Diversifizierung ohne Profil

Yahoo hat noch kein Rezept

20.07.2001
MÜNCHEN (CW) - Das Internet-Portal Yahoo konnte im vergangenen Fiskalquartal die reduzierten Erwartungen der Analysten leicht übertreffen. Trotzdem bleibt weiter offen, womit der neue CEO Terry Semel die sinkenden Werbeeinnahmen kompensieren will.

Knapp drei Monate ist der ehemalige Warner-Brothers-Manager Semel jetzt bei Yahoo im Amt, und die dunklen Wolken über der Firma sind längst nicht verzogen. Das Web-Portal ist immer noch in hohem Maße abhängig von den Werbeeinnahmen, die seit der Dotcom-Krise jedoch nur noch spärlich fließen. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres lag der Umsatz des Unternehmens folglich auch rund ein Drittel niedriger als im vergleichbaren Vorjahresabschnitt, nämlich bei 182 Millionen statt 273 Millionen Dollar.

Im Rahmen der PrognosenDamit konnte Yahoo immerhin die Erwartungen der Wallstreet übertreffen, denn nach zwei vorherigen Gewinnwarnungen des Unternehmens hatten die Analysten Einnahmen von 175 Millionen Dollar prognostiziert. Auch in puncto Ertrag lag Yahoo im Rahmen der Prognosen: Der Pro-forma-Gewinn betrug 8,7 Millionen Dollar oder einen Cent je Aktie, während die Analysten ein ausgeglichenes Ergebnis erwartet hatten. Der Nettoverlust im zweiten Quartal einschließlich Restrukturierungskosten - das Web-Portal musste im Lauf des Jahres zwölf Prozent der Stellen abbauen - betrug 48,5 Millionen Dollar (minus neun Cent je Aktie), im Vorjahreszeitraum hatte unter dem Strich noch ein Nettoprofit von 53 Millionen Dollar gestanden.

Um an bessere Zeiten anzuknüpfen, will das Unternehmen künftig verstärkt "Premium Services" anbieten. Allerdings gab CEO Semel keine Auskunft, was genau darunter zu verstehen sei. Durch die Dienste solle aber gewährleistet werden, dass Kunden verstärkt für Inhalte zahlen und der Werbeanteil am Gesamtumsatz sinkt. Gegenwärtig stammen rund 80 Prozent der Yahoo-Einnahmen aus dem Banner-Geschäft. Eine Erholung der rückläufigen Werbeeinnahmen sei frühestens für das Jahr 2002 zu erwarten. Auf einen radikalen Konzernumbau will der neue CEO verzichten, statt einer Revolution werde es bei Yahoo eher eine Evolution geben.

Dabei kann sich das Unternehmen zumindest auf die Schar der Nutzer verlassen, die stetig anwächst. So entwickelte sich die Zahl der "unique user" von 156 Millionen im vergangenen Jahr auf über 200 Millionen. Pro Tag werden 1,2 Milliarden Seitenabrufe registriert, und mehr als 70 Millionen registrierte Nutzer haben sich allein im Juni eingewählt. Allerdings wird es nicht nur für Yahoo schwer, diesen Anwendern künftig Geld für "Premium"-Angebote abzuknöpfen, die an anderen Stellen im Internet noch auf unabsehbare Zeit umsonst zu haben sind.

Mit konkreten Aussagen zum Verlauf des dritten Quartals hielt sich Semel zurück. So soll das Ergebnis im weiten Rahmen zwischen minus fünf Millionen und plus zehn Millionen Dollar liegen. Die Einnahmen betragen voraussichtlich unter 180 Millionen Dollar, der Umsatz für das Gesamtjahr 2001 belaufe sich auf 700 bis 775 Millionen Dollar. Für Investitionen verfügt Yahoo eigenen Angaben zufolge über liquide Mittel von rund 1,75 Milliarden Dollar. Man werde in der nächsten Zeit "aggressiv" nach neuen Partnerschaften und Übernahmekandidaten Ausschau halten, so Semel.