Ein "Profi" plaudert aus dem "Nähkästchen":

Wo ist die Alternative zu IBM?

18.02.1977

Die Frage impliziert, daß überhaupt eine Alternative "gewollt" wird, was anzunehmen - sieht man sich isoliert die Marktanteile an - durchaus nicht zwingend ist. Zur Antwort legitimiert ist eigentlich nur der Anwender. Und ganz besonders der IBM-Kunde. Mit einer Prämisse darf jedoch gearbeitet werden: Es gibt Dinge beim Marktführer, die zwar dem hauptberuflichen IBM-Wettbewerber, nicht jedoch dem Anwender bekannt sind. Insofern erscheint es legitim, einen "Profi" durchaus seriös gemeinte "Frechheiten" beispielsweise über IBM-Marketingstrategien sagen zu lassen. Der Verfasser des folgenden Beitrags beschreibt die Situation nach Ankündigung der Achtermodelle 138 und 148. de

Bei den vielen Erörterungen, ob es wirklich Alternativen zur "klassischen" IBM-Anwendung gibt, sprach jedermann von der "Antwort auf die 148" (Siemens) oder dem "158-Ersatz von National Semi" oder der "Amdahl-Variante der /370-168".

Man verliert dabei leicht aus dem Auge, daß hier keine Alternativen angeboten werden, sondern Imitationen zum entsprechend billigeren Preis. Alle diese sogenannten neuen Alternativen haben , je mehr sie im Markt vordringen, die Nebenwirkung einer weiteren Verlangsamung des Fortschritts. Was durchaus nicht negativ ist.

Denn letzten Endes geht es den meisten Computer-Benutzern in erster Linie um die Kosten, und es ist deutlich sichtbar, daß auch die EDV im Zuge der "Entzauberung" einer härteren Kosten-Kontrolle unterliegt.

IBM-Alternative: IBM

In diesem Zusammenhang wird seit einiger Zeit viel von Leasing gesprochen. Die langanhaltende Diskussion über die Problematik des internen Zinsfußes bei gekauften Anlagen und die scharfsinnigen Analysen der Miete/ Kauf-Relation bei den neu angekündigten Zentraleinheiten 138 und 148 haben uns allen den Blick eröffnet auf die eigentliche Alternative des IBM-Anwenders: Es sind, o Wunder, die Produkte der IBM selbst.

Da die IBM, durch die amerikanische Kartell-Gesetzgebung auch international gebunden, eine fest definierte Second-hand-Politik einhält, hat sich ein interessanter Markt für gebrauchte IBM-Rechner herausgebildet. Sei es, daß der Anwender seine bislang gemietete Zentraleinheit unter Anrechnung eines Teils der Mieten kauft und behält, sei es, daß er sie auf der geringeren Preisbasis an eine Leasinggesellschaft verkauft und von dort billiger mietet (Purchase-Lease-Back, das sogenannte Operating-Leasing) oder sie von einem Kreditinstitut im Finanzleasing finanzieren läßt.

138 und 148: Dasselbe in Grün

In USA sind zirka 50 Prozent der IBM-Computer vom Hersteller gekauft; die meisten davon vom Anwender weiterverkauft an die jeweilige Leasing-Gesellschaft, so daß viele Second-hand-Rechner auch geleast sind und sich bereits ein echter Markt entwickelt hat. In der Bundesrepublik beträgt der Anteil an gekauften Anlagen wohl nur wenig über 10 Prozent, hat aber steigende Tendenz. Diese Tendenz hat IBM natürlich erkannt und beginnt ihr Rechnung zu tragen. Ein erster, deutlicher Beweis dafür war die Ankündigung der "Dasselbein-Grün"-Rechner 138 und 148: Der Kaufpreis ist im Verhältnis zur Miete geringer geworden. Das ist nicht nur ein Wettbewerbs-Gag, sondern auch ein deutlicher Hinweis darauf, daß der Anwender die Zeit bis zur Ankündigung eines gänzlich neuen Systems nicht mehr zu lang einschätzen sollte. Bei weiterhin fairer Behandlung der Anwender müßte es also Ende 1980, nach 48 Monaten seit Installation der ersten 138 beziehungsweise 148 soweit sein, und wegen der günstigeren Preise wird niemand der IBM den Vorwurf machen können, er sei wieder einmal überlistet worden.

Neuer VB-Status?

Es steht zu erwarten, daß IBM den Wert der bisherigen 370-Familie als Konkurrenz zu einem "Future System" recht gering einschätzt. Auch aus diesem Grunde sollte der Anwender das Wiederverkaufsrisiko gar nicht erst auf sich nehmen, sondern möglichst billig mieten bei möglichst hoher Flexibilität (Operating-Leasing). Eine weitere Reaktion der IBM auf den wachsenden Gebrauchtcomputer-Markt ist darin zu sehen, daß man IBM-intern die ganze Motivationsstruktur des Vertriebsapparates ändern will.

Wie aus den USA zu erfahren ist , wird bald auch in Europa der IBM-VB nicht mehr, wie es seit Jahrzehnten der Brauch war, für den Verkauf oder die Vermietung eines Rechners seine "Punkte" kassieren, sondern für die "Betreuung" eines bestimmten Hardware-Volumens bei seinen Kunden.

Was verbirgt sich hinter diesem nichtssagenden Satz? Bisher war der VB daran interessiert, den Rechner wenn möglich zu verkaufen. Sobald der Kunde einen Nachfolge-Computer kaufte oder mietete, mußte er sich des alten entledigen. Bei gemieteten Rechnern wurde er an IBM zurück-, bei gekauften Computern an einen anderen Anwender weitergegeben, sei es im Leasing oder Gebraucht-Verkauf. Der für den Nachfolgebenutzer zuständige VB hatte dann keinen Nutzen davon sondern mußte sogar noch die Punkte für den vorher benutzten Rechner wieder abgeben (Rückbelastung), es sei denn, auch dieser Rechner war bereits gekauft und man konnte den Schwarzen Peter einem dritten VB anhängen.

Dressur an der Longe

In den USA, wo die IBM gemeinhin etwas informationsfreudiger ist als bei uns, ist dies gemäß geflüsterter Information bereits beschlossen und verkündet worden. In Zukunft erhält immer derjenige VB die Punkt-Gutschrift, bei dessen Kunden das jeweilige IBM-Gerät installiert wird, und er bekommt eine Rückbelastung, sobald das Gerät durch Rückgabe oder Weiterverkauf wieder verschwindet. Um nicht mit einem Provisionsverlust dazustehen, muß er also den Kunden mit weiterer IBM-Hardware eindecken.

Natürlich sind dies zunächst noch Spekulationen, soweit es Europa betrifft, aber wenn diese neue Motivationsphilosophie eingeführt werden sollte, hätte man damit dem Vorhandensein des Second-hand-Marktes Rechnung getragen und innerhalb der IBM sogar für eine ungehinderte Entwicklung dieses Zweit-Marktes gesorgt, indem zukünftig kein IBM-VB mehr Angst davor haben muß, daß ein Leasing- oder Gebraucht-Rechner bei seinem Kunden installiert wird. Merke: Solange noch ein IBM-Computer beim Kunden arbeitet, kann der Kunde jedenfalls nicht zur Konkurrenz abwandern.

* Ulrich Schröder ist Geschäftsführer der Hamburger ICC Computer & Consulting GmbH sowie der Leasinggesellschaft ICC-Alanthus GmbH, einer Tochter der Alanthus Corporation, USA.