Wirtschaftsverbände protestieren gegen Verschärfung des Bundesdatenschutzgesetzes

13.02.1976

BONN - Bevor die parlamentarischen Beratungen über ein Bundesdatenschutzgesetz in die Endphase gehen, prallen Meinungen und Interessen noch einmal aufeinander: Der Innenausschuß des Bundestages hat den ersten Durchgang des Regierungsentwurfes noch nicht beendet (die Diskussion um den geplanten Datenschutzbeauftragten konnte bisher aus Zeitmangel nicht abgeschlossen werden), da protestiert die Wirtschaft schon einhellig gegen seine Ergänzungs-Vorschläge zur Regierungsvorlage.

In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren die Spitzenverbände von Industrie, Handel, Handwerk, Banken und Versicherungen die Punkte, die der Innenausschuß nach mühsamen Verhandlungen gegenüber dem Regierungsentwurf ändern will.

Datenschutz zugunsten von Betrügern

Der Innenausschuß möchte auch die Dateien durch das Gesetz geschützt wissen, die bei einem Unternehmen nur für interne Zwecke angelegt werden. Das würde nicht nur die Kreditprüfung bei den Banken erschweren, sondern auch eine "Kostenlawine" für Versandhändler nach sich ziehen, die ihre Kunden - mit geschätzten Kosten von jeweils einer Mark - über die Aufnahme in die Kundenkartei einzeln benachrichtigen müßten.

Wenn - wie vom Innenausschuß gewünscht - die "Übermittlung personenbezogener Daten nur im Rahmen eines Vertrages oder eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen" zulässig wäre, so sehen die Kreditinstitute darin eine Förderung von Wechselreiterei und Kreditbetrug: Die Weitergabe von Informationen über Schwindelfirmen und Scheckbetrüger an andere Firmen, mit denen der Verdächtigte (noch) keine Vertragsbeziehungen unterhält, fiele unter das Datenschutzgesetz.

Publizität nicht per DV

Der Innenausschuß will die Schutzvorschriften auch auf alle jene Daten angewendet wissen, die ohnehin öffentlich zugänglich sind: Das würde dazu führen, daß die Speicherung von Handelsregistereintragungen, Berufsverzeichnissen und sogar die Sammlung bibliografischer Daten (sie enthalten auch Autorenname) jeweils eine Mitteilung erforderlich machen würde - samt Einräumen der Ansprüche auf Auskunfterteilung, Berichtigung, Löschung und Sperrung.

Gegen neue Bürokratie

Abgelehnt wird von den Wirtschaftsverbänden eine neue Datenschutzbürokratie: Der Innenausschuß erwägt eine besondere Aufsichtsbehörde, die über die Einhaltung der Datenschutzvorschriften wachen soll. Befürchtet wird gar, daß die vorgesehenen weitgehenden Kontrollmaßnahmen einen ersten Schritt in Richtung auf die Überwachung der gesamten Geschäftstätigkeit darstellen könnten. Die Verbände vertreten gemeinsam die Ansicht, daß der Zweck des Gesetzes - Schutz der Persönlichkeit oder Privatsphäre - nicht die Einbeziehung geschäftlicher Daten erfordere. Es bestehe kein Bedürfnis, öffentlich zugängliche Daten über Gewerbebetriebe zu schützen.

Das Bundesdatenschutzgesetz, das den Bundestag in erster Lesung im November 1973 passierte, soll nach den derzeitigen Vorstellungen im April 1976 zusammen mit dem Bundesmeldegesetz verabschiedet werden. Von diesem Gesetz und der Einführung des Personenkennzeichens hängt die weitere Automation vieler Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung ab. Die Termine drängen, weil nach der Sommerpause die Bundestagswahl ansteht - andererseits sind aber noch die Stellungnahmen der Bundestagsausschüsse für Recht und für Wirtschaft einzuholen. Außerdem ist ein zweiter Durchgang im Innenausschuß nötig und schließlich die Zustimmung des Haushaltsausschusses, der die möglichen Kosten des Gesetzes abschätzen und bewilligen muß.