Web

Wohin steuert Intel?

15.02.2000
Interview mit CEO Craig Barrett

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Intel wandelt sich zunehmend vom reinen Chiphersteller zu einem "Big Player" der digitalen Welt. Die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" befragte CEO (Chief Executive Officer) Craig Barrett zur künftigen Rolle seines Unternehmens in der "New Economy". Trotz der unvermeidlichen Portion Marketing trifft der ehemalige Stanford-Professor einige interessante Feststellungen.

CW: Was hat sich Intel für das kommende Jahr vorgenommen?

BARRETT: Wir haben uns viel vorgenommen. Zunächst einmal kommen eine Menge neuer 32-Bit-Prozessoren. Mitte des Jahres haben wir auch einen 64-Bit-Launch mit den "IE-64"-Chips [Internet Exchange]. Wir machen im Netzwerkbereich ziemlich viel, und im Kommunikationssektor freuen wir uns über die DSP-Akquisition (CW Infonet berichtete), dieses Geschäft wollen wir nun richtig groß machen. Das Flash-Speicher-Business steht auch gut da, und wir werden eine Reihe neuer Hosting-Stationen in Japan, Großbritannien und Virginia eröffnen.

CW: Was hält Ihrer Ansicht nach all diese Geschäftsbereiche zusammen?

BARRETT: Das letzte Jahrzehnt war augenscheinlich die Dekade des PCs. Der Personal Computer war die treibende Kraft der Informationstechnik und unserer Aktivitäten. Jetzt entwickelt sich das Internet-Jahrzehnt. Was auch immer das sein mag, das Internet ist offenbar Mittelpunkt des Geschehens. Unser Ziel ist natürlich, hier am Ball zu bleiben.

CW: Heisst das, die PC-Ära ist vorbei?

BARRETT: Ich bevorzuge den Begriff "Post-PC-Ära". Weltweit werden dieses Jahr vermutlich 18 oder 20 Prozent mehr PCs verkauft als 1999, voriges Jahr wurden 18 Prozent mehr verkauft als ein Jahr vorher. Es werden inzwischen mehr Rechner verkauft als Fernseher. Trotzdem ist es irgendwie eine Post-PC-Zeit. Wir wollen uns mit dem "Zentrum der Schwerkraft" bewegen.

CW: Was bedeutet das für Ihr Hardwaregeschäft?

BARRETT: Es gibt in diesem Bereich einer Reihe herausragender Bausteine, die in unterschiedlicher Form daherkommen. Ein Großteil unseres Könnens sind nun einmal Halbleiter - also Prozessoren in PCs, in Handhelds, in der Netzwerk- und Kommunikationsinfrastruktur. Wir werden das gleiche Modell verfolgen, das wir schon im PC-Bereich hatten, nämlich einer Menge OEMs "Bausteine" [building blocks] für ihre Produkte zu liefern. Wenn wir irgendwo eine Lücke entdecken, bauen wie vielleicht auch selbst ein Endgerät, einfach um die Technik voranzutreiben. Im Großen und Ganzen wollen wir aber natürlich nicht mit unseren eigenen Kunden in Bereichen konkurrieren, die sie zu ihrem Operationsgebiet gemacht haben.

CW: Wie passen denn Intels Bemühungen in dieses Modell, Hosting-Center für Applikationen zu werden?

BARRETT: Das ist einfach eine Chancen, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Auch wenn alle Welt jetzt ins Internet geht, um dort ihre Geschäfte zu machen, wird trotzdem nicht jeder seine eigenen Server-Farmen aufstellen und sich damit herumschlagen wollen. Hier kann sich Intel neue Geschäftsfelder erschließen, die mit dem großen Ziel der Welt in Einklang stehen.

CW: Prozessoren bauen ist eine Sache, ein Rechenzentrum betreiben eine andere. Wieso hat Intel hier eine Kernkompetenz?

