E-Business/Online-Business zwischen Kunden und Lieferanten

Wo deutsche Firmen feilschen: B-to-B-Marktplätze im Web

28.04.2000
Internet-gestützte Geschäftsprozesse zwischen Firmen sind zurzeit der Renner. Wie über geschlossene und offene elektronische Marktplätze neue Handelsformen entstehen, beschreibt Klaus Manhart*.

Während alle Welt gespannt auf den Erfolg von Online-Shops wie Amazon.com starrt, vollzieht sich die eigentliche Internet-Revolution ganz woanders. Im Business-to-Business-Bereich - den Beziehungen von Firmen und Unternehmen untereinander - krempelt das Internet gerade die Spielregeln um. B-to-B, so die Abkürzung, stellt den Business-to-Consumer-Bereich (B-to-C), den privaten Einkauf per Internet, in seiner Bedeutung weit in den Schatten.

Anders als B-to-C befasst sich B-to-B mit Anwendungen, die helfen, geschäftliche Transaktionen zwischen Betrieben untereinander abzuwickeln. Technisch geht es in erster Linie darum, die Geschäftsprozesse zwischen Herstellern, Zulieferern, Dienstleistern und Handelspartnern zu steuern. Auf diese Weise wollen die beteiligten Unternehmen Geld sparen, indem sie beispielsweise ihre Beschaffungsprozesse weitgehend elektronisch abwickeln.

Dem online organisierten Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Unternehmen scheint die Zukunft zu gehören. Mittlerweile sollen etwa 70 bis 85 Prozent der gesamten Umsätze im E-Commerce auf Business-to-Business-Transaktionen entfallen. Die Unternehmensberatung Forit (http://www.forit.de/seiten/marktstudienneu1.htm) rechnet in fünf Jahren mit einem Umsatzvolumen von jährlich 1,1 Billionen Mark im B-to-B-Bereich. Je geeigneter die Produkte für den Handel über das Internet und je höher die Suchkosten für Einkäufer und Anbieter in den konventionellen Märkten sind, desto schneller werde sich der E-Commerce in einer Branche durchsetzen, prognostiziert Forit. Als Vorreiter gelten IT-/Elektronik-Industrie, Chemiebranche, Energieindustrie, Telekommunikation und die Automobilbranche.

Die Ausrichtung der Unternehmensstrukturen auf den elektronischen Handel wirkt nicht nur rationalisierend und beschleunigend, sie bringt auch neue Formen der Marktkoordination hervor. Mit dem Wachstum von B-to-B wird man weit dynamischere Formen des Handels realisieren. Bestes Beispiel dafür sind E-Commerce-Marktplätze.

Auf solchen Business-to-Business-Foren kommen mehrere Anbieter von Waren oder Dienstleistungen und mehrere Nachfrager nach diesen Produkten zusammen, um Handelstransaktionen abzuwickeln. Die Produkte werden online in die Marktplätze eingestellt und dann den Teilnehmern angeboten. In Expertenkreisen kursiert eine Reihe von Namen für solche Marktplätze im Internet, darunter "virtuelle Märkte", "virtuelle Broker", "Vortexes", "Butterfly Markets", "E-Markets" und "Net Market Makers". Solche Einrichtungen erlauben es Unternehmen, das Internet als Verkaufs- beziehungsweise Einkaufskanal zu nutzen.

Vor allem zwei Szenarien für E-Markets werden derzeit diskutiert. Marktforscher wie das Londoner Institut Ovum sehen die Zukunft von B-to-B in geschlossenen Handelszentren, in die nur ausgewählte Teilnehmer mit Benutzerkennung und Passwort Zutritt haben. Verkaufslösungen (Sell-Side Solutions) setzen Hersteller ein, um eigene Produkte über das Internet zu vertreiben. Kunden - in der Regel gewerbliche Einkäufer - können dann über diese Internet-Seiten Produkte recherchieren und dann zu festen, vorgegebenen Preisen bestellen. Der Vorteil: Informations- und Beschaffungsprozesse lassen sich beschleunigen. Den Verkaufslösungen stehen Einkaufslösungen (Buy-Side Solutions) gegenüber, Beschaffungswerkzeuge großer Unternehmen, die Zubehör und Verbrauchsgüter über eine zentrale Website kaufen.

