Münchner Kreis

Wirtschaft erhöht Druck auf Politik in Sachen Breitbandausbau

08.11.2013
Mit einem deutlichen Appell mahnt die süddeutsche Wirtschaftsorganisation Münchner Kreis e.V. die Politik, den Breitbandausbau schnellstmöglich anzugehen. Auf dem Weg in die "Gigabit-Gesellschaft" seien andere Nationen weit voraus.

Wir leben breitbandpolitisch in einer Übergangszeit von der Megabitwelt zur Gigabitwelt, sagt der Münchner Kreis in einem Positionspapier zum Breitbandausbau. Deutschland müsse sich endlich durchringen, die Weichen dafür zu stellen.

Derzeit sieht die Breitbandstrategie der Bundesregierung auch im Verbund mit den in den aktuellen Koalitionsverhandlungen angedachten Maßnahmen vor, den Deutschen flächendeckend einen Breitbandzugang von mindestens 50 Mbit/s zu ermöglichen. Nach Einschätzung der gemeinnützigen Organisation Münchner Kreis bedarf schon das Erreichen dieses Ziels erheblicher Anstrengungen. Dabei müsse Deutschland den Blick deutlich weiter richten, solle Deutschland im europäischen und globalen digitalen Wettbewerb eine vordere Position einnehmen (Siehe auch aktuelle Studie des TÜV Rheinland zu den Kosten des flächendeckenden Breitbandausbaus).

Im internationalen Vergleich besteht den Analysen zufolge ein signifikanter Aufholbedarf gegenüber den Ländern und Regionen, die den Breitbandausbau schon jetzt ernstnehmen und auf hohem Niveau vorantreiben. Bislang seien hierzulande zwei Festnetz-Infrastrukturen großflächig vorhanden, die Telefon- und die TV-Kabelnetze, wobei letztere etwa zwei Drittel der deutschen Haushalte erreiche. Diese auf Kupferdoppelader und Koaxialkabel basierenden Infrastrukturen unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften: die Zugangsnetze mit Doppelader erreichen auch bei Nutzung zusätzlicher Technologien nicht mehr als etwa 50-100 Mbit/s Übertragungsbandbreite, ein solcher Ausbau ist freilich nicht in allen vom Telefonnetz derzeit versorgten Gebieten möglich, sondern vorwiegend in dicht besiedelten Räumen.

Warum Glasfaser-Vernetzung her muss

Über die Koaxialkabel in Form von Hybrid Fiber Coax (HFC), so der Münchner Kreis, sind aus heutiger Sicht Bitraten bis in den unteren Gigabit-Bereich technisch möglich - als „Shared Medium“. Rund 30 Prozent der Haushalte werden von den Koaxialkabelnetzen derzeit nicht erreicht. Glasfaserkabel haben demgegenüber Kapazitäten bis weit in den hohen Gigabit-Bereich. Glasfaseranschlüsse beim Endnutzer gibt es in Deutschland aber nur geringer Zahl (weniger als ein Prozent der Haushalte). Bei der flächendeckenden Breitbandversorgung spielt auch die drahtlose Anbindung aller Regionen, insbesondere auch der schwer erreichbaren Randgebiete, eine wichtige ergänzende Rolle. Dabei müssen die Funkstationen mit weit in die Fläche reichenden Breitbandverbindungen, vorzugsweise Glasfaser, angebunden werden.

Damit Deutschland seine Position als führendes Industrieland im weltweiten Wettbewerb halten könne, sei ein schneller Übergang zu den Netzen der nächsten Generation „unausweichlich“. Nur möglichst schnelle, durchgängige und flächendeckend verfügbare Gigabit-Anschlüsse bis in die Häuser könnten den künftigen Anforderungen an einen ultraschnellen Netzzugang gerecht werden.

Wie dann die Vernetzung, auch innerhalb der Gebäude, realisiert wird – Koaxialkabel, drahtlos oder Glasfaser – hänge von den jeweiligen örtlichen Bedingungen ab. Der Münchner Kreis warnt: „Die Zeit drängt. Andere Industrieländer sind uns beim Glasfaserausbau schon weit voraus. Selbst in den deutschen Ballungszentren ist der Glasfaserausbau kein Selbstläufer. Im ländlichen Raum ist derzeit noch überhaupt nicht absehbar, wie der notwendige flächendeckende Ausbau von Hoch- und Höchstgeschwindigkeitsnetzen gelingen kann.“
Unzureichende Übertragungsgeschwindigkeiten, lange Reaktionszeiten und mangelnde Verfügbarkeit schaffen Hürden für deutsche Unternehmen und Selbständige im Bereich von breitbandigen Anwendungen, Innovationen und Applikationen. Damit erwachsen für den Standort Deutschland schon heute wirtschaftspolitische Nachteile. Modellrechnungen zeigten, dass sich flächendeckende Glasfasernetze bereits mit einem dadurch induzierten Produktivitätswachstum von einem bis zwei Prozent in den Sektoren Transport, Energie, Gesundheit und Bildung rechnen. „Hochleistungs-Breitbandanschlüsse auf der letzten Meile sind daher die wichtigste Infrastrukturaufgabe der Gegenwart.“

