentation, die HP-Kunden die Funktionen der neuen Rechner erklärte, habe man entfernen müssen. Als direkte Folge dieser Maßnahmen seien die Anfragen im Produktsupport für HPs "Pavillion"-PCs um zehn Prozent gestiegen.

Microsoft hat solche Restriktionen bis dato immer mit dem Argument verteidigt, Kunden ein einheitliches Windows-Erscheinungsbild präsentieren zu wollen. Allerdings untergruben die Redmonder das Vertrauen in diese Aussagen dadurch, daß sie einzelnen PC-Anbietern wie etwa Compaq sehr wohl gestatteten, eigene Programme während des Hochfahrens von Windows zu starten.

Weiteres Ungemach droht der Gates-Company nun auch von IBM. Der größte IT-Konzern der Welt hat dem Washingtoner Bezirksgericht nach Informationen des "Wall Street Journal" bislang unbekanntes Beweismaterial zugeleitet. Aus den noch unter Verschluß gehaltenen Dokumenten soll klar hervorgehen, wie Microsoft Preise und Lizenzbedingungen für das Windows-Betriebssystem als Druckmittel gegen unbequeme PC-Hersteller einsetzte. Anbieter, die den strategischen Interessen von Gates im Wege standen, seien regelmäßig mit deutlich höheren Lizenzgebühren bestraft worden. Eventuell mit Microsoft-Produkten konkurrierende Software der PC-Anbieter habe der Konzern auf neuen Rechnern nicht zugelassen. Der IBM-Manager Garry Norris, der mit den Geschäftsbeziehungen zu Microsoft bestens vertraut sein soll, wird voraussichtlich als weiterer Zeuge der Anklage aussagen.

Wann der Monopolprozeß wiederaufgenommen wird, war bis Redaktionsschluß noch offen. Vertreter beider Parteien gehen inzwischen davon aus, daß Richter Jackson wegen eines ebenfalls von ihm geführten anderen Strafverfahrens möglicherweise erst im Juni wieder zur Verfügung stehen wird.