Zentrallager abseits grosser Verkehrswege Dental-Grossvertrieb loest seine logistischen Probleme mit Unix

11.03.1994

Ein logistisches Problem ganz besonderer Art hatte die Dental 2000 GmbH zu bewaeltigen. Das Zentrallager des Herstellers von Dentalartikeln liegt verkehrstechnisch schlecht angebunden abseits der B4 zwischen Erfurt und Coburg im Thueringischen, in einem kleinen Ort namens Benshausen. Von dort aus, so berichtet Peter Engerisser*, beliefert das Unternehmen bundesweit rund 3000 Zahnarztpraxen im ganzen Bundesgebiet - mit Hilfe einer Unix- Installation.

Zur logistischen Bewaeltigung von Akquisition und Auftragsannahme ueber Buchhaltung und Versand bis hin zur Erstellung der Bilanz setzt das Unternehmen, das fuenf Filialen in ganz Deutschland unterhaelt, Unix-Rechner mit Datenfernuebertragung und ein modular konfektioniertes Anwenderprogramm ein. Das Gesamtsystem wickelt alle Auftraege ueber Nacht ab.

Unix-DV verhindert doppelte Lagerhaltung

Unternehmen, die eilige Gueter vertreiben, sind haeufig an Verkehrsknotenpunkten zu finden, um keine Zeit beim Transport der Waren zu verschenken. Denn Zeit ist bekanntlich Geld, sprich: Nur rechtzeitig belieferte Kunden sind zufriedene Kunden und bleiben dem Unternehmen treu.

Gerade bei sogenannten zeitkritischen Guetern ist es nach wie vor gang und gaebe, dass die Artikel mehrfach an verschiedenen Standorten vorgehalten werden. Doch diese Art der Logistik ist mit sehr grossem Aufwand verbunden. Sie verursacht nicht nur erhebliche Lagerkosten im mit hohen Mieten belasteten Ballungsraum. Obendrein ist sie personalintensiv und somit wiederum nur bedingt konkurrenzfaehig.

Ein Grossteil der typischen logistischen Probleme laesst sich bekanntlich DV-technisch loesen. Dazu bedarf es vor allem eines gut durchdachten logistischen Konzeptes, das bei der Ueberbrueckung der Distanzen und dem Aufbau der Verwaltung den entscheidenden Zeitvorteil einbringt.

Am einfachsten hat es der Anwender, wenn er bei Null anfangen, also die Planung ohne Ruecksicht auf vorhandene DV-Altlasten angehen kann. In genau dieser Situation befand sich die 1992 in Leipzig gegruendete Dental 2000 GmbH.

Die logistische Situation des Unternehmens ist ausschlaggebend fuer die DV-Installation. Die Entfernung vom Zentrallager in Benshausen bis zur Hauptniederlassung in Leipzig betraegt fast 200 Kilometer, die aber nur selten mit dem Auto zurueckgelegt werden muessen. Denn alle fuer die Abwicklung eines Versandauftrages benoetigten Daten werden per Datenfernuebertragung an die Verwaltung in Leipzig geleitet. Auf die gleiche Art und Weise - naemlich automatisch ueber Modem per Datex-P - sind auch die weiteren Vertriebsbueros mit der Hauptniederlassung in Leipzig und dem Zentrallager in Benshausen verbunden.

Schreibt nunmehr zum Beispiel der Vertriebsbeauftragte im schwaebischen Ludwigsburg eine Bestellung fuer einen Kunden aus, wird dieser Auftrag automatisch vom System an den Host-Rechner des Zentrallagers in Benshausen gemeldet. In der Folge laufen in Benshausen im Lager die fertigen Packzettel samt Lieferschein und Adressformular fuer den Paketdienst aus dem Drucker. Das System nimmt ferner die Gewichtsberechnung fuer die richtige Etikettierung vor und liefert eine fertige Tourenliste. Mit Fertigstellung des Paketes sendet das System diese Daten an die Hauptverwaltung in Leipzig, wo wiederum automatisch die Rechnung erstellt und ausgedruckt wird. Ein Duplikat der Rechnung kann - falls gewuenscht - der Drucker in Ludwigsburg ausgeben.

In der Regel wird bereits wenige Minuten nach Auftragserstellung die georderte Ware in Benshausen anhand der Artikelnummern zusammengestellt und versandfertig verpackt. Am naechsten, spaetestens am uebernaechsten Tag - je nach Zeitpunkt des Auftragseingangs - kann der Paketdienst die Ware beim Kunden per Paketdienst ausliefern.

Die einzelnen Niederlassungen sind ueber Modem und Datex-P vernetzt, wobei die drei Vertriebsniederlassungen sowohl mit Benshausen als auch mit Leipzig in Verbindung stehen und auch miteinander verbunden sind. Ueber Datex-P laeuft ferner die Kommunikation zwischen Benshausen und Leipzig. Fuer den Fall, das eine Verbindung fuer laengere Zeit unterbrochen ist, besteht immer die Moeglichkeit, ueber eine gerade funktionierende Leitung Kontakt mit der gewuenschten Niederlassung aufzunehmen.

