Woran IT-Gründer immer wieder scheitern

14.04.2011
Sechs wichtige Fallstricke haben Experten ausgemacht, an denen Gründer scheitern. Hier ein paar Tipps, damit sich die Fehler nicht wiederholen.

Rund 14.000 Hightech-Gründungen und damit ein Plus von 3,1 Prozent ermittelte das Zentrum für Europäi-sche Wirtschaftsforschung (ZEW) für 2010 in Deutschland. Laut dieser Studie ist der Gründerboom in der Softwareindustrie am größten und konnte dort um ganze 15 Prozent zulegen. Allerdings ist diesen Startups der dauerhafte Geschäftserfolg keineswegs sicher: Eine verbreitete Daumenregel besagt, dass 50 Prozent aller Gründungen das erste Jahr nicht überstehen. Höhere Chancen hat, wer die wichtigsten Fallstricke für IT-Neugründungen kennt - und vermeidet.

Die Kumpelfalle

In einer legendären Garage in Palo Alto sollen die Stanford-Absolventen William Hewlett und David Packard im Jahr 1939 ihren ersten Tonfrequenzgenerator zusammengebaut haben. Sie gilt seither nicht nur als Geburtsstätte von HP und des gesamten Silicon Valley, sondern ist zum Symbol studentischer Gründungen schlechthin geworden. Wie bei Hewlett und Packard besteht auch heute das Gründungsteam häufig aus engen Vertrauten, die alle Aufgaben unter sich aufteilen. In dieser Konstellation haben Unternehmensgründer vor allem zwei Probleme: Sie wissen noch nicht, wie es geht, und sie haben noch nicht die richtigen Leute. Oft genug fehlt dann das Vertrauen für eine Erweiterung des Führungsteams, oder es werden weitere "Kumpels" aus dem engeren Umfeld hinzugenommen, die keine zusätzlichen Kompetenzen mitbringen.

Das beste Gegenbeispiel liefert Google: Als das von Larry Page und seinem Studienkollegen Sergey Brin gegründete Startup wuchs, holten sie 2001 Eric Schmidt ins Boot, weil beide keine Erfahrungen mit der Führung eines Unternehmens hatten. Während der bisherige Novell-Chef das Tagesgeschäft führte, kümmerten sich Page und Brin um Fragen der Softwareentwicklung. Wesentliche Entscheidungen wurden allerdings stets von allen drei Personen gemeinsam getroffen. Page nutzte die Zeit zum Lernen: Anfang 2011 übernahm er die Führung von Schmidt wieder, der via Twitter erklärte, dass der Konzern nun keine Aufsicht durch Erwachsene mehr nötig habe. "Als ich 2001 zu Google kam, konnte ich mir in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen, dass wir einmal so weit kommen, wie es heute der Fall ist", sagte er.

Die Techie-Falle

Durch das Engagement des erfahrenen Managers Schmidt haben die Google-Gründer gleich eine zweite Falle umschifft. Gerade in der IT-Branche erliegen Startups nämlich leicht der Versuchung, vor lauter Begeisterung über die Technik die tatsächlichen Marktbedürfnisse aus den Augen zu verlieren. "Nur wer seine Zielgruppe und ihre Probleme wirklich versteht, kann ihr geldwerte Lösungen bieten", erläutert Marc Hildebrandt von Software Diagnostics, einem Spinoff des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam.

Auch die Experten für Software-Intelligence und Software-Mining haben mit ihren Werkzeugen zunächst nur auf die Entwickler und Teamleiter im Unternehmen abgezielt, die von der technischen Perfektion der Lösung höchst angetan waren. "Aber bei weiterer Analyse der Kundensituation haben wir schnell gemerkt, dass die Kosten und Risiken von Softwareprojekten ein echtes Management-Thema sind", beschreibt Hildebrandt die Entstehungsgeschichte des neuen Flaggschiff-Produkts "Software Diagnostics Server".

Die Partnerfalle

Als größtes Problemfeld nennen Jungunternehmer immer wieder den Vertrieb. So bereiten beim Gründerpanel des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn den Befragten vor allem die Auftragsakquisition und der Aufbau eines Kundenstamms Schwierigkeiten.

Verlockend einfach erscheint da die Lösung, je nach Produktangebot passende Vertriebspartner zu suchen, die bereits über Zugang zum geplanten Kundensegment verfügen. Wer etwa an Regierungen oder die öffentliche Verwaltung verkaufen will, erspart sich manche Mühen mit einem Partner, der dort bereits gelistet ist und über die notwendigen Zertifizierungen verfügt.

"Eine grundsätzliche Übereinstimmung der Interessen muss allerdings schon gewährleistet sein, damit eine Vertriebspartnerschaft funktioniert", warnt Stefan Waldhauser vom Enterprise-Information-Management-Spezialisten Wewebu Software AG und empfiehlt, gemeinsam mit dem Partner von Anfang an klare Ziele zu vereinbaren. Sonst kann es gehen wie bei jenem ungenannten Startup, das seine Vertriebsprobleme mit der Aufnahme der eigenen Produkte in die Preisliste der IBM gelöst wähnte. Befangen in der Wunschvorstellung, dass der Großkonzern mit seiner weltweiten Vertriebsmannschaft nun ganz von alleine für schöne Umsätze sorgen werde, stellte das Unternehmen alle eigenen Bemühungen ein und segelte geradewegs in den Konkurs.

