Zeit-Management: Welcher Typ sind Sie?

11.10.2007
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Manche Manager brauchen Ordnung. Anderen hilft das kreative Chaos.

Arbeitszeiten von 6.30 Uhr bis 20 Uhr ist Vertriebschef Peter Bauer (Name geändert) gewohnt. Manchmal kommen noch lange Abend- oder Wochenendschichten hinzu. Bauer ist in der deutschen Niederlassung eines amerikanischen Unternehmens tätig, das sich auf Software zum Kundenbeziehungs-Management spezialisiert hat. Er erhält sehr anspruchsvolle Umsatzziele. Den ständigen Zeitdruck verschärfen die vielen Mails und Handy-Anrufe, denen sich, wer im Kundenkontakt steht, nicht entziehen kann. Bauer hat Karriere gemacht. Seine Kunden sind groß und bekannt und neigen ebenso wenig wie seine Vorgesetzten dazu, ihn in Ruhe zu lassen: "Es interessiert niemanden, ob man Familie hat."

Hier lesen Sie …

  • ob Sie ein Ordnungs- oder ein Chaostyp sind;

  • was Sie tun können, um mit Ihrer Zeit auszukommen;

  • wie andere IT-Experten ihre Arbeit planen.

Viele IT-Spezialisten in nicht leitenden Funktionen sind ähnlich eingespannt. Oliver Listl dient seinem Arbeitgeber, einem Weiterbildungsunternehmen in Straubing, eigentlich in zwei Berufen. Als Dozent für Informatik unterrichtet er angehende Betriebsinformatiker; davor, danach und in den Pausen hält er als Netzwerkadministrator die Hard- und Software des Hauses am Laufen als der Autor dieser Zeilen sich mit ihm austauschte, freute er sich gerade über 157 Tage störungsfreien Netzbetrieb. Pro Woche arbeitet Listl durchschnittlich 50 Stunden zuzüglich Unterrichtsvorbereitung und Korrekturen.

Klassisches Zeit-Management

An Techniken, die helfen, viel Arbeit in zu kurzer Zeit auf vertretbarem Niveau zu erledigen, besteht Bedarf. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entstanden Ansätze, die heute als "klassisches Zeit-Management" bezeichnet werden. Ihre Vertreter lehren die Kunst, Prioritäten zu setzen und realistisch zu planen. Man kann von ihnen lernen, wichtige von unwichtigen, dringende von aufschiebbaren Arbeiten zu unterscheiden sowie Pflichten loszuwerden, die Zeit kosten, aber nichts bringen. Außer Pausen sollte man großzügig Zeit für Unerwartetes einplanen Jörg Knoblauch und Holger Wöltje empfehlen 40 Prozent des Arbeitstages ("Zeitmanagement", Haufe Verlag, Niederlassung Planegg bei München 2006, 129 Seiten, 6,90 Euro). Wenn eine notorische Plaudertasche das Büro entert, soll man ihr freundlich lächelnd entgegengehen, sie bleibt dann nicht so lange.

Auch Oliver Listl und Peter Bauer ordnen ihre Aufgaben nach Wichtigkeit. Bauer ist immer zuerst für Kunden da, dann für Internes; Listl behebt Computerprobleme, die den Unterricht gefährden, sofort, andere haben Zeit bis danach. Die Prioritätensetzung funktioniert. Dennoch haben Autoren wie Lothar Seiwert, der bekannteste deutsche Zeit-Management-Spezialist, das klassische Konzept erweitert, weil es nicht ausreicht.

