Wohl-Tat

15.10.1982

Erstaunlich, daß so viele DV-Experten, obwohl ihnen das Thema offensichtlich zum Hals raushängt, mitmachen beim Feldzug in das "Büro der Zukunft". Das Ganze habe sich sowieso nur deshalb noch nicht totgelaufen, meinen Spötter, weil die Hersteller ständig PR und die Fachzeitungen ständig Stoff brauchten die - COMPUTERWOCHE bilde da keine Ausnahme - und weil die möglichen Benutzer eines "Automated Office" das alles über sich ergehen ließen. Herausgekommen sei dabei noch nichts - es werde geredet, geredet, geredet: über Local Area Networks (LAN) und neue Medien, über verteilte Datenbanken und Textintegration. Motto: Jeder kann mit jedem kommunizieren. De facto, so Anwenderpioniere, ließen sich nicht einmal die einfachsten Bürogeräte miteinander verbinden.

Mag sein, daß unsere Büroautomationsgeschichten bisweilen zu techniklastig ausgefallen sind. Allerdings - die CW versteht sich als Anwenderzeitung, die über Fakten berichtet und Trends aufzeigt.

Und daß sich die Informationspolitik der DV- und Bürobranche nicht gerade durch Klarheit auszeichnet, hat sicher schon jeder am eigenen Leibe verspürt. Die Diskussion über das "Büro von Morgen" und die Wege dorthin pendelt zwischen Allgemeinplätz und Zukunftsvision.

Tatsache ist, daß die Hersteller heute mehr Bürosysteme produzieren als die Kunden abnehmen. Mit anderen Worten: Der Markt ist noch nicht reif. Daß dieser Angebotsüberhang zu einer Gefahr für die Industrie werden kann, insbesondere für kleinere Unternehmen, weil enorme Investitionen erforderlich sind, sollte dem Anwender letztlich egal sein.

Aber ist es auch richtig auf die "eierlegende Woll-Milch-Sau", sprich: das elektronische Bürowunder, zu warten und solange die Hände in den Schoß zu legen?

Auf dem "1. Europäischen Kongreß über Büro-Systeme und Informations-Management" der CW-CSE in München (siehe Seite 1) wurde den Zauderern eine eindeutige Absage erteilt. Integrierte Bürosysteme einzufahren, erklärte Office-Automation-Expertin Amy D. Wohl, sei keine Sache von Monaten, sondern von Jahren. "Wer jetzt nicht anfängt, wenn auch nur, um zu lernen, verpaßt den Anschluß", wetterte die couragierte OA-Lady, Präsidentin der amerikanischen Beratungsfirma Advanced Office Concepts. Die Kongreß-Besucher nahmen sich den Wohl-Ratschlag wohl zu Herzen. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung, daß endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Wer sich dabei auf den Daumen haut, ist selber schuld. "Das papierlose Büro", so ein Amy-Bonnot, "ist ebensowenig vorstellbar wie das papierlose Klo." Welche Wohl-Tat!