Web

Wohin steuern Intel, HP und IA-64?

16.10.2000
Executive Vice President Paul Otellini ist alleiniger Herr über die "Intel Architecture" (IA). CW-Redakteur Hermann Gfaller hatte auf der eXCHANGE Gelegenheit, den Topmanager zu interviewen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - CW-Redakteur Hermann Gfaller hatte im Rahmen des von Intel ausgerichteten "E-Business Summit eXCHANGE" die Gelegenheit zum Gespräch mit Paul Otellini, gerade zum Executive Vice President und Alleinverantwortlichen für die Intel Architecture (IA) ernannt. Auch wenn sich der Topmanager teilweise recht zugeknöpft gab, ließ er sich eine Reihe interessanter Aussagen entlocken.

CW: Íhr Konzern hat - wie Apple und Dell - kürzlich eine Gewinnwarnung abgegeben. Wie kam es dazu?

OTELLINI: Darüber darf ich aus rechtlichen Gründen nichts sagen.

CW: Ihr Entwicklungspartner Hewlett-Packard plant entgegen früherer Statements nun doch weitere Generationen der eigenen "PA-RISC"-Architektur. Sinkt die Akzeptanz für den Itanium-Chip?

OTELLINI: Nein. Erst heute hat die HP-Chefin Carly Fiorina wieder ein umfassendes Bekenntnis dazu abgegeben.

CW: Alles andere wäre auf einer Intel-Veranstaltung ein Affront gewesen.

OTELLINI: Niemand lügt in aller Öffentlichkeit.

CW: Mit dem "Superdome" und dessen Nachfolgern hat sich HP aber wieder eine Option neben der Itanium-Architektur eröffnet. Aus dem gemeinsamen 64-Bit-Unix-Projekt mit SCO hat sich HP ähnlich elegant verabschiedet.

OTELLINI: Das war etwas ganz anderes. Ich vertraue Carly und HP.

CW: Auch Sun scheint es nicht mehr für nötig zu halten Solaris wie ursprünglich angekündigt auf IA-64 zu portieren.

OTELLINI: Stimmt. Das Interesse war dort nie wirklich vorhanden. Sun zieht die eigene "Sparc"-Architektur vor. Es gibt aber auch positive Nachrichten. Wir präsentieren hier "Monterey" auf Itanium. Das ist ein wichtiger Vertrauensbeweis der IBM. Auch Linux, Windows 2000 und HP-UX laufen auf unserer kommenden Architektur.

CW: Ihre Positionierung von IA-64 gibt uns weiterhin Rätsel auf. Der Markt für wissenschaftliche Anwendungen ist nicht besonders groß. Auch Data-Warehouse- und vergleichbare Projekte, die den 64-Bit-Adressraum wirklich nutzen, sind Mangelware.

OTELLINI: Die Chipfamilie ist für hohe Leistung und Skalierbarkeit ausgelegt. Wir zielen damit nicht zuletzt auf den Markt für Internet-Infrastruktur, wo die Last unerwartet gewaltig ansteigen kann. Hier sind nach unserer Einschätzung erst fünf Prozent der benötigten Rechnerleistung installiert. Das ist ein gewaltiger Markt.

CW: Gibt es denn schon Anwendungen und Datenbanken für die Architektur?

OTELLINI: Gegenwärtig laufen auf unterschiedlichster Hardware und vier Betriebssystemen rund 220 Applikationen.

CW: Die Chip-Entwickung wird immer teuer, die technischen Probleme - vor allem aufgrund der Dichte der Schaltkreise - immer größer. Ist für die heutige Technik ein Ende in Sicht? Intel-Mitbegründer Gordon Moore hat dies ja in seinem "Moore´s Law" für das Jahr 2017 vorausgesagt.

OTELLINI: Das hat er nicht. Moore sagt lediglich, dass sich für die kommenden 15 Jahre recht genau sagen läßt, wie die Chipentwicklung voranschreitet. Danach dagegen wird es unklar. Aber das ist für die Computerindustrie ein langer Zeitraum. Die nächsten Chipgenerationen sind auf alle Fälle gesichert.

CW: Intel und andere Hersteller haben angefangen ihr Risiko zu streuen. Sie setzen nicht mehr nur auf die stetige Leistungssteigerung, sondern auch auf die Schaffung eines Marktes mit vergleichsweise einfachen Chips für alle möglichen Arten von Geräten vom Handy bis zur Mikrowelle.

OTELLINI: Jede Firma will wachsen. Wir nutzen lediglich die Möglichkeiten, um unsere Kapazitäten möglichst umfassend auszulasten. Unsere Kernkompetenzen liegen nun einmal in der Massenfertigung von Silizium-Bausteinen. Diese Fähigkeiten erlauben es uns, in neue Geschäftsfelder zu expandieren.

CW: Wie sieht ihre Strategie im Bereich Handys und Organizer aus?

OTELLINI: Wir sind ziemlich scharf darauf. Wir bieten hier mehrere Techniken an und sind schon jetzt der größte Lieferant von Flash-Speicher für Handys. Für PDAs liefern wir den "StrongARM"-Chip und jede Menge darum herum, zum Beispiel Lösungen für die Verschmelzung von digitaler und analoger Datenübermittlung.

CW: Inwieweit schlägt sich hier ihre Partnerschaft mit Microsoft nieder?

OTELLINI: Microsoft ist nach wie vor unser engster Partner.

CW: Sie gehen aber in einer ganzen Reihe von Bereichen eigene Wege, insbesondere im Server-Geschäft mit Linux und auch mit anderen Unix-Derivaten. Stört das nicht die traute Zweisamkeit?

OTELLINI: Nein. Der größte Teil unserer Entwicklung widmet sich zwar Microsofts Betriebssystemen, wir waren aber immer unabhängig.

CW: Themenwechsel: Intel unterstützt erklärtermaßen das Peer-to-Peer-Computing à la Napster. Glauben Sie wirklich, dass Unternehmen bereit sind, ihre wertvollen Daten und Informationen auf den Rechnern der Endanwender zu lagern?

OTELLINI: Jedes Unternehmen teilt seine Ressourcen mit seinen Mitarbeitern. Es geht uns vor allem darum, ungenutzte Rechenpower und freien Speicherplatz gemeinsam zu nutzen.

CW: Aber legen die DV-Verantwortlichen nicht extremen Wert auf die zentrale Verfügungsgewalt über ihre Daten und Ressourcen?

OTELLINI: Das Internet hat längst das Selbstverständnis der IT-Abteilungen verändert. Man sollte zunächst im Hinterkopf behalten, dass es sich beim Peer-to-Peer-Computing um eine Technik im Experimentalstadium handelt. Sie ist hochinteressant, muss aber erst noch erprobt werden.