Wissenslücken kosten Milliarden

11.07.2005
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Deutsche IT-Verantwortliche räumen zwar ein, weniger in die IT-Weiterbildung zu investieren, bezweifeln aber, dass dies automatisch Fehler in der Projektarbeit nach sich ziehe. Dass die Untersuchung von einem Trainingsinstitut stammt, stimmt viele IT-Chefs skeptisch. Elmar Haag, technischer Leiter bei der Sicherheitsfirma Integralis in Heilbronn: "Natürlich können Implementierungsschäden auftreten, weil IT-Profis nicht ausreichend qualifiziert sind, das ist aber doch fast nie der alleinige Grund. Was ist mit Aspekten wie Nachlässigkeit oder Zeitdruck?". Bei einem unter großem Zeitdruck stehenden Projekt könnten die Mitarbeiter noch so gut geschult sein - dennoch würden fast immer Fehler auftreten. So sei es beispielsweise gerade bei Sicherheitsprojekten wichtig, die vorgegebenen Prozeduren einzuhalten. Tatsächlich geschehe das jedoch nur selten. Als ein Beispiel nennt der Sicherheitsexperte die Freigabeprozedur, die

selbst in großen Unternehmen meist nachlässig behandelt werde.

"Selbstverständlich ist die Qualifizierung der Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung", bestätigt Haag. Allerdings müsse sie praxis- und zeitnah sein - und genau daran hapere es. Zertifikate sagen oft wenig über die tatsächliche Qualifikation eines Kandidaten aus. Haag räumt allerdings ein, dass viele Kunden dies anders sehen und verstärkt nach zertifizierten Sicherheitsexperten fragen. Ganz oben auf der Wunschliste ständen herstellerunabhängige Zeugnisse wie Certified Information Systems Security Professional (CISSP). Wie viele seiner Kollegen hat der Integralis-Manager in den vergangenen Jahren mit Schulungsanbietern auch schlechte Erfahrungen gemacht. Um aus dem Weiterbildungsdilemma herauszukommen, sind seiner Meinung nach viele Gespräche zwischen allen Beteiligten notwendig.

Das sieht Stephan Pfisterer, Bereichsleiter Bildung und Personal beim Bitkom, ähnlich. Seiner Meinung nach wäre es sogar sinnvoll, die gesamte Weiterbildung neu zu gestalten. "Dieser Belohnungstourismus", jeder Mitarbeiter darf mal irgendwo hinfahren, sei weder für die Betroffenen noch für die Unternehmen sehr effektiv. Pfisterer: "Die Weiterbildung sollte in die Projektarbeit integriert werden, wie es viele Firmen bereits praktizieren." Ein Beispiel hierfür sei das neue System der IT-Weiterbildung und die daran angeschlossene Personalzertifizierung nach internationalen Normen. Interessant sei zudem, einzelne Bausteine des E-Learnings in das Bildungskonzept einzubauen. Der Bitkom-Vertreter: "Die zunehmend mobile Arbeitswelt erfordert neue Lernmodelle."

Stephan Pfisterer, Bitkom: "Die zunehmend mobile Arbeitswelt erfordert neue Lernmodelle."
Stephan Pfisterer, Bitkom: "Die zunehmend mobile Arbeitswelt erfordert neue Lernmodelle."
Foto: Stephan Pfisterer

Ob Zertifizierungen allein diesen Anforderungen entsprechen, weiß Pfisterer ebenfalls nicht: "Natürlich zeigen Kunden und Mitarbeiter großes Interesse daran - entscheidend ist aber immer die Umsetzung des Gelernten. Und daran scheint es bei manchen Zertifikaten zu hapern." Den dramatischen Einbruch im Weiterbildungsmarkt sieht Pfisterer mit großer Sorge: "Know-how-Defizite werden gravierende Folgen haben. Wenn Mitarbeiter nicht genügend qualifiziert sind, besteht auf jeden Fall die Gefahr, dass sie vermehrt Fehler machen."