Anbieter von Funknetzen bisher erfolglos

Wireless-LANs: Die Publicity ist weit größer als die Akzeptanz

14.08.1992

FRAMINGHAM/MÜNCHEN (IDG/gh) - Drahtlose Übertragungstechniken werden im Bereich lokaler Netze bis auf weiteres nicht über den Status eines Nischenproduktes hinauskommen. Mancherorts mit viel Vorschußloorbeeren bedacht, hinken Wireless-LANs nach jetzt in den USA veröffentlichten Verkaufszahlen in puncto Marktanteil den Erwartungen deutlich hinterher. Zurückhaltung heißt denn auch nach wie vor die Devise führender Networking-Companies bei der Integration entsprechender Features.

Oft schon als Realität gewordener Traum mobiler Anwender apostrophiert, hat die drahtlose Kommunikation bisher nicht die erwartete Faszination auf die Anwender ausgeübt - erst recht nicht, wenn es um den Verzicht auf konventionelle LAN-Verkabelungsstrukturen geht. So lautet das nüchterne Fazit des amerikanischen Marktforschungs-Institutes Datacomm Research in der jüngst erschienenen Studie "Wireless Industry Prospectus". Dem Bericht der Marktforscher zufolge kann das Geschäft mit drahtlosen Netzen derzeit schlichtweg als "miserabel" bezeichnet werden.

So lag der Umsatz der weltweit rund 60 Firmen, die drahtlose LAN-Komponenten mit geringen Reichweiten anbieten, im vergangenen Jahr bei weniger als 25 Millionen Dollar. Diese niederschmetternde Bilanz decke sich, so die Experten, mit den Ergebnissen entsprechender Befragungen von Endanwendern, in denen ganz klar zum Ausdruck komme, daß der "Ersatz herkömmlicher Inhouse-Verkabelungen durch Datenübertragung per Funk eine Illusion darstellt".

Anders als etwa bei drahtlosen Modems mit Radiofrequenz-Übertragungsmöglichkeiten seien daher die Marktaussichten gegenüber dem traditionellen Kabelgeschäft oder in Form sogenannter "Wireless-Sub-LANs" mehr als düster. Der Schlüssel zum Erfolg drahtloser Netze liege, so die Datacomm-Experten wenn überhaupt "bei den Applikationen und nicht bei einer transparenten Ethernet- oder Token-Ring-Abbildung". Die wenigen, sich aufdrängenden Vorzüge der drahtlosen Datenübertragung im LAN - beispielsweise in puncto Flexibilität - stünden in keiner Relation zu der geringeren Übertragungsgeschwindigkeit und den höheren Kosten im Vergleich zu konventionellen Netzen.

Ungeachtet dessen rühren die führenden Wireless-Anbieter wie Motorola und Windata - zuletzt auf der Frühjahrs-Interop '92 - stärker denn je die Werbetrommel, auch wenn man dort keinerlei Erfolgsbilanzen vorweisen kann. Nicht ohne Grund hatte beispielsweise die kalifornische Netzwerk-Company 3Com Anfang des Jahres bei der Übernahme von Bicc Data Networks (vgl. CW Nr. 7 vom 14. Februar 1992, Seite 24: "Kauf von Bicc rundet 3Coms Hub-Strategie ab") auf die Kabel-Division der Briten und damit auch auf die Vermarktung des drahtlosen "Infralan"-Systems verzichtet, weil man, wie Franz Fichtner, Geschäftsführer der deutschen 3Com GmbH, gegenüber der COMPUTERWOCHE erklärte, "in diesem Geschäft keinerlei Perspektive sah".

Mit Infralan müssen sich nun die Marketiers von Bicc Cable beschäftigen, die als traditionelle Netzhardware-Lieferanten und Kabelanbieter nach Angaben von Roland Hennebach, Geschäftsführer der Bicc Deutschland GmbH, nach der Auflösung von Bicc Data Networks mit dem Vertrieb des Systems ihrer ehemaligen Tochtergesellschaft betraut wurden und sich aufgrund der miteinander konkurrierenden Produktschienen in einer Art "Zwickmühlen-Situation" sehen. Schlaflose Nächte allerdings dürften die Bicc-Verantwortlichen bisher nicht gehabt haben, denn außer ein paar Pilotinstallationen konnte Hennebach zufolge mit dem Infralan-System bisher "kein Umsatz realisiert werden".

Skepsis gegenüber dem Wireless-Business herrscht auch bei den meisten anderen namhaften Networking-Firmen vor. Lediglich Ungermann-Bass und Cabletron-Systems haben sich bisher in für sie neue Marktsegmente vorgewagt; jedoch nicht in Form von Abkommen zum Technologieaustausch mit dem Ziel einer Integration der Datenübertragung per Funk in ihre jeweiligen Hub-Umgebungen, sondern lediglich durch begrenzte Reseller-Verträge mit Herstellern drahtloser LAN-Produkte. So vertreibt beispielsweise Ungermann-Bass seit einiger Zeit das drahtlose Ethernet-LAN "Altair Plus" von Motorola.

Drahtlos nicht um jeden Preis, sondern bei Applikationen, wo es Sinn macht - darin sind sich die Branchengrößen im Networking mit den Marktforschern von Datacomm einig. Unter dem Begriff "Portable Data Access" beschreiben sie daher ein Marktsegment, auf das sich die Anbieter drahtloser LAN-Kommunikation ihrer Ansicht nach verstärkt konzentrieren sollten: Datenübertragungsmöglichkeiten von portablen Komponenten wie Notebooks und Laptops in unternehmensweite Netze ohne Zuhilfenahme physikalischer Verbindungen.

Als Alternative zu einem herkömmlichen Ethernet- oder Token-Ring-LAN sei die drahtlose Übertragungstechnik, so etwa die Auffassung beim Access-One-Hersteller Ungermann-Bass, allenfalls bedingt einsetzbar, etwa zur zeitlich und räumlich begrenzten Überbrückung defekter physikalischer Links oder in Gebäuden, wo aufgrund baulicher Erwägungen das Verlegen entsprechender Infrastrukturen nicht möglich ist.