Die Kundenfalle

Ähnlich wie ein dominierender Partner den Vertrieb blockieren kann, birgt die einseitige Fokussierung auf wenige Großkunden beträchtliche Risiken für Produktentwicklung und -strategie. Natürlich ist die Gewinnung des ersten großen Kunden für jedes junge Unternehmen ein wichtiger Meilenstein, zumal wenn wiederkehrender Umsatz einen relevanten Teil der laufenden Kosten abdeckt. Aber auch hier gilt: Jeder Kunde muss zum eigenen Unternehmen und jeder Produkteinsatz zur eigenen Strategie passen.

Sonst kommt es allzu leicht dazu, dass jedem neuen Kunden etwas anderes verkauft wird. Am Ende hinkt dann die Produktentwicklung den verschiedenen, oft sogar widersprüchlichen Anforderungen hinterher, muss unterschiedliche Versionen pflegen und kann kein klares Marktprofil entwickeln. "Unser wichtigster Anwender hätte uns auch leicht auf einen Schlag aufkaufen oder unsere Entwicklung innerhalb weniger Wochen nachbauen können", erinnert sich Peter Beaman, der mit seiner 15-Mann-Softwareschmiede Data Tree einen Gesundheitskonzern mit 2800 Mitarbeitern bedient. "Wir haben diese Fragen vor dem Abschluss ganz offen diskutiert und waren uns einig, dass der Kunde am meisten profitiert, wenn wir unsere Produktstrategie sauber einhalten und auf kundenspezifische Entwicklungen weitgehend verzichten."

Die Kulturfalle

Innerhalb des Unternehmens stellt sich früher oder später die Frage nach der Firmenkultur. In der Wachstumsphase benötigen Startups permanent neue Mitarbeiter und suchen für den schnellen Einstieg am liebs-ten solche, die bereits Erfolge vorzeigen können. Wenn etwa der erfahrene Vertriebler, der in seinen bisherigen Positionen stets mit Umsatzrekorden geglänzt hat, die in ihn gesetzten Erwartungen dann nicht erfüllen kann, ist die Überraschung groß. Schuld sind in der Regel kulturelle Unterschiede zu den früheren Unternehmen - oft fehlt einfach der gewohnte organisatorische Rahmen, das System aus Zuckerbrot und Peitsche mit Quartalsstruktur und zugehörigen Incentives. Ist der kostspielige Versuch gescheitert, übernehmen viele Gründer den Vertrieb wieder selbst oder erliegen erneut der Kumpelfalle aus der Gründungszeit und vergrößern das Problem damit weiter.

"Wenn nicht alle Körperteile gleich mitwachsen, läuft man schief", sagt Ralf Hager von der Hager Unternehmensberatung, die so genannte Employment Lifecycle Solutions rund um den gesamten Arbeitslebenszyklus anbietet. So weiß er etwa von einem Internet-Unernehmen, das seinem Gründungsvorstand bewusst erfahrene Banken-Manager an die Seite gestellt hat. Die neuen Manager jedoch nehmen die Techies kaum ernst, diese wiederum weigern sich, auf die aus ihrer Sicht alten Männer zu hören. "Solche emotionalen Risse haben schon ganze Unternehmen zerlegt", warnt Hager.

Die Finanzierungsfalle

Dafür, dass sich selbst in den sichtbarsten Gründungsfallstricken viele junge Firmen verfangen, ist nicht zuletzt die Schwierigkeit der Finanzierung verantwortlich. Einen Investor zu finden, der die Geschäftsidee finanziert, ist für fast alle Gründer ein so zentraler Punkt, dass er lange Zeit alle übrigen Fragen überschatten kann. "Jedoch darf dies keinesfalls dazu führen, die weiteren Themen zu ignorieren", sagt Thomas Leitner von der Hager Unternehmensberatung. Der Leiter des Unternehmensbereichs Business Activation begleitet unter anderem junge Technologieunternehmen in der Aufbauphase. Aus seiner Perspektive ist die Gründung noch lange nicht erfolgreich, wenn ein Kapitalgeber gefunden und überzeugt ist. "Die eigentliche Bewährungsprobe, den Markt zu erobern, fängt damit erst an. Dann zeigt es sich, ob die Strategie aufgeht und ob man das passende Team beisammen hat." Die erforderliche Erfahrung lässt sich oft am besten durch einen aktiven Beirat einbringen. Nicht so sehr durch gesetzliche Vorgaben limitiert wie ein Aufsichtsrat, dient dieser den Jungunternehmern kontinuierlich als Coach, Sparringspartner und vor allem als Netzwerker für den Markteintritt, um alle Fallstricke der Startup-Phase erfolgreich zu umgehen. (hk)

Michael Ihringer ist freier Journalist in Darmstadt.

Hilfe für Gründer

Mit ihrem Konzept der Business Activation richtet sich die Hager Unternehmensberatung an Unternehmensgründer. Zu den angebotenen Maßnahmen geören die Anpassung der Strategie, das Abstimmen und Ändern von Prozessen, Trainings und Coaching von Mitarbeitern und Management, die Neustrukturierung der Organisation oder das Einstellen neuer Mitarbeiter.

Business Activation wendet sich der Hager Unternehmensberatung zufolge an junge Firmen in der Startup-Phase, Venture Capitalists, Private-Equity-Unternehmen und Investoren bis hin zu internationalen Organisationen, die neu in den deutschen Markt eintreten. Auch im Zusammenhang mit Akquisen, Betriebsübernahmen und sonstigen Change-Prozessen könne Business Activation helfen.