"Wunderschöne Zukunftsmusik"

04.07.1975

Mit Dr. Horst Kiemle, Seminar-Leiter der Sitzung "Laser in der Datentechnik" auf der Laser 75, sprach CW-Redakteur Michael Pauly

- Inwieweit muß man sich heute schon auf den Einsatz der Optoelektronik oder der Lasertechnik in der Datenverarbeitung einstellen?

Im Bereich der allgemeinen Datenverarbeitung, zum Beispiel im Rechenzentrumsbetrieb, wird Lasertechnik und Optoelektronik wahrscheinlich noch für gewisse Zeit Zukunftsmusik bleiben. Zwei bemerkenswerte Ausnahmen gibt es: Die ersten nicht mechanischen Drucker kommen jetzt zur praktischen Anwendung. Seit geraumer Zeit existiert ein optischer Speicher für sehr große Informationsmengen, der allerdings bis jetzt nur nicht veränderbare Festinformationen aufnehmen kann und sich somit vor allem für Archivzwecke eignet.

- Ist in nächster Zeit bei den Displays mit Fortschritten zu rechnen?

Die Technik der Anzeigen ist bereits jetzt mitten im Umbruch. Trotzdem wird vermutlich der berühmte flache Bildschirm auf Basis der Glimmentladung oder der Flüssigkristalle noch einige Zeit auf sich warten lassen.

- Es heißt immer wieder, eine der großen Anwendungsmöglichkeiten von Lasern und Optoelektronik sei die Nachrichtentechnik?

Die Entwicklung der optischen Nachrichtentechnik begann mit der Übertragung von Nachrichten über gebündelte Laserstrahlen in der Atmosphäre, - also eine Art optischer Richtfunk. Diese Technik hat nicht die Anwendungsbreite gefunden, die man sich vor etwa zehn Jahren einmal erhofft hat. In der Zwischenzeit hat man aber gelernt, Laserlicht über hauchdünne Glasfasern - Adern - zu übertragen.

- Mit Laserlicht als Träger der Nachricht können pro Ader bekanntlich wesentlich mehr Telefongespräche übertragen werden als in der herkömmlichen Technik. Gibt es weitere Vorteile?

Wir dürfen nicht vergessen daß Gläser als Rohstoff zur Kabelherstellung im Zeichen der steigenden Verteuerung von NE-Metallen vom wirtschaftlichen Standpunkt interessant werden. Die Grundmaterialien zur Herstellung optischer Übertragungsfasern - Silicium, Germanium, Sauerstoff und einige andere Stoffe - sind in nahezu unbegrenzter Menge auf der Erde vorhanden.

- Es gibt in den Laboratorien eine ganze Menge Beispiele für nachrichtentechnische Verfahren, die solche Glasfasern verwenden. Andererseits erscheint ein großes Glasfasernetz für die Kommunikation doch noch in sehr weiter Ferne zu sein.

Die Entwicklung des Bedarfs zwingt heute noch nicht zur Einführung solcher neuer optischer Breitbandkommunikationssysteme in großem Maßstab. Man kann aber heute davon ausgehen, daß solche Systeme im Verlauf des nächsten Jahrzehnts - etwa ab 1985 - eingeführt werden.

- Bringen die Glasfasern auch neue Möglichkeiten für die Datenübertragung?

Glasfasern als Übertragungsmedium haben zweifellos interessante Aspekte für die Datenübertragung zwischen Zentraleinheit und Peripheriegeräten. Ein besonderer Vorteil ist ihre völlige Immunität gegen Störungen von außen, zum Beispiel verursacht durch elektrische Schaltvorgänge. Ein zweiter Aspekt ist die völlige elektrische Trennung von Sender und Empfänger. Übertragungsleitungen zwischen Peripherie und Zentraleinheiten müssen ja zum Teil erhebliche Entfernungen überbrücken und sind daher vielfältigen Störeinflüssen ausgesetzt, was bisher zur Benutzung besonders störsicherer Schalttechniken für die Übertragung zwingt.

- Glauben Sie, daß derartige Verbindungen schneller realisiert werden können als neue Übertragungsverfahren für weite Strecken?

Ja, es ist aber heute noch nicht klar, wann die Komponenten zu der erforderlichen Zuverlässigkeit entwickelt werden können. Außerdem darf man die wirtschaftlichen Gesichtspunkte nicht übersehen.

- Gelegentlich wird von optischer Datenverarbeitung als einer neuen Möglichkeit gesprochen. Ist überhaupt damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit ein Computer beispielsweise mit Licht arbeitet?

Die Fachwelt der Datentechnik erinnert sich beim Stichwort optischer Computer sofort eines in den USA bekannt und berüchtigt gewordenen Falles von technischer Hochstapelei. Ich selbst sehe keine echt optischen Computer am Horizont auftauchen.

- Gibt es ernst zu nehmende interessante Entwicklungen ?

Vielleicht das berühmteste und gleichzeitig auch älteste und reifste Anwendungsbeispiel ist die Erzeugung und Verarbeitung von Bildern militärischer Radaraufnahmen. Davon nahm sogar die moderne Holografie in den sechziger Jahren ihren Anfang. In der Zwischenzeit sind viele bildverarbeitende Verfahren auf Basis der Holografie für Spezialanwendungen entwickelt worden.

- Große Hoffnungen hat man doch auf neue Verfahren zur Schrifterkennung gesetzt?

Sie haben sich bis jetzt aus zwei Gründen nicht erfüllt: Jedes lasertechnische Bildverarbeitungsverfahren braucht eine Umsetzung der Schriftzeichen auf Papier in eine diapositivähnliche Form. Es gibt hierfür heute noch keine befriedigenden in Echtzeit mit hoher Geschwindigkeit arbeitenden Geräte. Optische Verarbeitungsverfahren sind außerdem recht starr, das heißt die Anpassung an verschiedene Schriftarten und Formen ist gering. Den richtigen Kompromiß zu finden ist bis heute noch nicht voll geglückt.

- Wie sieht die nächste Computer-Generation aus?

Die neuen Anlagen für die 80er Jahre werden sich nicht durch Opto-Elektronik auszeichnen. Bei ihnen wird eine wesentlich größere Speicherkapazität durch die Fortschritte in der Halbleitertechnik erreicht. Außerdem wird die Software, insbesondere bei Betriebssystemen, besser.