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Web-Experte Cap sieht Google im Internet-Geschäft weiterhin im Vorteil

"Yahoo betreibt wie Microsoft zu unklares Branding"

11.02.2008
Von pte pte
Die Gelüste des Softwareriesen Microsoft nach dem Portalanbieter Yahoo haben in der vergangenen Woche die Wogen hochgehen lassen. Yahoo hat mittlerweile angekündigt, sich gegen eine Übernahme wehren zu wollen. Google hat bereits vergangenes Wochenende begonnen, Attacken gegen Microsoft zu reiten und vor negativen Konsequenzen einer Übernahme gewarnt. Der Web-Experte Clemens Cap von der Universität Rostock analysiert im pressetext-Interview die unterschiedlichen Unternehmenskulturen der drei IT-Giganten und deren Geschäftsstrategien im Web.

pressetext: Google sieht angesichts der beabsichtigten Yahoo-Übernahme durch Microsoft die Offenheit und Innovationsfähigkeit des Webs in Gefahr. Ist es bei derart großen Unternehmen überhaupt möglich, innovativ zu sein?
Cap: Die Warnung von Google ist durchaus ernst zu nehmen. Die Unternehmenskultur von Microsoft weist ein exzellentes Verständnis von Marktmechanismen auf, technische Aspekte oder Innovation stehen bei Microsoft nicht im Vordergrund. Microsoft hat verstanden, wie wichtig es ist, mit einem Produkt einfach und schnell beim Kunden präsent zu sein. Daher - und nicht aus technischen Gründen - hat Microsoft den Internet Explorer und andere Produkte so eng mit dem Betriebssystem verwoben, dass sogar eine Entfernung aus dem System zu Problemen führen kann und die Installation von Konkurrenzprodukten behindert wird. Ebenso hat Microsoft die Bedeutung der Benutzerschnittstelle und der Datenformate verstanden. Kleine, aber strategisch gut positionierte Veränderungen motivieren den Benutzer zum Kauf bald schon im Jahresrhythmus herausgegebener neuer Versionen. Hier geht es ebenfalls weder um besondere technische Neuerungen noch um dramatische Innovationen.

pressetext: Google ist mittlerweile zum Riese im Web erwachsen. Tut sich das Unternehmen denn aufgrund seiner relativen Jugend mit Offenheit und Innovation leichter?
Cap: Die Kulturen von Google und auch von Yahoo sind traditionell mehr der Offenheit und Innovation verpflichtet. Die Zukunft wird zeigen, ob ein neues "Microhoo" nun stärker von der einen oder der anderen Tradition beeinflusst wird. Generell aber stammen die meisten hochinnovativen Entwicklungen der letzten zwei, drei Jahre von sehr kleinen Firmen, die anschließend von einem Großen aufgekauft wurden - man denke hier an Flickr, Skype oder YouTube. Vor diesem Hintergrund ist der Kauf eines großen Unternehmens durch Microsoft auch eher als wenig innovationsfördernd anzusehen.

pressetext: Kann eine mögliche Microsoft-Yahoo-Verschmelzung den Suchriesen Google fordern und durch die neue Konkurrenzsituation Innovation hervorrufen?
Cap: Ein Konkurrent für Google wird natürlich bewirken, dass es sich über die eigene Position mehr Gedanken machen muss. Ich sehe aber angesichts des bisherigen Agierens von Microsoft die Übernahme von Yahoo nicht als Gefahr für Google. In der Firmenkultur und mit der Denkweise seiner Mitarbeiter ist Microsoft so weit von Yahoo entfernt, dass der Merger enorme Reibungsverluste mit sich bringen wird. Ebenso ist Microsoft gedanklich so weit von Google entfernt, dass ich eine Gefahr für Google aus dieser Ecke nicht sehe. Offenheit und Innovation wird eher aus kleinen Unternehmen kommen. Die Strategie der Großen, für solche Innovationen offen zu sein und diese aus kleinen Firmen einzukaufen, halte ich für besser. Eine derartige Strategie erfordert gleichzeitig aber auch ein intelligentes Reagieren auf die neuen Impulse - und je größer eine Firma ist, um so schwerer wird ihr das fallen. Das gilt für Google und für Microsoft.

pressetext: Yahoo war einst selbst der Suchriese, der sich mit aufstrebenden Firmen konfrontiert sah. Welche Fehler führten zum Fall von Yahoo?
(siehe: Vom Pionier zum Kaufobjekt: Yahoos größte Fehler)
Cap: Yahoo betreibt, wie Microsoft im Internet auch, ein zu unklares Branding. Yahoo ist alles gleichzeitig, Portal, E-Mail-Dienst, Messaging, Suchmaschine, Wetter- und Börsenticker. Ähnlich positioniert ist MSN. Google hingegen steht für Suche. Punktum. Natürlich ist Google heute schon viel mehr geworden als Suche - das Branding gruppiert sich aber sehr zentral um Suche. Damit kann Google also jeden als Kunde gewinnen, der sucht. Yahoo gewinnt aber nur jene Leute als stabile Kunden, die sich genau diesen Gemischtwarenladen wünschen. Das sind jedoch weniger Leute als die Suchkundschaft. Microsoft ist mit seinem Betriebssystem besser aufgestellt und gewinnt jeden, der einen PC kauft und nicht selber ein Betriebssystem installieren will als Kunde. Das ist ebenso eine starke Position, aber einer ganz anderen Art. Hier geht es um Kundenbequemlichkeit und nicht um attraktives Branding.

pressetext: Kann Google das gleiche Schicksal drohen, wie es Yahoo ereilte?
Cap: Google agiert bei Unternehmenskäufen anders als Microsoft und im Branding anders als Yahoo. Die echte Gefahr für Google besteht eher darin, die Suchhoheit wieder an die Desktop-basierte geschlossene Kultur von Microsoft zu verlieren. Wenn Microsoft sein Betriebssystem weiterhin mit proprietären Schnittstellen zu Diensten ausstattet und durch Yahoo nun über mehr solche Dienste verfügt, dann kann Microsoft seine starke Position der Kundenbequemlichkeit wieder besser ausnützen. Unter diesem Aspekt würde der Merger wieder Sinn ergeben, als Stärkung der ohnehin schon guten Markt-Position von Microsoft. Mit Innovation hat das jedoch nichts zu tun. Das ist aber auch die Chance für Google: Denn wenn die Gegensätze der Kulturen wieder klarer heraustreten fällt es Google leichter, der Gegenpol zu Microsoft bleiben. Das ist die Strategie, mit der sich Google von Anfang an positioniert hat. (pte)