Nicht jeder braucht Pläne

Für eine dieser Einschränkungen steht vielleicht Rolf Vogel. Der Vertriebsmann arbeitet für den Softwaredienstleister Acadon, Krefeld und Erftstadt, der vor allem von integrierten Lösungen für Mittelständler. Seine Art, Prioritäten zu setzen, beschreibt Vogel ähnlich wie Peter Bauer. Zu ihr gehört der Kampf gegen einen lästigen Zeitfresser: Anrufe von weniger softwarekundigen Beratern aus anderen Firmen, "die sich selbst nur schlaumachen, mich aber nicht an die Interessenten ranlassen wollen". Aber es gibt einen auffallenden Unterschied: Während Bauer glaubt, "nahezu alles steuern" zu können, schätzt Vogel den Anteil des Planbaren nur auf "zirka 20 bis 30 Prozent der normalen Arbeitszeit". Das kann an objektiven Besonderheiten liegen, aber auch daran, dass Menschen Ähnliches anders wahrnehmen und anders damit umgehen.

Das klassische Zeit-Management bezweckt Ordnung. Es kommt Menschen entgegen, die logisch, gewissenhaft und möglichst nur an einer Sache arbeiten. Seiwert nennt sie "monochronische" beziehungsweise "konvergente" Typen ("Wenn du es eilig hast, gehe langsam", Campus Verlag, Frankfurt am Main 2005, 217 Seiten, 17,90 Euro). Wer dagegen "polychronisch" und "divergent" gepolt ist, macht gerne vieles gleichzeitig und ist eher intuitiv als pünktlich. Beide Typen sollten voneinander lernen, aber nicht zu viel. Auch Polychroniker können sich daran gewöhnen, Termine einzuhalten; würden sie dazu aber ein komplettes klassisches Zeit-Management betreiben, litte ihre Kreativität. Sie brauchen keine Ordnung, sondern ein terminfähiges Chaos.

Lieben Sie die Ordnung oder das Chaos?

Wenn Sie Monochroniker sind

  • können Sie Ihre Zeit gut einteilen;

  • fällt es Ihnen leicht, das Wichtigste zuerst zu erledigen;

  • sind Sie verlässlich und termintreu;

  • brillieren Sie immer dann, wenn es Vorteile bringt, Arbeitsschritte in einer streng geordneten Reihenfolge zu erledigen.

  • haben Sie Schwierigkeiten mit Konstellationen, die sich nicht messen lassen;

  • sind Sie durch die Freude des systematischen Arbeitens motiviert und verstehen nicht recht, dass manche Kollegen andere Anreize brauchen;

  • gelten Sie vielleicht als Erbsenzähler, der andere nicht begeistern kann.

Wenn Sie Polychroniker sind

  • eignen Sie sich für offene Aufgaben: Es beflügelt Ihre Kreativität, wenn man am Anfang noch nicht wissen kann, was am Ende herauskommen soll;

  • achten Sie auf Menschen: Sie wissen, wie es Ihren Kollegen geht;

  • helfen Sie unbürokratisch;

  • sind Sie ein einfühlsamer Chef.

  • ist Ihnen oft nicht klar, wie lange etwas dauern wird;

  • überziehen Sie Termine;

  • gelten Sie vielleicht als ineffizient und zielvergessen.

Arbeit ist nicht alles

Die zweite Grenze, die dem klassischen Zeit-Management gezogen ist, liegt in der Arbeitswelt selbst. Sie ist ungesund geworden. Laut einer Gallup-Studie sind im Jahr 2003 in Deutschland arbeitsbedingte Schäden von ungefähr 250 Milliarden Euro entstanden: durch innere Kündigung, Alkohol, Fluktuation, Mobbing, Psychopharmaka und Fehlzeiten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO führt 50 bis 60 Prozent der Fehlzeiten auf "stressassoziierte" Gesundheitsprobleme zurück.

