Workstations ersetzen Mainframe-basiertes CAD-System Mit Rightsizing Produktivitaet steigern und so die Jobs sichern

17.02.1995

Von Dorothea Wendeln-Muenchow*

HANNOVER - Zulieferer der Automobilbranche bleiben unter Druck. Mehr zu leisten und dabei Geld zu sparen - auch in der DV- Abteilung - war bei der Bremer Werkzeug- und Maschinenbau GmbH (BWM) die Leitlinie, um sich trotz der schlechten Konjunktur behaupten zu koennen. Deshalb entschied sich das IT-Management fuer eine eigene DV auf Workstation-Basis, die unabhaengig vom Mainframe der Muttergesellschaft Hella KG Hueck & Co. in Lippstadt/Westfalen arbeitet.

Bei BWM bestimmen die Konstruktionsabteilungen in starkem Masse die DV-Ausstattung des 780 Mitarbeiter grossen Unternehmens. Immerhin sind 52 der insgesamt 179 IT-Arbeitsplaetze CAD-Stationen. Fuer die Produktion vergleichbar wichtig sind die 40 mit Computerized Numerical Control (CNC) gesteuerten Werkzeugmaschinen sowie deren PC-Arbeitsplaetze.

Die Forderung der Konstruktionsabteilungen nach wirtschaftlicheren CAD/CAM-Systemen habe vor gut zwei Jahren den Anlass dazu gegeben, ueber eine Veraenderung der DV-Landschaft im Unternehmen nachzudenken, erlaeutert Gerhard Bamann, DV/Org.-Leiter der BWM.

Lange Antwortzeiten bei altem Remote-Konstrukt

Damals waren die Arbeitsplaetze in Bremen ueber eine 2-Mbit-Leitung noch direkt mit dem IBM-Grossrechner der Muttergesellschaft in Lippstadt verbunden. Ueber die Remote-Anbindung wurden fuer die 3D- Konstruktionen "Catia" und fuer die Zeichnungserstellung "Cadam" eingesetzt.

Neben hohen Kosten brachte die Anbindung an den Grossrechner auch fuer die an Terminals arbeitenden Konstrukteure in Bremen viele Nachteile mit sich. So gab es Probleme mit unregelmaessigen Antwortzeiten. "Es konnte passieren, dass zum Beispiel am Freitagmorgen ein Mitarbeiter eine Aktion in einer Konstruktionszeichnung ausloeste und eine halbe Minute warten musste, bis er das Ergebnis sah. Das stoert den Gedankenfluss erheblich", meint Bamann. Auch bezueglich der Verfuegbarkeit stiessen die Bremer Mitarbeiter an die Grenzen des Grossrechners. Leitungsunterbrechungen und Abschaltzeiten des Mainframes am Wochenende fuehrten zu Terminverzug. Vor allem aber mehrte sich die Kritik an dem veralteten und unproduktiven Host-Cadam. Allein dies war fuer Bamann Grund genug, sich ueber neue DV-Strategien Gedanken zu machen.

Vor allem galt es, die Engpaesse zu beseitigen. Darueber war sich auch die Geschaeftsfuehrung bei der Muttergesellschaft Hella in Lippstadt klar. Der Vorschlag, die Ueberlastung des Grossrechners durch einen Ausbau des Speichers zu beseitigen, wurde abgelehnt. Die Ergebnisse von Wirtschaftlichkeitsberechnungen sprachen eindeutig zugunsten von Workstation-Systemen. "Das Kunststueck, sich den Spielregeln des Marktes anzupassen, ist bei starren Organisationsformen, die auf eine zentrale DV ausgerichtet sind, besonders schwierig", erlaeutert Bamann. "Die Flexibilitaet, die der Markt fordert, muss sich konsequent in den Organisationsformen des Unternehmens abbilden. Und da bleibt die DV als Werkzeug nicht ausgeschlossen."

Vor allem die zunehmend von ausserhalb des Konzerns kommenden Auftraege machten den Aufbau einer eigenen, flexiblen DV notwendig. Mit ihrer Hilfe

arbeiten die Konstrukteure erheblich wettbewerbsfaehiger und koennen auch in Zeiten mit Auftragsspitzen schnell genug reagieren.

