Distributed Processing im Online-Netzwerk verringert DÜ-Kosten:

Zentralcomputer wird zum Ein-/Ausgabegerät

11.09.1981

Der dezentrale Zugriff auf die Computer-Intelligenz am Sachbearbeiterplatz hat sich durchgesetzt und wird heute fast ausschließlich über Datensichtgeräte abgewickelt.

Bei der Realisierung der Arbeitsplatz-Datenverarbeitung werden zwei vom Ansatz her unterschiedliche Möglichkeiten angewandt, die bisher fast immer als sich gegenseitig ausschließende Alternativen angesehen wurden. So handelt es sich zum einen um die reinen Online-Netzwerke mit unintelligenten Datensichtgeräten die die absolute Zentralisierung der Computerintelligenz aufrechterhalten, wahrend zum anderen das Konzept des klassischen Distributed Processing gilt, bei dem ein Teil der Computerintelligenz vor Ort ausgelagert wird, Verbindungen zum Hauptcomputer aber per Datenübertragung möglich sind.

Die Entscheidung für die eine und damit gegen die andere Lösung orientierte sich bisher an technischen Möglichkeiten. Bei kaum einer Organisationsform aber war diese Entscheidung nicht mit schmerzlichen Kompromissen belastet.

Seit einiger Zeit zeichnet sich als neuer Trend die Integration beider Konzepte ab. Diese Integration verbindet lokale Intelligenz mit Online-Durchgriff auf den Zentralcomputer und eröffnet damit neue Perspektiven für eine kompromißfreie Anpassung der sachbearbeiternahen EDV-Lösung an die realen organisatorischen Gegebenheiten. Eine solche Integration läßt sich zum Beispiel mit Distributed-Processing-Systemen realisieren, in deren Anwendungsprogramme die Module zur Online-Verbindung zum Hauptcomputer eingearbeitet werden können.

Zwangsläufig positiv

Dabei stellt sich bei der Erstellung der Anwendungsprogramme, vereinfacht gesehen, der Hauptcomputer mit seinen umfassenden Möglichkeiten quasi als zusätzliches Ein-/Ausgabegerät dar. Das organisatorische Prinzip "Lokale Verarbeitung wo möglich, Online-Durchgriff wo nötig" kann damit auch innerhalb einzelner Anwendungsprogramme benutzt werden.

Dieses Prinzip kann zu erheblicher Entlastung des Hauptcomputers führen, wodurch sich zugleich das Antwortzeitverhalten für die reduzierte Anzahl der Anfragen verkürzt.

Zudem lassen sich auch bei den Leitungskosten in Zusammenhang mit dem Datex-P-Dienst der Deutschen Bundespost Einsparungen erzielen, da zu übertragende Datenvolumen vor allem mengenabhängig zu bezahlen sind. Das bei der Integration von Distributed Processing und Online-Verarbeitung verringerte Datenübertragungsvolumen wirkt sich in den Kosten zwangsläufig positiv aus.

Die programmierte Online-Verarbeitung bietet die Chance der Integration von Distributed Processing und klassischer Online-Verarbeitung. Als einer von vielen möglichen idealen Anwendungsfällen soll hier auf eine Vertriebsorganisation mit dezentralen Verkaufslägern eingegangen werden.

Nur lokale Bedeutung

Neben einer kleinen Anzahl von überregionalen Kunden mit Großanschlüssen, zum Beispiel Einkaufsgesellschaften, haben die Masse der Kunden nur lokale Bedeutung, da sie ausschließlich mit einem zentralen Verkaufslager verhandeln und nur bei diesem ihre Auftrage plazieren. Diese lokalen Kunden sind in der lokalen Kundenkartei gespeichert. Desgleichen sind die Artikel, die im lokalen Lager vorhanden sind, nur dezentral gespeichert. Jeder eingehende Auftrag kann sofort über das Distributed-Processing-System erfaßt werden. Dabei erfolgt die Überprüfung der Verfügbarkeit der gewünschten Artikel und die Lieferscheinschreibung.

Beim Fehlen bestimmter Artikel im dezentralen Lager ruft das Verarbeitungsprogramm automatisch die entsprechende Online-Funktion auf und disponiert die fehlenden Teile im zentralen Computer. Durch die mögliche automatische Abfrage des Zentralcomputers erfährt der Sachbearbeiter erst durch die Bestätigung am Bildschirm, in

welchem Lager die bestellten Artikel disponiert wurden.

Im Anschluß an die Auftragserfassung, Disposition und Lieferscheinschreibung erfolgt die Rechnungsschreibung ebenfalls dezentral durch das Distributed-Processing-System. Die Daten für die Debitorenbuchhaltung werden gesammelt und täglich einmal in dem gleichen Online-Übertragungsverfahren als Stapel zur Verfügung gestellt.

Im Gegensatz zu einer reinen Online-Lösung wird das Volumen der übertragenden Daten durch den Einsatz des Distributed-Processing-Systems mit programmierbarer Online-Verarbeitung entscheidend verringert und damit die Übertragungskosten reduziert. Weiterhin wird die Belastung des Hauptcomputers herabgesetzt, was sich in einem schnellen Antwortzeitverhalten für den Anwender günstig auswirkt.

Eine reine Distributed-Processing-Lösung wäre in diesem Fall durchaus in der Lage, die dezentrale Auftragsbearbeitung autonom durchzuführen, wobei allerdings Aufträge, die wegen fehlender Artikel nicht voll erfüllt werden könnten, zu einem späteren Zeitpunkt gesondert bearbeitet werden müßten. Dadurch wäre ein erhöhter Lagervorrat erforderlich, um dieselbe hohe Lieferbereitschaft zu gewährleisten. Beides kostet Zeit und Geld.

Das aufgeführte Beispiel einer Vertriebsorganisation mit dezentralen Verkaufslagern zeigt die Chancen, die in der programmierten Online-Verarbeitung liegen, die die Kombination von Distributed Processing mit dem Online-Durchgriff auf den Hauptcomputer erlaubt.

*Dr. Klaus Müller, Hauptabteilungsleiter Software, MDS-Deutschland GmbH, Köln.