Feststellungen und Forderungen

Laut Münchner Kreis sind zu diesem Thema „genügend fundierte Studien und Statistiken, Daten und Fakten“ öffentlich verfügbar. Deswegen beschränkt sich das vorliegende Positionspapier auf fünf Feststellungen und Forderungen zum Ausbau ultraschneller Anschlüsse.

  1. Richtige Infrastrukturentscheidungen lösten gewaltige Entwicklungen aus. Der Sprung von der einfachen Telefon- und Internetwelt zur Gigabitgesellschaft sei essenziell für die Zukunft Deutschlands. Flächendeckend verfügbare ultraschnelle Breitbandnetze seien eine unverzichtbare Voraussetzung für die gesellschaftliche Weiterentwicklung und den künftigen Erfolg unseres Landes. Diese Forderung zielt insbesondere auf jene etwa 30 bis 50 Prozent der Haushalte (insbesondere außerhalb der Ballungszentren), die derzeit nicht an Hochleistungs-Breitbandanschlüsse anschließbar sind.

  2. Neue Anwendungen und Dienste entstehen und verbreiten sich nur auf Hochgeschwindigkeitsnetzen oder überhaupt nicht. In Netzindustrien, so die Münchner Organisation, schaffe das Angebot die Nachfrage. Bandbreitentreiber sind demnach standortfeste und mobile Nutzungen von Big Data, Cloud Computing, Datenaustausch, Digitaler Bildung, eCommerce, eEntertainment, eGovernment, eHealth, eMobility, Industrie 4.0, Intelligenten Netzen, vom Internet der Dinge, Online Gaming, Smart Energy, Sozialen Netzwerken, Teleheimarbeit, UHD-Video, Videokonferenzen und weiteren Anwendungen. Deren Anforderungen an Übertragungsgeschwindigkeit und Reaktionszeit erfüllen in nachhaltiger Weise nur Netze der nächsten Generation, bevorzugt auf Glasfaserbasis, die zugleich auch die erforderliche breite Nutzerbasis schaffen. Der Ausbau solcher Hochgeschwindigkeitsnetze – wo marktgetrieben möglich – gehe zwar gut voran, bei reinen Glasfaseranschlüssen zähle Deutschland allerdings zu den Schlusslichtern.

  3. Breitbandige Mobilfunknetze müssen den Ausführungen zufolge kleinzelliger werden, um dem rapide steigenden Datenverkehr in akzeptabler Qualität gerecht zu werden; sie benötigen in der Regel an jeder Basisstation einen Glasfaseranschluss, um das hohe Datenverkehrsaufkommen zu bewältigen.

  4. Der Infrastrukturwettbewerb erziele bei der Erschließung von dicht bevölkerten Gebieten gute Ergebnisse. Jenseits der Verdichtungsgebiete, insbesondere im ländlichen Raum und bei hohen und höchsten Zugangsbandbreiten könne er diese Versorgungsleistung nicht erbringen. Für einen flächendeckenden Zugang zur Gigabit-Gesellschaft stehe der Staat in der Verantwortung!

  5. Eine auf die Gigabit-Gesellschaft optimierte Netzinfrastruktur ist der Organisation zufolge im öffentlichen Interesse. „Wir fordern daher den Bund als die für die Telekommunikation zuständige Körperschaft auf, gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen Masterplan für die Infrastruktur der Gigabit-Gesellschaft vorzulegen.“ Dieser Masterplan sollte die kurz-, mittel- und langfristigen Ausbauziele festlegen, die denkbaren Handlungsoptionen diskutieren, die jeweils hierfür geeigneten Instrumente vorstellen und dabei die vorhandenen Infrastrukturen berücksichtigen. Der Universaldienst ist dazu jedoch kein geeignetes Instrument. Bei der Gelegenheit sollte untersucht werden, welche Änderungen gegebenenfalls in den rechtlichen Rahmenbedingungen (EU-Rechtsrahmen, Telekommunikationsgesetz, Planungs- und Baurecht, Gemeindeordnung, Kartell- und Wettbewerbsrecht u.a.) erforderlich sind. Der Auf- und Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandinfrastrukturen bis zum Endkunden, also der Übergang zur Gigabitgesellschaft, ist für ein hochentwickeltes Industrieland wie Deutschland vom Umfang her finanzierbar und genauso wichtig wie intakte Straßen-, Schienen- oder Energieinfrastrukturen. (hv)