Zeitzünder

18.12.1981

Es muß Siemens schon mächtig gewurmt haben, daß sich die IBM Deutschland den 50-Millionen-Mark-Auftrag der Bundespost für die Bildschirmtext-Zentralen geschnappt hat. Gegen andere Amtsbaufirmen kann man schon mal verlieren, aber die Schlappe gegen den vermeintlichen Nachrichtentechnik-Lehrling ist zu vergleichen mit einer Niederlage der britischen Inselfußballer im Londoner Wembley-Stadion.

Die Münchner waren ja im Rennen um die erste Btx-Hardware dabei, wenn auch nicht mit einer förmlichen Meldung, so doch als Softwarepartner von SEL, das als offizieller Verlierer jetzt das meiste Fett wegbekommt. Daß ihnen fünfzig Mille durch die Lappen gegangen sind, werden die Bajuwaren verschmerzen. Daß die Btx-Flagge jetzt "blaugelb" im Telekommunikationswind flattert, hat ihnen einen Schock versetzt. Das Postding ist nämlich eine Bombe mit Zeitzünder, die ihre volle Sprengkraft erst entwickelt, wenn das Datenendgerätegeschäft losgeht. Neutrale Beobachter wollen beobachtet haben, daß IBM die Zeituhr auf 3270 eingestellt hat - zu stoppen nur mit SNA.

Der Marktführer sorgte kurz vor Jahresschluß noch für eine weitere Sensation: "IBM Deutschland strafft Vertriebsapparat", heißt es auf Seite eins dieser Ausgabe. Die Umstrukturierung des IBM-Außendienstes von einer produktorientierten in eine kundenorientierte Organisation dürfte Signalwirkung haben - für die Kunden, für die Wettbewerber und, nicht zuletzt, für die IBM-Verkaufsmannschaft selbst. Mag das Bösenberg-Team auch argumentieren, man wolle sich mehr den Erfordernissen der Kunden anpassen: der Spaß kostet schließlich eine ganze Menge ("Schmerzensgeld" für VB) - und wenn sich die Organisationskosmetik finanziell nicht lohnen würde, IBM würde sie nicht machen.

Man muß in der Tat davon ausgehen, daß der Computergigant überflüssigen Ballast abwirft. Nach Produkten ausgerichtete Divisionen zu unterhalten, die sich beim Anwender gegenseitig in die Quere kommen, diesen Luxus will man sich nicht mehr leisten. Nur noch ein Gesicht pro Kunde soll dem DV-Chef vertraut sein - "one face to the customer" heißt IBM-intern das Schlagwort. Ob dieses Face freilich, auf "Über-alles-Bescheidwissen" getrimmt, beim ABC-Kunden das Gesicht wahren kann, steht dahin. Noch ist zum Beispiel offen, ob alle Schreibmaschinenverkäufer unter dem IS-Dach Unterschlupf finden, nachdem der Textverarbeitungsbereich als eigenständige Einheit praktisch zugemacht wird.

Es scheint sicher, daß die Stuttgarter Personal abspecken werden. Ein ungewohntes Bild das nachdenklich stimmt zum Jahreswechsel.