Ein Teil des Datenaustausches zwischen den Niederlassungen wird in den tarifguenstigen Zeiten ab 22 Uhr abgewickelt. Das Wide Area Network unterstuetzt ein Router, der die Vermittlungsfunktion zwischen Benshausen und Leipzig optimiert.

Fuer die nahe Zukunft ist geplant, dass alle Niederlassungen mit einem Router ausgestattet werden, um die paketvermittelte Datenuebertragung auch bei einer staerkeren Beanspruchung des Netzes zu gewaehrleisten.

Die gesamte Verwaltung der Dental 2000 GmbH erfolgt mit der MKA- Software des Stuttgarter Unternehmens A-Arwacomp, das die gesamte Anlage geplant und installiert hat. MKA steht fuer modular konfektioniertes Anwenderprogramm, das auf die Beduerfnisse des Kunden und der Branche zugeschnitten werden kann.

Die in zehn Jahren entwickelte Applikation setzt auf der Datenbank Progress auf und wurde in 4GL geschrieben. Sie umfasst die Module Adressverwaltung, Report-System, Projekt-Management, Terminkalender, Reiseplanung, Schriftverkehr, Artikelverwaltung, Warenwirtschaft, Verkauf, PPS, Service, Statistik, Kassen und Versand.

Die wichtigsten Module sind Verkauf und Versand. Erhaelt eine Filiale einen neuen Auftrag, wird zunaechst die Adresse eines potentiellen Kunden im elektronischen Karteikasten gespeichert. Dieser ist verknuepft mit dem Terminkalender des jeweiligen Sachbearbeiters. Zusammen mit der Adresse werden die Besuchsberichte der Aussendienstmitarbeiter und jedwede sonstige Korrespondenz abgelegt.

Rascher Ueberblick ueber alle Projekte

Im weiteren Verlauf finden auch Briefe, Bestellungen, Lieferscheine etc. Eingang in das Reportwesen. Diese Art der Verknuepfung ermoeglicht eine intensive Akquisition. Eine Besonderheit des Systems ist, dass mit einer neu angelegte Adresse sofort gearbeitet werden kann.

Anhand einer Adresse kann sich somit jeder Zugriffsberechtigte einen kompletten Ueberblick ueber die jeweiligen Projekte verschaffen und bei der Formulierung seiner Briefe auf diese Daten zurueckgreifen. Der Mitarbeiter kann auch eine Wiedervorlagetabelle anfordern und die erstellten Dokumente an den Vertrieb oder die Buchhaltung weiterleiten.

Das sogenannte Order-Processing ist hierarchisch aufgebaut und beginnt beim Briefangebot mit Textbausteinen und dem automatisch zusammengestellten Prospektmaterial. Kommt es zum Angebot und anschliessend zum Auftrag, werden die Artikelpositionen automatisch auf dem Lieferschein und der Rechnung festgehalten. Zurueckgeschickte Waren werden als Ruecklieferschein eingebucht, so dass auch die dann erforderliche Gutschrift fuer den Kunden automatisch ausgestellt wird. Die zu den einzelnen Filialen gehoerenden Kleinstbestaende und Kundendienstautos fuehrt das System wie ein Lager.

Die Gesamtdaten lassen sich natuerlich auch statistisch auswerten und grafisch darstellen. Das sogenannte Report-Modul ermoeglicht Auswertungen nach Kunde, Vertriebsbeauftragtem, Filiale, Verkaufsgebiet und selbstverstaendlich eine totale Gesamtschau. Weitere Auswertungen lassen sich vom Anwender nach eigenen Wuenschen bestimmen. Zum Schutz des Datenbestandes ist eine Aenderung der Daten im Report-Wesen nicht moeglich.

Offene Umgebung spart Investitionen

Auch die Verwaltung des Lagers wird mit der Software von A- Arwacomp automatisch bewaeltigt. So faxt das System, sobald der fuer einen Artikel definierte Mindestbestand unterschritten wird, den jeweiligen Lieferanten mit der ebenfalls zuvor einmal definierten Bestellung an.

Ferner stehen fuer die Lagerlogistik Inventurprogramme zur Verfuegung, die die Haeufigkeit des Zugriffs auf einen bestimmten Artikel registrieren. Der Mitarbeiter kann gleichzeitig abfragen, ob dieser Artikel haeufig in Verbindung mit anderen Produkten angefordert wird. Unrentable Artikel werden identifiziert und koennen aus dem Programm genommen werden.

Das System ueberwacht ferner die Buchhaltung und den Bankeinzug, sofern dieser bei der Adresse des jeweiligen Kunden hinterlegt wurde. Last, but not least ist das System auch bei der Preisgestaltung und Bilanzierung behilflich. Dafuer stellt es Preistabellen nach Kunden, Lieferanten, Haendlern, Artikelgruppen und Artikelstamm sowie Module fuer Steuer und Handel zur Verfuegung.

"Offene Hardware, offenes Betriebssystem und offene Programmierwerkzeuge sind kostensparende Investitionen fuer die Zukunft", erklaerte Armin Wagner von der A-Arwacomp. Die gesamte Installation hat einen Wert von 370 000 Mark.