BARRETT: Zu allererst einmal sind wir selbst stark im Internet vertreten. Wir haben unsere eigenen Server-Farmen, also wissen wir, wie man das macht. Wir kennen auch die Architektur, wir wissen, wie man die Anwendungen für diese Architektur mit der Hardware und der Bandbreite kombinieren muss. Sie können natürlich zu einem Outsourcer wie Exodus gehen, Ihre Server bei denen aufstellen und sich um das ganze Zeug selbst kümmern. Wenn Sie aber eine voll verwaltete Lösung suchen, die Sie für unternehmenskritische Anwendungen wie E-Commerce brauchen, dann haben wir die Antwort.

CW: Aber ist das nicht ein vollkommen anderes Geschäft?

BARRETT: Mag sein, aber das hat nichts mit Hexerei zu tun. Man muss nach draußen gehen und auf die Kunden hören, und ihnen dann die Dienstleistungen und Werte liefern, die sie brauchen.

CW: Unternimmt Intel etwas, um das aufkommenden ASP-Modell (Application-Service-Provider) voranzutreiben?

BARRETT: Der einfachste Weg, damit sich dieses Ding wie eine große Plattform verhält, ist eine gemeinsame Architektur, gemeinsame Anwendungen und Interoperabilität dazwischen. Wir sind auf jeden Fall ein großer Befürworter einer gemeinsamen Architektur. Wir arbeiten mit einer Menge Softwareanbietern zusammen und bemühen uns, diese interoperablen Services und Kommunikationsfähigkeiten sicher zu stellen.

CW: Sun Microsystems stellt sich ziemlich erfolgreich als Anbieter von Infrastruktur für die neue digitale Wirtschaft dar. Wie wollen Sie in diesem Bereich konkurrieren?

BARRETT: Es gibt hier zwei Kernpunkte, die die Welt gerade aufsaugt. Zum einen die Preis-Leistungs-Fähigkeiten der freien Wahl und zum anderen die mit der Offenheit der Plattform einhergehende Innovation. All dies hat den PC zu dem gemacht, was er heute ist. Manchmal dauert es aber ein bisschen, bis diese Botschaft auch auf die nächste Ebene übersetzt wird - in diesem Falle die Server, die für die Infrastruktur des Internet wichtig sind. Letztlich werden auch hier das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Innovationsrate den Markt bestimmen. Für diese Dinge stehen wir, daran glauben wir, und sie sind Kern unseres Marktmodells.

CW: Wie wichtig ist die 64-Bit-Plattform "Itanium" in dieser Gleichung?

BARRETT: IA-64 spielt eine zentrale Rolle. Man braucht sich nur die Trends anzuschauen, etwa die Größe von Datenbanken und die Zahl der Menschen, die diese tatsächlich benutzt. Das bedeutet einfach, dass man im Back-Office ein paar ziemlich kolossale Server haben muss.

CW: Wie wird das Internet die Geräte verändern, mit denen wir darauf zugreifen?

BARRETT: Was den "Palm Pilot" so erfolgreich gemacht hat, ist die Tatsache, dass es sich dabei um eine Erweiterung handelt. Er sägt nicht an den Verkäufen von Notebooks oder Desktops, sondern macht diese Geräte für den Anwender einfach noch nützlicher. Dasselbe gilt für Handys. Dahin geht die Zukunft, und bald wird jedermann vom Mobiltelefon aus ins Web gehen. Natürlich stellt sich immer die Frage, wie viel Information man über einen so winzigen Bildschirm tatsächlich bekommt. Dennoch denke ich, dass diese Geräte sehr schön mit dem PC und dem Internet interagieren. Sie werden aber nicht ersetzen, sondern ergänzen.

CW: Wird die Finanzwelt Intel auch als neuem Mitspieler im Internet-Business den nötigen Respekt entgegenbringen?

BARRETT: Wenn die Internet-Seifenblase platzt, werden meiner Ansicht nach wieder die Unternehmen gut dastehen, die Dinge herstellen und Dinge verkaufen und auch ohne Internet Gewinne machen. Ich habe so ein Gefühl im Bauch, dass vielleicht die derzeitigen Bewertungen von Companies wieder durch die guten alten Maßstäbe Umsatz und Gewinn ersetzt werden.