CW Spezial Top 100 - Servermarkt

x86-Server bedrohen Legacy-Systeme

30.09.2011
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

x86-basierte Server wachsem am schnellsten

Butler: Das stimmt natürlich in so mancher Hinsicht. Blades stellen eine interessante Architektur dar. Allerdings handelt es sich hierbei auch um eine proprietäre Architektur. Unternehmen finden sich mit Blades in einer Lock-in-Situation bei einem Anbieter wieder. Mit der Hinzufügung von Storage, Networking und sogar Software-Stack-Elementen erhöht sich diese Abhängigkeit sogar noch.

Auf der Architektur- und Betriebssystembasis haben wir ironischerweise also folgende Situation: Die Plattformen, die am schnellsten wachsen, sind x86-basierte Server, die unter Windows oder der Linux-Variante eines der Top-Hersteller laufen. Da scheint es sich in den Augen der meisten Anwender um eine offene Architektur zu handeln. De facto aber haben die Hersteller gelernt, Open-Architecture-Lösungen zu kreieren, die genauso proprietär sind wie herkömmliche Sparc-, Power- oder sogar Mainframe-Plattformen.

COMPUTERWOCHE: Mit anderen Worten: Wir haben es hier mit einer neuen Definition des Begriffs „Offen“ zu tun.

Butler: In puncto Software-Stack-Level sind diese Angebote immer noch offen. Im Großen und Ganzen laufen die gleichen Applikationen in solch einer Umgebung, wie man sie auch in einer standardisierten x86-Umgebung nutzen würde. Aber de facto begibt man sich als Anwender in eine Lock-in-Situation mit dem jeweils gewählten Hersteller.

Es ist auch nichts Falsches daran, sich in solch einer Lock-in-Situation zu befinden. Aber es grenzt eben die Auswahlmöglichkeiten und die Flexibilität doch stark ein. Anwender sollten sich in solch eine Situation deshalb nur begeben, wenn sie dafür einen echten Gegenwert erhalten. Wer sich hingegen ohne guten Grund abhängig macht, der handelt bedenklich.

COMPUTERWOCHE: In Zeiten von Cloud Computing könnte es einem Unternehmen doch egal sein, welche Plattform der Cloud-Provider nutzt, Hauptsache, die Anwendungen laufen, oder?

Butler: In der Theorie mag das richtig sein. In der Praxis aber ist das nicht egal. Denn nach wie vor wird die Software, die wir nutzen, für eine bestimmte Hardwarearchitektur geschrieben. Und hier ist die x86-Plattform und dort sind Windows und Linux die Plattformen, die am meisten Wachstum verzeichnen. Sie sind die bevorzugten Plattformen von Anwendern.

Natürlich kann ein Unternehmen, das alle möglichen Plattformen in seiner Firma nutzt – also x86- genauso wie Legacy-Systeme –, auf allen möglichen Betriebssystemen die Dienste eines Cloud-Service-Providers nutzen. Die Frage ist, welche Plattform man bevorzugt, wenn man praktisch auf der grünen Wiese Cloud-Services und Cloud-Applikationen entwirft. In den meisten Fällen wird solch ein Provider x86 als Hardwarebasis sowie Windows und Linux als Betriebssystemplattform wählen. In der privaten Cloud wird man natürlich die Legacy-Systeme einbeziehen.

COMPUTERWOCHE: Wenn man sich den Servermarkt ansieht, ist es dann so, dass das meiste Geschäft mit x86-Systemen gemacht wird?

Butler: Fast das gesamte Neugeschäft entfällt auf die x86-Plattform. Dieser Trend hat sich über die Jahre fortgesetzt. 2010 stand die x86-Plattform für 56 Prozent der gesamten Ausgaben für Server. Für den kompletten Rest der Serverszene blieben da also 44 Prozent übrig, also für die Sparc-, Power-, Itanium- und Mainframe-Plattformen zusammengenommen. Wenn wir uns kommendes Jahr unterhalten, werden es wahrscheinlich nur noch 42 Prozent sein. Langsam, aber sicher wird also die x86-Plattform die wichtigste des gesamten Servermarkts.

Das heißt nicht, dass die x86-Plattform für alle Workloads heutzutage am besten geeignet ist. Einerseits sind die besten Unix-Ausprägungen immer noch den besten Windows-Varianten überlegen, wenn es etwa um die vertikale Skalierbarkeit geht oder um die Verwaltbarkeit der Systeme oder auch die Verfügbarkeit. Andererseits bedeutet das aber nicht, dass die x86-Plattform mängelbehaftet ist. Es heißt einfach: Für die überwiegende Zahl von Anwendungen reicht die x86-Basis auch in Bezug auf die Skalier- und Verwaltbarkeit völlig aus. Und mit jeder neuen Generation von x86-Systemen wird das besser werden.Für eine laufend geringer werdende Zahl von Anwendern und Applikationen sind die Unix- und Mainframe-Plattformen sicher noch nötig. Aber Jahr für Jahr wird das Delta des Leistungsvermögens zwischen den Plattformen immer kleiner.

Damit wird es für Unix- und Mainframe-Systeme, also Legacy-Plattformen im Allgemeinen, zunehmend schwerer, neues Geschäft zu generieren. Natürlich werden die Anwender, die an ihre Legacy-Anwendungen und -Plattformen gewöhnt sind, noch jahrelang weiter mit diesen leben. Das ist, wie die Amerikaner sagen würden, ein Markt mit einem „very long tail“.