Interview mit Gehard Picot

Wurde die HP-Compaq-Fusion aus dem Bauch heraus entschieden?

05.04.2002
MÜNCHEN (jm) - Die Fusion von Hewlett-Packard (HP) und Compaq ist umstritten wie kaum eine andere. Gerhard Picot, Experte für Merger und Aufkäufe von Unternehmen, sagt im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE, worauf es ankommt, wenn zwei Konzerne sich mit Erfolg vereinen wollen.

CW: Ist das Ziel, mit einer Fusion einen bestimmten Kapitalmarktwert zu erreichen, ein ausreichend plausibles Argument für einen Firmenzusammenschluss?

Picot: Größe allein kann kein Argument für eine Fusion sein. Vielmehr ist die Frage relevant, wie sinnvoll es für eine Firma ist, ihr Geschäftsmodell auf eine breitere Basis zu stellen. Man kann nämlich den Trend feststellen, dass Firmen gerade in Zeiten konjunktureller Unsicherheiten versuchen, zu diversifizieren und sich nicht nur auf ihr Hauptgeschäft zu konzentrieren.

CW: Wer sollte dann fusionieren?

Picot: Es gibt von Goldman Sachs eine Untersuchung, die zeigt, dass nicht unbedingt große, wohl aber börsenstarke, also kapitalmarktstarke Unternehmen überdurchschnittlich wachsen.

CW: Rund 60 bis 70 Prozent aller Merger scheitern, beziehungsweise sie erreichen nicht die Ziele, die ursprünglich angepeilt waren. Was wird da falsch gemacht?

Picot: Man steigt zu schnell in Fusionsprozesse ein, ohne dabei die vorbereitenden Maßnahmen auszuloten und zu planen. Auch in der Integrationsphase werden viele Fehler gemacht, etwa bei der Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten und auch bezüglich der Öffentlichkeitsarbeit.

CW: Wenn Fusionen scheitern, kreidet man das oft unterschiedlichen Unternehmenskulturen an. Wie wichtig ist dieser Faktor? Entscheidet er wesentlich über den Erfolg einer Fusion?

Picot: Der Faktor Unternehmenskultur ist schon ein Wert, den es zu beachten gilt, denn letztlich geht es hierbei um die Identität eines Unternehmens. Lege ich zwei Firmen zusammen, habe ich auch zwei Identitäten. Da sind Mitarbeiter unterschiedlicher Konzerne involviert, die für ihr Unternehmen einen Firmenstolz entwickelt haben und Eigenheiten, die ja auch für den Unternehmenserfolg wichtig waren. Diesen Stolz und diese Identifikation muss man berücksichtigen. Und man sollte tunlichst vermeiden, den Mitarbeitern diese Identität bei einer Fusion mit der Brechstange zu nehmen, um ihnen eine neue, einheitliche Identität überzustülpen. Das kann nicht funktionieren. Da leidet die Firmenkultur ganz elementar.

CW: Wenn man sich in der IT-Branche umsieht, dann fällt auf, dass viele große Unternehmen häufig mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Hingegen sind es oft mittelständische Betriebe, die auch in schwierigen Zeiten florieren. Ist das nicht ein Argument gegen Monsterfusionen?

Picot: Einerseits ist das richtig. Die Goliaths und Walfische dieser Welt sind oft unbeweglicher als die Goldfische. Die kleinen Unternehmen können sehr schnell auf Marktbewegungen reagieren. Deshalb müssen sich Fusionswillige den Markt auch sehr genau ansehen. Die so genannte Due Diligence, die sorgfältige Prüfung der Marktgegebenheiten, mit der ein fusioniertes Unternehmen konfrontiert sein wird, findet oft nicht statt. Häufig steigen Unternehmen zu hektisch in eine Fusion ein.

CW: Wenn zwei Firmen miteinander verschmelzen wollen, die weitgehend übereinstimmende Produktpaletten haben, sind große Produktbereinigungen und Personalentlassungen abzusehen. Kann man da von glücklichen Voraussetzungen für einen Firmenzusammenschluss sprechen?

Picot: Diese Art von Bereinigungen sind in einem ersten Schritt möglicherweise tatsächlich gefährlich. Ein fusioniertes Unternehmen hat aber vielleicht die Chance, zu neuen Ufern aufzubrechen und eine ganz neue Qualität von Angeboten zu entwickeln, den neuen Phänotyp eines Produkts zu entwerfen, das dann das Zeug zu einem neuen Weltprodukt hat. Im Rahmen der Globalisierung müssen Firmen solche Neuheiten kreieren. Die Zeiten, da man Produkte nur für den europäischen oder den amerikanischen Markt entwickelt hat, sind vorbei.

CW: Die Hoffnung auf einen neuen Produktphänotyp hört sich vage genug an, um als Aktionär einer Firma zu sagen, auf diese nebulösen Zukunftsaussichten lasse ich mich nicht ein.

Picot: Schon. Aber wenn ich ein fähiger Unternehmer bin, muss ich, wenn ich es auch nicht beweisen kann, ein gutes Bauchgefühl für die Zukunft haben.

Gerhard Picot ist Partner der Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer, Köln, zugleich Inhaber der wirtschaftsrechtlichen Professur am Institute for Mergers & Acquisitions der Privaten Universität Witten/Herdecke.