Dieser Preis umfasst die Hard- und Software inklusive Installation sowie den technischen Support fuer insgesamt 100 Arbeitsplaetze in den fuenf Niederlassungen. Aufgrund der Wahl eines symmetrischen Multiprozessor-Systems ist laut Wagner ein rascher Ausbau der Anlage im Bedarfsfall moeglich.

Die Hardware-Installation

Abgewickelt wird die gesamte Logistik von Dental 2000 mit insgesamt fuenf Unix-Rechnern von Wyse Technology. Das leistungsfaehigste Modell, das mit drei i486/33-Megahertz-Intel- CPUs ausgeruestete symmetrische Multiprozessor-System 7000i 740 MP, steht in Benshausen. Der Hauptspeicher des Rechners, an den ueber Ethernet 45 Terminals und zwoelf Drucker angeschlossen sind, umfasst 64 MB. Die Festplattenkapazitaet betraegt 1,5 GB. Zusaetzlich sind fuer Backup und Datensicherheit ein DAT-Streamer mit 1,3 GB und ein weiterer Streamer mit 525 MB angeschlossen.

Der Multiprozessor-Rechner kann im Bedarfsfall auf fuenf Chips aufgeruestet werden und erreicht dann eine Leistung von ueber 200 MIPS. Als Betriebssystem setzt Wyse seine TSMP-Implementierung (True Symmetric Multi-Processing) von Unix System V, Release 4, ein. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Version von Unix V.4, die auf die Rechner der Serie 7000i speziell zugeschnitten wurde, um eine optimale Lastverteilung zu erreichen.

In der Leipziger Hauptniederlassung kommt eine Single-Prozessor- Maschine der Serie 7000i zum Einsatz, die 40 Terminalarbeitsplaetze versorgt und ueber zehn Druckerstationen verfuegt. Auch dieses System, das 32 MB Hauptspeicher enthaelt, besitzt mit 1,3 GB eine grosse Platte fuer die zu bewaeltigenden Verwaltungsaufgaben. Die Vernetzung erfolgt wiederum ueber Ethernet.

Die weiteren drei Vertriebsniederlassungen in Hamburg, Berlin und Ludwigsburg sind jeweils mit Rechnern vom Typ Wyse 5000i mit 16 MB Hauptspeicher und einer 1,3-GB-Platte ausgeruestet. In allen drei Niederlassungen sind fuenf Terminalarbeitsplaetze eingerichtet und je ein Laser- und ein Nadeldrucker angeschlossen.

Die Dental 2000 GmbH

Die Dental 2000 GmbH wurde 1992 in Leipzig gegruendet. Sie ist eine Nachfolgeorganisation des ehemaligen DDR-Betriebes MVL (Medizinische Versorgung Leipzig) und vertreibt Dental-Artikel. Das einzige, was von der alten Firma ausser dem Personal uebernommen wurde, war der Adressbestand.

Im Sortiment der Dental 2000 GmbH befinden sich ueber 40000 Zahnmedizinische Produkte. Die Palette reicht vom taeglich benoetigten Verbrauchsmaterial wie Tupfer und medizinischer Watte ueber Bohrer und Behandlungsstuhl bis hin zur Vollausstattung von Zahnarztpraxen und Dentallabors.

In ganz Deutschland gibt es ueber 15000 Zahnarztpraxen und Labors. Davon beliefert das Unternehmen rund 3000. Der Grossteil der Kunden von Dental 2000 hat seinen Sitz in den neuen Bundeslaendern. Dies haengt eng mit der Uebernahme des Adressenbestandes der MVL zusammen. Aber auch in den alten Bundeslaendern ist das Unternehmen bereits etabliert.

Die einzige Praemisse bei der Neugruendung war, die Hauptniederlassung in Leipzig zu belassen. Somit hatte man bei der Wahl aller weiteren Standorte freie Hand. Allerdings galt es, ein Zentrallager aufzubauen, das fuer ganz Deutschland den Versand von eiligen Dentalartikeln ueber Nacht bewaeltigt.

Die Wahl fiel aus Kostengruenden auf Benshausen in Thueringen. Dort fand man ein passendes Gebaeude fuer die Einrichtung des Zentrallagers und der Verwaltung. Der Standort nahe Zehla-Mehlis an der B 280 ist allerdings verkehrstechnisch schlecht angebunden.

Neben der Hauptniederlassung in Leipzig und dem Zentrallager in Benshausen verfuegt das Unternehmen ueber drei Zweigniederlassungen in Berlin, Hamburg und Ludwigsburg. Letztere sind Vertriebsbueros, die auch die technische Betreuung der Kunden uebernehmen. Weitere Filialen sollen in naher Zukunft hinzukommen. Insgesamt beschaeftigt Dental 2000 derzeit 110 Mitarbeiter. Davon sind 40 in Leipzig, 25 in Benshausen und 15 in Berlin taetig.

*Peter Engerisser ist Marketing Manager der Wyse Technology GmbH, Grasbrunn.