Unter Umständen, wie sie in der IT-Branche üblich sind, hat eine gute Zeiteinteilung auch etwas Problematisches: Sie kann dazu verführen, immer noch mehr Druck auszuhalten bis zum Burnout oder Herzinfarkt. Zeit-Management sollte deshalb auch helfen, die Arbeit auf den Platz zu beschränken, der ihr zusteht. Für Lothar Seiwert bildet das tägliche Priorisieren und Planen das vierte und letzte Glied einer Selbstfindung. Den Anfang sollte die Suche nach den eigenen "Visionen" machen, also nach dem, was man im Leben will. Seiwert empfiehlt, sich das aufzuschreiben. Als Zweites geht es um die "Lebensrollen" oder "Lebenshüte". Jeder trägt mehrere davon, zum Beispiel als Vater, Ehemann, Architekt und Freizeitpianist. Es sollten aber nicht zu viele sein, und auch unter jedem einzelnen ist weniger oft mehr: Ein großer Bekanntenkreis macht nicht glücklicher, eine Beförderung auch nicht. Wer sich in dieser Weise über seine Wünsche klar geworden ist, läuft ein geringeres Risiko, sich auf Stufe drei und vier, der Wochen und Tagesplanung, zu übernehmen.

Arbeit und was noch?

  • Nehmen Sie sich Zeit für ein paar Fragen an sich selbst, am besten wenn Sie entspannt sind, zum Beispiel im Urlaub.

  • Wie viel Arbeit soll mein Leben enthalten? Wenn Sie kein Geld mehr verdienen müssten, was würden Sie dann tun? Und da Sie es nun einmal müssen: Wie können Sie sich dem Wunschzustand trotzdem annähern?

  • Wie schaffe ich alles? Gar nicht. Erledigen Sie das Wichtige, Dringende und Unangenehme zuerst. Oft reicht das schon. Lernen Sie Nein sagen.

  • Soll ich Ratgeberbücher lesen? Wenn Sie Lust haben. Seien Sie aber nicht gläubig, sondern picken Sie sich das heraus, was zu Ihnen passt.

  • Soll ich ein Seminar oder Training besuchen? Gute Idee. Es wird Ihnen gut tun, zu sehen, dass Sie nicht der Einzige sind, dem Dinge über den Kopf wachsen.

Geht es Freiberuflern besser?

Angelika-Wagner-Link, Psychologin. "Wir sind eine planlose Gesellschaft geworden:"
Angelika-Wagner-Link, Psychologin. "Wir sind eine planlose Gesellschaft geworden:"
Foto: Angelika Wagner-Link

Manche Freiberufler zeichnen sich durch eine höhere "Selbstwirksamkeit" aus als Festangestellte, sagt Angelika Wagner-Link, Trainerin, Psychotherapeutin, Supervisorin und Buchautorin in München. Die Kehrseite sei aber häufig ein fürchterlicher Zeitdruck - unnötigerweise: Die meisten Kunden würden es durchaus akzeptieren, wenn man auf ihren Terminwunsch mit einem realistischen Gegenvorschlag antworte.

So hält es Thomas Maier (Name geändert). Der Dortmunder Softwareentwickler muss, wie es in seinem Metier üblich ist, damit zurechtkommen, dass Auftraggeber ihm während der laufenden Arbeit Änderungswünsche unterbreiten. Wichtig sei dann "die Ehrlichkeit dem Kunden gegenüber". Man solle ihm ruhig einmal sagen: "Ich weiß nicht, wie sich diese Änderung zeitlich auswirken wird." Weil für einen Freiberufler "selten ein Entwicklungsauftrag wie der andere ist", falle die Planung entweder zu knapp oder zu großzügig aus. Die akademischen Programmieransätze seien für Freelancer nicht realistisch: "Kein Kunde bezahlt mir die exakte Ausarbeitung von Diagrammen, Analysen, Prototyping und so weiter."

Als Freiberufler kann der Informatiker sich seine Arbeit so einteilen, dass seine tageszeitlichen Stärken zur Geltung gelangen: Morgens sowie zwischen 21 und 23 Uhr kann er gut entwickeln, nachmittags ist er kommunikativ. An einer Festanstellung hat er kein Interesse: "Dafür liebe ich meine Arbeit zu sehr." (hk)