Den größten Nutzen hat in beiden Fällen der jeweilige Systembetreiber. Es kann bessere Konditionen aushandeln, den Bestellvorgang verkürzen und seine Kosten senken. Der Kunde hingegen, der als Einkäufer oder Zulieferer an geschlossene Handelszentren andocken will, hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile: Er trägt die Kosten für die Installation und Pflege der meist proprietären Lösungen selbst.

Bei vielen der heutigen elektronischen Marktplätze handelt es sich um geschlossene Systeme. Im Telekommunikationsbereich beispielsweise haben Band-X (http://www.band-x.com) und Arbinet (http://www.arbinet.com) geschlossene Handelsportale aufgebaut, auf denen Carrier Telekommunikationskapazität (Bandbreite) und Telekommunikationsdienste kaufen und verkaufen können.

Geschlossene Systeme, in denen Firmen direkt miteinander handeln, bieten durchaus viel versprechende Ansätze. So haben sich im European Network Exchange ENX (http://www.enx.de) 16 Automobilhersteller und Zulieferer zusammengetan. In besonders geschützten Bereichen (closed user groups) stehen ConferencingSysteme für gemeinsame Produktentwicklung, Dateitransfer, Web-Applikationen und der direkte Zugang zu Produkt-, Bestell-, und Finanzinformationen über die Grenzen des einzelnen Unternehmens hinweg zur Verfügung.

In Deutschland kündigte BMW in diesen Tagen den Aufbau eines eigenen geschlossenen B-to-B-Marktplatzes gemeinsam mit dem US-Unternehmen Ariba (http://www.ariba.com) an. Ende Februar vereinbarten Daimler-Chrysler, Ford und General Motors einen gemeinsamen Zulieferermarktplatz. Damit wollen sie bis zu 1000 Dollar pro Fahrzeug an Kosten einsparen.

Doch auch andere Branchen rüsten sich für das B-to-B-Geschäft. Die Bayer AG, Infraserv Hoechst und die Deutsche Telekom planen einen Internet-Marktplatz für die chemische und chemienahe Industrie. Dort will man zunächst mit Hilfs- und Betriebsstoffen wie Laborbedarf, Elektromaterial und Werkzeuge, aber auch mit Anlagenkomponenten samt bautechnischem Bedarf und branchenspezifischen Dienstleistungen handeln. Bayer bringt in die Partnerschaft unter anderem seinen 120000 Positionen umfassenden "Electronic Catalog" ein. Er erlaubt Bestellungen bei 540 Herstellern.

Einen echten ökonomischen Markt mit dynamischer Preisbildung, Transparenz und offenen Handelsbeziehungen schafft diese Form elektronischer Foren nicht. Genau dies bietet die zweite Form der B-to-B-Märkte: Offene Handelsplätze, auf denen eine Vielzahl von Marktteilnehmern zusammenkommen und die prinzipiell jedem offen stehen. Solche E-Märkte stellen ohne Zeitverzögerung Kontakte zwischen einer Vielzahl von Anbietern und Einkäufern, von Produkten und Dienstleistungen her. Diese Unternehmen würden in der realen Welt unter Umständen gar nicht zusammenfinden. Zudem sorgen die Online-Foren in der Regel für eine bislang nicht realisierbare Preisdynamik.