Insgesamt 24 DEC-Rechner 3000, Modell 300 LX, und ein Server DEC 2000, Modell 500, dazu zehn IBM RS/6000 ersetzen heute die alten, an die zentrale DV in Lippstadt angebundenen CAD-Arbeitsplaetze. Die Konzepte fuer die neue DV-Struktur wurden von dem Bremer CAD- Team weitgehend eigenstaendig ausgearbeitet. "Die Umstellung unserer CAD/CAM-Anwendungen auf Workstation-basierende Systeme war sowohl aus technischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht seit langem ueberfaellig", resuemiert Bamann.

Der modulare Aufbau der Hardware ermoeglicht zudem technologisches Rightsizing. "Wenn wir viel zu tun haben, ist es kein Problem, zwei oder drei Maschinen hinzuzukaufen. Andererseits ist es auch nicht schwierig, ueberzaehlige Kapazitaeten wieder abzustossen."

Im 3D-Bereich arbeiten die Konstrukteure der BWM mit Catia, Version 3, auf insgesamt zehn IBM-Rechnern RS/6000 unter AIX. Bei der Auswahl der Software "Cadra" von Digital-Partner Adra Systems war es die logische Naehe zum vorher eingesetzten Produkt Cadam, die den Anwendern in der Konstruktion besonders zusagte.

Bewaehrtes sollte uebernommen werden

Langwierige und teure Schulungsphasen bei der Umstellung eruebrigten sich. Vor allem bisher eingesetzte Verfahren wie das View-Konzept beim Konstruieren sollten beibehalten werden. So lassen sich zweidimensionale Darstellungen sowohl mit Cadam als auch mit Cadra in verschiedenen Ansichten zeichnen und verwalten.

Fuer die Digital-Systeme sprach laut Bamann auch, dass Cadra urspruenglich auf DEC-Hardware entwickelt wurde "und so bei kuenftigen Aenderungen der Software damit gerechnet werden kann, dass sie trotzdem stabil zur Verfuegung steht". Aufgrund der Offenheit der Unix-Systeme sind die BWM-Mitarbeiter nun in der Lage, die auf diesen Rechnern erstellten 2D-Catia-Modelle direkt mit Cadra einlesen und bearbeiten zu koennen.

Die Vorteile des Cadra-Pakets gegenueber Konkurrenzprodukten sieht Bamann vor allem in der einfachen Datenmigration. "Sehr beeindruckt hat uns bereits waehrend der Testphase, dass wir mit dem System einen direkten Zugriff auf die Daten des Grossrechners organisieren konnten. Die Anwender waren in der Lage, auch die mit Cadam erstellten Zeichnungen in die Workstation zu uebernehmen, zu bearbeiten und schliesslich auf den Host zurueckzuschreiben."

Zwischenloesung fuer Netz-Protokolle

Den Datenaustausch zwischen Workstation und Mainframe hat man waehrend der Testphase ueber eine Blackbox realisiert, die an die 3270-IBM-Verkabelung angeschlossen wurde. Die Daten vom Grossrechner wurden via diese

I/O-Box vom SNA-Protokoll der IBM-Welt ueber eine Ethernet- Schnittstelle nach TCP/IP uebertragen und an die Workstation weitergegeben.

Mittlerweile eruebrigt sich die Konvertierung der Daten. Auf dem Grossrechner der Zentrale laeuft TCP/IP unter dem Betriebssystem MVS und ermoeglicht eine direkte Kommunikation mit den Workstations vor Ort. "Entscheidend ist fuer uns, dass wir heute einen direkten Zugriff auf die alten Datenbestaende haben", sagt Bamann. Schliesslich muss auch der reibungslose Datenaustausch mit der Muttergesellschaft als derzeit wichtigstem Kunden der BWM sichergestellt sein.

Eine 64-Kbit-Standleitung stellt die Uebertragung an das zentrale Rechenzentrum des Unternehmens in Lippstadt sicher. "Derzeit ist schwer abzuschaetzen, wie hoch das Datenaufkommen in Zukunft sein wird. Sollte sich abzeichnen, dass die Leitung laengere Zeit nicht benoetigt wird, dann werden wir wohl auf ISDN umsteigen", ueberlegt Bamann. "Wir haben heute eine deutlich geringere Belastung als vorher, aber einen signifikant hoeheren Nutzen. Der Einsatz des 2D- Cadra-Programms macht uns rund 30 Prozent schneller als vorher."

* Dorothea Wendeln-Muenchow ist freie Journalistin in Hannover.