XA-Turbulenzen

11.06.1982

Vertreter des amerikanischen PCM-Business treffen sich in San Francisso, erste Fujitsu-Frucht von ICL, Siemens führt unter BS2000 den 370-Befehlssatz ein: IBM-Adaptionen haben sogar in der Ferienzeit Hochkonjunktur - nur bekommt es den Aktivitäten der "plug compatible" Mainframer nicht, wenn sie allzuviel Publizität erlangen. Es ist nun einmal so, daß Alternativen, die Big-Blue-Standards nachahmen, am besten im Verborgenen gedeihen. Schlafende Hunde soll man bekanntlich nicht wecken .

Erklärtes Ziel der IBM-Wettbewerber ist es ja, auf ihren Maschinen "Umgebungen" nachzustellen, die den auf IBM-Systemen entwickelten Anwendungen vertraut erscheinen. Von Kompatibilität ist hier die Rede: Es muß sichergestellt sein, daß die Benutzer "alte" (IBM-)Software ohne Modifikationen einsetzen können, egal, für welche PCM-Anlagen sie sich entscheiden. Das setzt voraus, daß den PCM-Anbietern die Spezifikationen für neue IBM-Produkte bekannt sind, wenn möglich, bevor der Marktführer die ersten Systeme ausliefert.

Und das ist das Problem: Wenn der DV-Riese Produktspezifikationen vor der Erstauslieferung als "top secret" behandelt, um die PCMs gegenüber den Nicht-IBM-Anbietern nicht zu bevorteilen, so ist das legitim. Die Steckerkompatiblen sind also darauf angewiesen, daß es unterirdische Kanäle zu den IBM-Labors gibt, die nicht allzuscharf bewacht werden.

Solche Kanäle existieren. Und sie werden benutzt. Nur: Der Steckerkompatible profitiert und schweigt. Auch das ist legitim.

Denn andererseits kann IBM für den Schaden nicht geradestehen, wenn ein Naseweis beim kleinen Grenzverkehr ertappt wird.

Dramatische Zwischenfälle hat es bisher allerdings noch nicht gegeben, wenn man einmal davon absieht, daß mit Itel ein renommierter US-Anbieter den PCM-Kurs vorzeitig verlassen mußte. Die auch im Leasinggeschäft mit IBM-Anlagen tätige Itel Corp. hatte für ihren IBM-Ablöseturn einen Zeitpunkt erwischt, an dem ein unangenehmer Gegenwind blies: Der Marktführer schickte die 4300 ins Rennen und machte damit auf einen Schlag die Hoffnungen der Itel-Manager auf ein profitables Wiederverkaufsgeschäft mit der 370 zunichte. Insbesondere kleine und mittlere 370-Maschinen waren auf einmal nur noch die Verpackung wert, in der sie abtransportiert werden sollten.

Das ist festzuhalten: Itel scheiterte nicht an Kompatibilitätsproblemen. Die 4300 brachte keinen dramatischen Wechsel, was die Systemarchitektur betrifft. Sie paßte in das 370-Konzept - die Software-"Werte" der IBM-Kunden blieben erhalten.

Und das ist das aktuelle Problem der PCM-Anbieter: Mit XA (System /370 Erweiterte Architektur) hat IBM einen Schnitt gemacht. Noch wissen Marktanalysten nicht, wo XA einzuordnen ist. Nicht wenige sehen bei der 308X den 370-Kern durchschimmern. Doch andere Auslegungen sind möglich. Tatsache ist, daß viele PCM-Anwender verunsichert sind. Welche Auswirkungen wird XA haben? Werden die PCM-Anlagen kompatibel sein? In diesen Punkten verlangen die Benutzer Auskunft, die der PCM-Hersteller nicht geben kann. Das erschwert das Ablösegeschäft.

Von diesen XA-Turbulenzen ist auch Siemens betroffen. Die Münchner schicken sich an, ihren BS2000-Teilstaat an den IBM-Kontinent anzubinden. Im BS2000 soll die 370-Befehlsliste verwendet werden. Eine Anpassung ist erforderlich. Bis Ende 1985 will man fertig sein. Doch wie oft haben die Münchner ihre Fans schon enttäuscht.