Zeichen an der Wand

02.09.1994

Wir haben uns daran gewoehnt, dass Firmen in Konkurs gehen. Der Niedergang von Thinking Machines allerdings ist mehr als das Begraebnis eines Unternehmens, mehr als die Atomisierung einer Firma, ueber die nur noch Juristen verhandeln.

Der Schlussstrich unter die Idee des Firmengruenders Daniel Hillis und seiner Connection Machine ist auch die Flammenschrift an der Wand wohl jeden Herstellers massiv-paralleler Rechner. Hillis wollte einen denkenden Computer entwerfen - der Firmenname war Programm -, menschlichem Geist ein neues Selbstverstaendnis geben. Mittlerweile versteht Hillis selbst die Welt nicht mehr, die er so radikal mit seinem Konzept veraendern wollte.

Er ist gescheitert am Beharrungsvermoegen des Denkens, das vielen Zeitgenossen vorgibt, immer wieder aufs neue das zu tun, was sich in der Vergangenheit bewaehrt zu haben scheint - ohne zu pruefen, ob es nicht bessere Alternativen zur Loesung von Problemstellungen gibt.

Dem nachvollziehbaren Traegheitsgesetz des Geistes duerften weitere MPP-Unternehmen zum Opfer fallen. Mehr oder weniger offen handelt man in der Szene die Supercomputer-Division von Intel und Kendall Square Research als naechste Abrisskandidaten der Branche.

Nicht nur waren Insidern zufolge die ersten 15 bis 20 Installationen der Paragon-Systeme von Intel sehr instabil - Stoerungen, die in einer ohnehin jungen Branchen sofort zu Irritationen fuehren.

Erschwerend kommt hinzu, dass niemand weiss, was die naechste MPP- Rechnergeneration von Intel bringen wird. Ein Architekturwechsel weg von der 860-CPU steht an. Ein Nachfolger ist aber nicht in Sicht, der Pentium-Prozessor nach Insideransicht keine Alternative. Problematisch ist auch, dass Intels Supercomputer- Division sich ausschliesslich auf den technisch-wissenschaftlichen Bereich konzentriert, aus dem allein die erhofften Umsaetze nicht zu erwirtschaften sind. Da koennte die Intel-Mutter, munkelt man, schnell die Geduld verlieren und den Geldhahn zudrehen.

Bei Kendall liegt der Fall anders: Dem Unternehmen - besser, seinem Management - hat man immer noch nicht verziehen, dass es seinerzeit seine Bilanz durch Aktientricks schoenen wollte. Zwar musste Henry Burghardt III gehen - aber seither bleiben auch die Kunden aus.

Generell gilt, dass sich Parallelrechner bei weitem nicht schnell genug als standfeste Groesse im kommerziellen Markt etablieren werden. Der Fall von Thinking Machines zeigt, dass vor allem kommerzielle Anwender noch nicht bereit sind, das Abenteuer MPP- Rechner einzugehen. Schon morgen kann es deshalb den naechsten Hersteller treffen.