Nach dem Rücktritt von Firmenchef Bernard Ebbers

Worldcom steht mit dem Rücken zur Wand

10.05.2002
MÜNCHEN (CW) - Mit dem Rücktritt von Gründer und CEO Bernard Ebbers hat die Krise bei Worldcom einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Der US-Carrier steht finanziell am Abgrund, Branchenkenner schließen sogar eine Insolvenz nicht mehr aus.

Formal betrachtet war es "nur" eine Personalie. Doch der vergangene Woche vom Worldcom-Verwaltungsrat erzwungene Abgang von Worldcom-Chef Ebbers bedeutet eine Zäsur - nicht nur für den US-amerikanischen, sondern den weltweiten TK-Markt. Denn wie keinem anderen Manager war es dem gebürtigen Kanadier in den vergangenen 19 Jahren gelungen, die internationale TK-Szene in Atem zu halten. 1984 hatte Ebbers im Zuge der Aufspaltung des damaligen Monopolisten AT&T zusammen mit drei Freunden in Texas die Gesellschaft LCCD mit dem Geschäftszweck gegründet, von AT&T Telefonleitungen zu mieten und Ferngespräche innerhalb der Vereinigten Staaten günstig zu vermarkten. Kurze Zeit später folgten die Umfirmierung in Worldcom und ein Siegeszug ohnegleichen. Nach mehr als 70 Akquisitionen war im Jahr 2001 ein Konzern mit gut 90 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 35 Milliarden Dollar entstanden.

Spätestens Mitte 2000 begannen jedoch die Schwierigkeiten der inzwischen zur zweitgrößten US-Telefongesellschaft nach AT&T aufgestiegenen Company, als die Kartellbehörden in Washington D.C. und Brüssel den geplanten Zusammenschluss mit der Nummer drei im US-Markt, Sprint Corp., untersagten. Gleichzeitig wurde Worldcom in besonderem Maße vom konjunkturellen Abschwung der Telco-Branche getroffen, der sich in einem generellen Preisverfall, Überkapazitäten bei schnellen Datenverbindungen und vor allem in einer spürbaren Zurückhaltung großer Firmenkunden gegenüber Netzdiensten bemerkbar machte.

Mehrmals musste Worldcom in den vergangenen Monaten seine Umsatz- und Gewinnprognosen für das laufende Jahr nach unten revidieren. Nach der jüngsten, vor drei Wochen abgegebenen Prognose rechnet man nur noch mit Einnahmen zwischen 21 und 21,5 Milliarden Dollar. Gleichzeitig drückt das Unternehmen eine Schuldenlast von knapp 30 Milliarden Dollar. Allein in den kommenden 18 Monaten werden Anleihen von 3,1 Milliarden Dollar fällig. Auslöser für die Entscheidung des Worldcom-Verwaltungsrates, Ebbers von seinem Amt zu entbinden, dürften jedoch andere Vorkommnisse gewesen sein, die inzwischen von der US-Börsenaufsicht SEC untersucht werden: Der exzentrische Kanadier hat auch privat über seine Verhältnisse gelebt und steht bei seiner Company mit 366 Millionen Dollar in der Kreide. Ebbers zahlte damit eigene Bankschulden zurück, die in Folge des Kursverfalls der Worldcom-Aktie fällig wurden, nachdem er zuvor die Kredite mit seinem eigenen Aktienpaket abgesichert hatte.

Der Kursverfall der Worldcom-Aktie ist ohnehin symptomatisch für die gesamte Situation des Unternehmens: Im Juni 2000 hatte Worldcom einen Börsenwert von 190 Milliarden Dollar, aktuell beträgt die Marktkapitalisierung knapp sieben Milliarden Dollar. Der zum Nachfolger von Ebbers ernannte John Sidgmore, der bisher als Chief Operating Officer (COO) vor allem für die Internet-Sparte des Konzerns verantwortlich zeichnete, steht Marktbeobachtern zufolge vor aufwändigen Sanierungsarbeiten. So müssen Verhandlungen mit Banken über die Verlängerung von Kreditlinien geführt werden, die angesichts derzeit alles andere als rosiger Marktperspektiven nicht einfach sein dürften.

Schon seit Wochen kursieren unter Analysten an der Wallstreet Spekulationen über eine nicht mehr abzuwendende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens. Feststehen dürfte aber zumindest, dass der neue Worldcom-Frontmann einige Unternehmensteile verkaufen und Investitionen weiter drastisch zurückfahren muss. Letzteres dürfte auch für die beiden Hauptlieferanten von Worldcom, Cisco Systems und JDS Uniphase, keine sehr erbauliche Perspektive sein. (gh)