Workstation: Verwirrspiel um einen unnötigen Begriff

03.10.1986

Zuerst tauchte sie nur zaghaft auf, jetzt ist sie in aller Munde, die Workstation. Insbesondere verwenden Hersteller diesen Begriff, wenn sie mit ihrem neuen Produkt nichts Rechtes anzufangen wissen. Dabei ist "Workstation" nur neuer Wein in altem Schlauch: Nichts weiter als verteilte Datenverarbeitung steckt dahinter:

Begonnen hat alles etwa in der Zeit, als Xerox mit dem "Star" auf den Markt kam. Eine Benutzeroberfläche, wie sie erst viel später, dann aber deutlich billiger von Apple verwirklicht wurde, sollte dem ungeübten Anwender den Umgang mit dem Computer erleichtern. Zur selben Zeit etwa brachte Daisy einen dedizierten Grafikrechner heraus, der im wesentlichen für Layout-Aufgaben eingesetzt wurde. Beide hießen Workstations.

Heute ist eine ganze Reihe von Produkten auf dem Markt, die gleichfalls unter dieser Bezeichnung laufen. Der Klarheit dient dies nicht, und die Hersteller selbst haben keine einheitliche Definition auf Lager. Für die einen, wie Siemens, ist Workstation ein Rechner für spezielle Anwendungen wie Grafik oder in Banken. Zu diesem Zweck verfügen sie über eine vom Einsatzzweck bestimmte besondere Ausstattung. Sie können auch an Hostrechnern betrieben werden beziehungsweise müssen über Möglichkeiten verfügen, sie in größere Umgebungen einbetten zu können.

Andere, wie Digital Equipment, sehen in einer Workstation in erster Linie ein komplettes Single-User-System mit eigener CPU sowie Haupt- und Massenspeicher. Die Anwendung spielt bei dieser Begriffsdefinition zunächst keine Rolle. Danach ist der Personal Computer die niedrigste Form der Workstation.

Zwei Herstellergruppen, zwei Meinungen. Dem Workstation-Markt steht ein Durcheinander ins Haus, wie es im traditionellen DV-Geschehen schon lange gang und gäbe ist und weder den Durchblick von Anwendern noch den von Anbietern fördert. Es gibt Minis, Superminis, Megaminis, mittlere Systeme, Großrechner, Universalrechner. Vieles von diesen Bezeichnungen ist Tradition. Da bauen Unternehmen wie DEC, Data General oder Prime immer noch Minicomputer, nur weil die ersten Produkte aus diesen Häusern damals, vor fast 20 Jahren, so genannt wurden. Längst ist die Supermini-Clique, was die Leistung der Systeme betrifft, in Universalrechnerkategorien hineingewachsen. Ähnliches spielt sich bereits im Mikrocomputermarkt ab. Vom Homecomputer über den Mikro- und Personal Computer bis hin zum Supermikro reicht die Palette. Von der Anwendung redet hier immer noch niemand, zumindest nicht ernsthaft.

Abgesehen davon, daß niemand, außer den Marketiers der jeweiligen Unternehmen, genau weiß, was hinter diesen Begriffen steckt: Was ist mit Rechnern, die auf den 32-Bit-Prozessoren von Herstellern wie National Semiconductor, Motorola oder Intel basieren? In der Leistung stecken sie bei bestimmten Anwendungen manche Minis bereits locker in die Tasche - nur Minicomputer dürfen sie trotzdem nicht sein. Ein Rechner wie das jüngste Compaq-Kind auf 80386-Basis wird denn folgerichtig auch gleich Workstation genannt. Ist es das auch?

Nach der dritten Definition, wie sie beispielsweise Apollo-Domain vertritt, kann als Workstation nur gelten, wenn der (Arbeitsplatz(!)-)Rechner eine 32-Bit-Struktur aufweist, kommunikationsfähig ist, ein Unix-ähnliches Betriebssystem benutzt und für spezielle Aufgaben wie Grafik ausgerüstet ist. Damit wäre auch der neue Compaq-Rechner (und alle, die in dieser Klasse noch folgen werden) eine Workstation. Gleichwohl erkennen dies die "echten" Workstation-Macher noch nicht an.

Bei aller Begriffsvielfalt, die letztlich weder dem Anwender noch dem Hersteller nützt, muß man auf dem Teppich bleiben. Tatsache ist, daß der Begriff Workstation in Verbindung mit Grafikanwendungen zuerst aufkam - jenen Anwendungen also, die im Gegensatz zur ein-/ausgabeorientierten kommerziellen Datenverarbeitung eine hohe CPU-Belastung brachten. Die Erfahrung zeigte, daß eine Handvoll Ingenieure ohne Probleme auch den größten kommerziellen Hobel lahmlegten. Ein bißchen CAD, ein bißchen finite Elemente und noch eine kleine Simulation - aus.

Logische Folge: Jedem Ingenieur die benötigte Rechnerleistung an den Arbeitsplatz. Verteilte Datenverarbeitung in lupenreiner Form, wie sie aus der kommerziellen DV in zahllosen Varianten bekannt ist. Kein Mensch hat seinerzeit ernsthaft von Workstation geredet.

Der einzige Bereich der kommerziellen DV, in dem die Arbeitsplatzcomputer (und um viel mehr handelt es sich in der Tat nicht, allerdings auch nicht um weniger) als Workstations bezeichnet werden, sind die Mikros auf dem Tisch des Managers. Lassen sich Manager etwa durch diesen neudeutschen Begriff ködern, nachdem der Terminal- und Personal-Computer-Angriff auf die Chefetage bis heute erfolgreich abgewehrt werden konnte? Ausgeschlossen ist das nicht. Auch Manager sind nur Menschen, und Workstation ist doch ein attraktiver Begriff.

Alles spricht also dafür, daß die Marketingleute für die Verwirrung im DV-Sprachgebrauch verantwortlich sind. Da ihnen spätestens bei den Personal Computern kein sinnvoller Anwendungszweck mehr einfiel, stürzten sie sich auf Begriffe und verkauften keine Rechner mehr und deren Anwendbarkeit, sondern nur noch Glamour. Der Begriff "Workstation" ist nichts anderes. Es kennzeichnet die Chance eines Herstellers, einen "normalen" kleinen Computer überteuert verkaufen zu können.

Anders ausgedrückt: Eine Workstation ist ein Terminal, an dem gearbeitet wird. Im anderen Fall ist es ein definierter Leitungsabschluß.