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Worldcom-Manager wollen von nichts gewusst haben

09.07.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Niemand will die Verantwortung für den Bilanzskandal bei Worldcom übernehmen. Der von der Pleite bedrohte US-amerikanische Telekommunikationsanbieter hatte in den Büchern der letzen fünf Quartale Ausgaben in Höhe von 3,85 Milliarden Dollar als Investitionen verbucht und damit seine Ergebnisse geschönt.

Vor einem Ausschuss des US-amerikanischen Kongresses begann am gestern die Anhörung zu dem Ende Juni aufgedeckten Bilanzschwindel. Den Anfang machte Ex-Worldcom-Chef Bernard Ebbers, der Ende April von John Sidgmore abgelöst worden war. Niemand werde ihm betrügerische oder kriminelle Aktivitäten nachweisen können, versicherte er: "Ich habe nichts zu verbergen." In der Folge verweigerte Ebbers jedoch die Aussage und trug damit wenig zur Aufklärung des Skandals bei.

Auch der ehemalige Chief Financial Officer (CFO) Scott Sullivan machte von seinem Recht Gebrauch, gemäß dem fünften Verfassungszusatz die Aussage zu verweigern. Worldcom hat seinen Finanzchef unmittelbar nach Bekanntwerden der Bilanzmanipulationen entlassen. Sullivan soll versucht haben, die Aufdeckung seiner kreativen Buchführung zu behindern. Insider berichten, er habe Cynthia Cooper, Vice President für Worldcoms interne Bilanzprüfung, dazu gedrängt, ihre Ergebnisse erst im nächsten Quartal zu veröffentlichen. Die Wirtschaftsprüferin sollte urspünglich auch vor dem Kongress befragt werden. Zugunsten einer Aussage im Gerichtsprozess gegen Worldcom, der Ende März 2003 beginnen soll, hat das Gremium jedoch darauf verzichtet.

Worldcom-Chef John Sidgmore bekräftigte in seinem Statement den Willen, die Affäre lückenlos aufzuklären und die Verantwortlichen zu bestrafen. Damit trat er der Kritik von Seiten der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) entgegen, deren Chef Harvey Pitt den Worldcom-Verantwortlichen vorwirft, die wahren Umstände des Bilanzskandals zu verschleiern.

Wer letztendlich für die Vorgänge zur Verantwortung gezogen wird, bleibt ungewiss. Worldcom-Chairman Bert Roberts schiebt die Schuld auf die Wirtschaftsprüfer von Andersen: "Dass sie die Unregelmäßigkeiten nicht aufgedeckt haben, ist unerklärlich." Andersen-Prüfer Melvin Dick weist die Anschuldigungen zurück. Es sei Aufgabe des Firmen-Managements, die finanziellen Sachverhalte richtig darzustellen. Darauf müssten sich die Prüfer verlassen können.

Währenddessen scheint im Schatten des Worldcom-Skandals eine Prozesswelle auf die Gerichte zuzurollen. Nachdem die Börsenaufsicht Worldcom bereits wegen Betrugs angeklagt hat, erwägen mittlerweile auch Aktionäre rechtliche Schritte gegen den Telco-Anbieter. Worldcom wiederum prozessiert gegen seinen Ex-Finanzchef Sullivan, um eine Bonuszahlung in Höhe von zehn Millionen Dollar zurückzuerhalten. Investoren haben unterdessen Jack Grubman, Analyst bei Salomon Smith Barney, angezeigt, der das Worldcom-Papier zwei Tage vor Aufdeckung der Manipulationen heruntergestuft hatte. Der Analyst, dem enge Beziehungen zu Ex-CEO Ebbers nachgesagt werden, will kein Insiderwissen besessen haben. Auf die meisten Fragen des Kongressausschusses antwortete er: "Ich kann mich nicht erinnern." (ba)