Workflows

Wissensfluss macht produktiver

18.01.2015
Von  und


Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
Seit Jahren bieten IT-Unternehmen vernetzte Arbeitskonzepte für den digitalen Workflow. Doch die Produktivitätsverbesserungen halten sich in Grenzen.

Die Erklärung ist einfach: Unternehmen verstehen nicht, wie ihre Beschäftigten arbeiten. Vernetztes Arbeiten, in der aktuellen Fachsprache gerne als Social Collaboration oder Social Business betitelt, ist in aller Munde. Unternehmen versprechen sich von Social Software eine bessere Zusammenarbeit und einen reibungslosen Wissenstransfer ihrer Mitarbeiter über mehrere Standorte hinweg. Teams und Kunden sollen sich leichter zusammenfinden, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Das erklärte Ziel lautet, durch klugen Austausch die Produktivität zu fördern. Problem nur: Viele ITler verstehen zu wenig von der tatsächlichen Arbeit.

Wissen zu teilen, ist keine Frage der Technik, sondern des Klimas im Unternehmen.
Wissen zu teilen, ist keine Frage der Technik, sondern des Klimas im Unternehmen.
Foto: Sergey Niven, Fotolia.com

Mit einer Social-Media-Plattform allein lässt sich noch keine gelungene Teamarbeit aus dem Hut zaubern. Entscheidend ist es, die Informations- und Wissensvermittlung im Unternehmen zu sehen und zu verstehen. Sie ist das Zünglein an der Waage, damit sich Produktivität durch einen vernetzten Arbeitsstil überhaupt entwickeln kann.

Kann IT Kommunikation abbilden?

Einige Experten sind sogar der Meinung, dass sich das, was in Firmen kommunikativ abläuft, überhaupt nicht in IT abbilden lässt. Einer von ihnen ist Ulrich Klotz, Informatiker und Arbeitswissenschaftler, ehemals beim IG-Metall-Vorstand tätig: "Die meisten Informationssysteme beruhen auf formellen Arbeitsabläufen, nicht aber auf den informellen Verfahren, die zur Erledigung der Arbeit notwendig sind. Damit verschlechtern sie oft die Situation, statt sie zu verbessern."

Ein hartes Urteil, für das es Gründe gibt: In den 90er Jahren diskutierte man in diesem Zusammenhang das Produktivitätsparadox. Immer wieder stellte man fest, dass viele Menschen ganz anders arbeiten, als Planer und Programmierer dachten. Das Grundproblem, dass viele ITler zu wenig von der tatsächlichen Arbeit verstehen, existiert auch heute noch. "Deren Vorstellungen und Modelle sind oft ziemlich naiv", so das kritische Fazit von Klotz.

Was zählt, ist die Tätigkeit

Dass allzu formell angelegte Arbeitsabläufe wenig Wissenstransfer unterstützen, merken viele Firmen spätes-tens dann, wenn die Mitarbeiter auf externe Cloud-Tools wie Dropbox ausweichen: "Mitarbeiter, die von der IT ein zu starres Korsett aus Prozessen und Aufgabenlisten angelegt bekommen, können darin nicht mehr produktiv sein. Da sie ihre Arbeit selbstbestimmt organisieren möchten, suchen sie sich Wege, über die das gelingen kann. Für sie zählt das, was sie leisten, nicht der Ablauf, dem sie gerecht werden müssen", meint Helmut Heptner, Geschäftsführer des Softwareunternehmens Comindware, das über adaptives, flexibles Workflow-Management neue Wege der Arbeitsunterstützung einschlägt.

Wissen ist Macht

"Die Technik kann beispielsweise abbilden, wie in Prozessabläufen formal gearbeitet wird. Wenn man aber genau hinschaut, stellt man schnell fest, dass die Mitarbeiter gar nicht nach diesen formalen Regeln arbeiten. Manche Firmen existieren doch nur noch, weil es Mitarbeiter gibt, die sich nicht immer an Vorschriften und formale Regeln halten", stichelt Arbeitswissenschaftler Klotz.

Diese Aktivitäten jenseits der formalen Regeln zu berücksichtigen und für die Produktivität nutzbar zu machen - genau darin setzten viele Softwareanbieter seit den Anfängen des Web 2.0 große Hoffnungen. Blogs, Communities, die gesamte Klaviatur der sozialen Vernetzung soll das bisher unstrukturierte Wissen aus allen Ecken des Unternehmens einfangen und in den Geschäftsprozessen bereitstellen. So der Plan. Doch in der Realität gehen kollaborative IT-Lösungen und Produktivitätssteigerung durch besseren Wissenstransfer einfach nicht zusammen. Weil sich mit dem Einsatz von Technologie nicht automatisch Wissensarbeit einstellt, wie Klotz betont: "Die IT-basierte Kommunikation scheiterte bisher oft, weil IT-Fachleute leichtgläubig annehmen, dass Wissen wie Wasser sei. Man müsse nur die richtigen Kanäle bauen, damit es überall hinfließen kann." Tatsächlich sei aber das Gegenteil der Fall: "In den meisten Unternehmen wird Wissen nicht bereitwillig weitergegeben, denn sie haben nach wie vor Strukturen, in denen gilt: Wissen ist Macht."

Mit einem Mix aus klassischen Top-down-Strukturen und neuen kollaborativen IT-Konzepten kommt man also in puncto mehr Produktivität durch echten Wissenstransfer nicht vom Fleck. "Wissensarbeiter brauchen eine ganz neue Art der Prozessunterstützung. Die IT kann dabei von zu viel Routine entlasten und für eine hohe Vernetzung sorgen", so Heptner.

Alles andere ist eine Frage der Unternehmenskultur. Arbeiten hier alle Beteiligten über Social Software auf Augenhöhe miteinander und missbrauchen die Technologie nicht für Herrschaftswissen, fließt Wissen richtig und gibt neuen Ideen viel bessere Chancen.

"Solange die Informationstechnik auf ungeeigneten Strukturen aufsetzt, bleibt innovationsfördernder und wertschöpfender Wissensaustausch eine Illusion, und die Unternehmen gehen früher oder später an den Verhaltensweisen zugrunde, die durch die IT nur verstärkt wurden", warnt Klotz.