Offene Marktplätze werden normalerweise von neutralen Anbietern betrieben, die lediglich eine Vermittlerfunktion übernehmen. "E-Hubs" ist die treffende Bezeichnung für die Anbieter solcher "Jeder-mit-Jedem-Transaktionen"; sie wurde von den Ökonomen Steven Kaplan und Mehanbir Sawhney vorgeschlagen. Dynamische Geschäftsmodelle mit freier Preisbildung, bei denen Anbieter und Einkäufer den Preis wie in einem Bazar aushandeln, (Buyer-centric) stehen statischen Geschäftsmodellen gegenüber, bei denen der Anbieter den Preis diktiert (Seller-centric). Ein Beispiel für einen statischen Marktplatz sind elektronische Produktkataloge, wie sie etwa "Wer liefert was" anbietet. Hier legt der Anbieter die Preise fest, der Einkäufer kann sich nur informieren und muss die gegebenen Preise akzeptieren.

Online-Auktionen für FirmenTypische Vertreter von dynamischen Marktplätzen sind Online-Auktionen: Der Einkäufer handelt im Wettbewerb mit anderen Interessenten den Preis einer Ware aus. Viele Online-Auktionshäuser richten derzeit spezielle B-to-B-Portale ein. Der B-to-B-Ableger von Ricardo (http://www.ricardobiz.com) erhofft sich durch die Kooperation mit Database for Commerce and Industry (DCI) neue Kunden vor allem aus der IT-Branche.

Atrada (http://www.atrada.com) betreibt seit Mitte März seinen Auftritt für B-to-B-Kunden unter dem Namen "Atradapro" (http://www.atradapro.de). Der Marktplatz bietet über 100000 Produkte aus dem Hard-und Softwarebereich, 45000 Büroartikel und 40000 Technik- und Elektronikprodukte an. Anbieter können wählen, ob sie ihre Waren zum Festpreis, in einer Auktion oder im "Power-Buying"-Verfahren ausschreiben wollen. Bei letzterem können sich mehrere Interessenten zu virtuellen Einkaufsgemeinschaften zusammenschließen.

Eine Besonderheit ist für einkaufende Firmen die Möglichkeit, ihre Waren über Reverse Auctions zu beschaffen, bei der ein Nachfrager festsetzt, welchen Preis er höchstens zahlen würde.

Bereits im Januar meldete der deutsche Ableger des Online-Auktionshauses Ebay die Öffnung seiner kommerziellen Handelsplattform (www.ebaypro.de) für alle SAP-Anwender. Damit können Firmen aus ihrem SAP R/3-System heraus direkt Einkäufe und Verkäufe über Ebay Pro vornehmen. Ende März kündigte SAP selbst die Gründung eines Tochterunternehmens mit dem Namen SAPMarkets an. Dessen Aufgabe besteht in der Entwicklung und dem Ausbau weltweit vernetzter Business-to-Business-Marktplätze im Internet. Im Rahmen des Mysap.com-Konzepts wollen die Walldorfer dabei ein Forum für unternehmensübergreifende Zusammenarbeit von Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und Partnern schaffen.

Mit dem Prinzip von Online-Auktionen verwandt sind auch Ausschreibungen, manchmal als E-Bidding bezeichnet. Wie bei Reverse Auctions stößt der Einkäufer den Prozess an und bleibt Herr des Verfahrens: So betreibt beispielsweise der Elektronikhersteller General Electric eine Website für ausgelaufene Lieferantenverträge. Auch DCI betreibt ein Online-Ausschreibungssystem. Es erlaubt die Spezifikation eines Gesuchs nach Kriterien wie Produktnamen, Stückzahl, Liefertermin oder Zahlungsziel. Die Anfrage wird automatisch allen angeschlossenen Teilnehmern (Hersteller, Distributoren, Lieferanten) zugestellt. Sie können dazu ein bedarfsorientiertes Angebot abgeben.

* Klaus Manhart ist freier Journalist in München.

Abb.: Explodierende Umsätze von B-to-B prognostiziert Deloitte Consulting. Quelle: Deloitte Consulting