Mittlere Mainframes ohne Überlebenschance

Yankee Group: Einsparung durch Downsizing ist real

18.12.1992

WATFORD (CW) - Konservative IT-Manager zweifeln hartnäckig daran, daß eine dezentrale DV-Umgebung preiswerter ist als ihre gewohnte Großrechnerlandschaft. Die Yankee Group liefert jetzt Zahlen: Danach liegen die Kosten einer verteilten DV-Umgebung, betrachtet über einen Zeitraum von fünf Jahren, zwischen 27 und 34 Prozent unter denen, die für eine vergleichbare Mainframe-Installation anfallen (siehe Grafik).

Letztlich entscheide der Aufwand für "Re-Engineering" Maßnahmen darüber, welche Einsparungspotentiale eine DV-Umgebung aus PC-LANS, Unix-Rechnern oder proprietären Midrange-Systemen gegenüber dem Mainframe biete. Die Marktforscher aus dem englischen Watford machen die Angaben über Downsizing-Kosten in ihrer Studie "Downsizing Can You Afford It" vor allem davon abhängig, ob Anwendungen teilweise oder komplett neu geschrieben werden müssen.

Das Re-Engineering - darunter wird sowohl die Systemintegration als auch die Neuentwicklung von Anwendungen und die Konvertierung vorhandener Systeme zusammengefaßt - ist nach Definition der Yankee Group empfehlenswert, aber nicht unbedingt ein Muß. So lassen sich mit entsprechenden Emulationsprodukten von Bull und VI-Systems, deren Software von Hewlett-Packard vemarktet wird sowie von IBM inzwischen 1:1-Übertragungen von IBM-CICS-Anwendungen auf Unix-Plattformen durchführen.

Die Analysten erwähnen ebenfalls Downsizing-Konzepte, die über die Anschaffung einer Mehrplattform-Software für Client-Server-Umgebungen, zum Beispiel R1/3-Software von SAP, eingeführt werden. Auch die Installation einer rechnerunabhägig einsetzbaren SQL Datenbank wie Sybase unterstützt verteilte DV-Konzepte und das Downsizing. Der wohl komplizierteste, aber langfristig lohnendste Weg sei allerdings die komplette Neuentwicklung oder -codierung von Cobol-Anwendungen in einer modernen 4GL oder in der Sprache C.

Den in Mode gekommenen Begriff "Rightsizing" betrachten die Engländer als eine Worthülse, die lediglich verschleiern soll, daß sich Downsizing gegen bestehende DV- und Marktstrukturen richte und gravierende Folgen für die DV-Abteilungen und Anwender in den Unternehmen sowie für Hardware-, Software- und Serviceanbieter habe. Am Beispiel der IBM machen die Analysten deutlich, wie sehr das Downsizing die DV-Welt revolutionieren werde.

Overselling immer mehr im Kreuzfeuer der Kritik

Big Blue habe stets das sogenannte Groschsche Gesetz zitiert, dem zufolge wenige große Rechner unter dem Strich kostengünstiger seien als mehrere kleine. Im Sinne eines Upgrading sei den Anwendern bei Kapazitätsengpässen stets empfohlen worden, das nächstgrößere Modell eines Rechners zu kaufen. Die Argumente, die IBM angeführt habe - leistungsstarke System-Utilities, Verwaltung großer Datenbestände - geraten laut Yankee Group heute immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik.

Zwar hätten sehr große Mainframes nicht zuletzt wegen der anhaltenden RZ-Konsolidierungsmaßnahmen vieler Kunden auch heute noch ihre Daseinsberechtigung, doch neue Konfigurationen mit einem Wert von 400 000 Dollar bis 6,5 Millionen Dollar seien schon bald nicht mehr gefragt. Für die IBM-Großrechnerlandschaft bedeute das, weder die 3090-Rechner der Serien 100 und 200 noch die 308x- oder die 4381Plattformen hätten eine Zukunft. Auch Bull, Amdahl und Unisys müßten bei Mainframes dieser Größenordnung mit rückläufigem Geschäft rechnen.

Die Analysten selbst definieren Downsizing als "Portierung oder Neuentwicklung von Anwendungen auf kleinere Nicht-Mainframe-Plattformen" Neuentwicklungen werden dann einbezogen, wenn sie von ihrer Größe und Funktionalität her ursprünglich eher dem Mainframe zuzuordnen gewesen wären. Solche Neuentwicklungen dürften sich nach Einschätzung der Marktforscher zur gefragtesten Downsizing-Variante entwickeln.