Altertümliche Software-Beschaffung

Wo E-Business noch Zukunft ist

15.07.2008
Der Software-Einkauf in multinationalen Unternehmen läuft völlig intransparent für Einkäufer und Lieferanten. Portale würden das dramatisch verändern.

Kürzlich beschwerte sich der CIO eines globalen Unternehmens bei dem Chef eines ebenso aufgestellten Softwarehauses über die altertümliche Beschaffung von Software. "In fast jeder anderen Industrie unterhalten Kunden und Lieferanten gemeinsame Portale, um den Einkauf zu erleichtern, nur in der IT gibt es so etwas nicht." In solchen Portalen seien die Einkaufsregeln hinterlegt: Art und Menge der Produkte, die bereits bestellt sind und die Produkte, die je nach Berechtigung des jeweiligen Mitarbeiters überhaupt bestellt werden dürfen. Kurz, meinte der CIO weiter, es herrsche Transparenz. Augenzwinkernd nannte er die Automobilindustrie als Beispiel. Wahrscheinlich wohl wissend, dass in solchen Portalen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern der Kunde bis in die kleinste Spezifikation diktiert, was, wann und teilweise sogar zu welchem Preis zu liefern ist.

Doch abgesehen von der Automobilindustrie verständigen sich schon enorm viele Unternehmen auf diese Weise mit ihren Lieferanten über die einzukaufenden Produkte: im Handel etwas, in der Logistik und in der verarbeitenden Industrie. E-Business nennt man das.

Ein Software-Einkaufsportal böte vor allem Unternehmen mit internationalen Niederlassungen große Vorteile, die teilweise selbst Software bei der regionalen Vertretung des Softwareherstellers einkaufen. Die Regeln und Spezifikationen könnten zentral festgelegt werden. So gäbe es keine Abweichung mehr von der eingeschlagenen strategischen Richtung. Außerdem hätten Anbieter und Kunde jederzeit einen Überblick über die getätigten Bestellungen und die tatsächlich installierten Systeme. Das gleiche würde für die Preise gelten. Da die gleiche Software nicht in jedem Land das Gleiche kostet, könnte die Unternehmenszentrale über das Portal steuern, wo zu welchem Preis eingekauft wird, zumindest aber einen international gültigen Preisrahmen festlegen, an den sich alle halten müssten.

Christoph Witte, Herausgeber COMPUTERWOCHE.
Christoph Witte, Herausgeber COMPUTERWOCHE.
Foto: Christoph Witte

Solche Portale bilateral zwischen einem Anbieter und einem Kunden aufzubauen, dürfte keine allzu große Herausforderung darstellen. Wenn das Einkaufsvolumen groß genug ist, lohnt sich das allemal. Wenn das allerdings multilateral aufgebaut werden soll, muss das Anwenderunternehmen hohe Vorleistungen erbringen. So muss die Softwarelandschaft exakt dokumentiert sein, die bestehende, beziehungsweise angestrebte Architektur offengelegt und Einkaufsregeln so festgelegt werden, dass sie für mehrere Lieferanten gelten können. Außerdem müssten Rahmenverträge mit den ins Auge gefassten Anbietern geschlossen werden. Letzteres könnte aber wiederum mit Hilfe des Portals und entsprechender Auktionsmodule sehr transparent abgewickelt werden.

Doch schon ein bilaterales Portal zwischen einem Anbieter mit breitem Portfiolio und einem international tätigen Anwenderunternehmen würde die Softwarebeschaffung viel effektiver machen als sie heute ist.

Der Chef des Softwarehauses hat die Vorteile übrigens sofort verstanden und dem CIO versprochen, sich darum zu kümmern. Wir von der COMPUTERWOCHE sind schon gespannt, wann wir Vollzug melden können. Dann nennen wir auch die Namen der Protagonisten. Aber schon die Idee hat so viel Potenzial, dass wir sie einfach unter die Leute bringen mussten.

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