Wird die Gesundheitskarte teurer als geplant?

28.11.2006
Die hohen Kosten werden sich einer Studie zufolge nur langsam amortisieren.

Einer Kosten-Nutzen-Analyse der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton zufolge wird sich die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte erst in etwa zehn Jahren rechnen. Bis dahin übersteigen die Kosten bei weitem den Nutzen. Die Berater machen folgende Rechnung auf: Die Gesamtkosten belaufen sich für den Aufbau der Telematik-Infrastruktur (TI) auf zirka 2,8 Milliarden Euro. In dieser Berechnung sind die Kosten für die Verteilung der Gesundheitskarten an die Bürger allerdings nicht berücksichtigt. Diese belaufen sich auf zusätzlich etwa 585 Millionen Euro.

Die größten Kostentreiber der Telematik-Infrastruktur seien das Primärsystem, die Gesundheitskarte und die Konnektoren, die in Arztpraxen und Apotheken die Verbindung zwischen Karteneingabegerät und Infrastruktur aufbauen. Das Primärsystem schlägt mit zirka einer Milliarde Euro zu Buche. Die Gesundheitskarte selbst verursacht Kosten in Höhe von rund 650 Millionen Euro. Da aufgrund der vorliegenden Projektspezifikation der Sicherheitsanforderungen davon ausgegangen wird, dass alle ungefähr 80 Millionen Karten nach vier Jahren ausgetauscht werden müssen, rechnet Booz Allen Hamilton mit weiteren Ausgaben von 348 Millionen Euro. Die Konnektoren kosten etwa 400 Millionen Euro.

Alle Anwendungen sind defizitär

Die Berater kommem in ihrer Fünf-Jahres Betrachtung zu dem Ergebnis: "Sämtliche Anwendungen sind defizitär". Nach den Berechnungen werden die Kosten den Nutzen der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in den ersten fünf Jahren um 818 Millionen Euro übersteigen.

Allerdings wendet sich das Blatt bei der Zehn-Jahres-Langfristbetrachtung. Dann werde deutlich, dass erst "zwischen Jahr acht und neun" die Kosten-Nutzen-Rechnung ins Positive schwenkt. Der Nutzen könne dann die Kosten um rund 500 Millionen Euro überschreiten.

Allerdings schränken die Autoren diese Aussage wieder ein: Eine positive Wendung von Aufwand und Nutzen für die Langfristbetrachtung sei vor allem dann zu erreichen, wenn man die Effekte von Anwendungen einrechnet, die bislang nicht verbindlich eingeführt werden müssen - etwa wegen Vorgaben aus dem Europarecht.

Zu den so genannten "verpflichtenden Anwendungen" gehören die Versichertenstammdaten, die europäische Krankenversichertenkarte "Ehic" sowie die Anwendung "eVerordnung". Sie alle müssen innerhalb eines Jahres eingeführt sein.

Anders verhält es sich mit freiwilligen Anwendungen: Hierzu zählen etwa die Speicherung von Notfalldaten und Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapie-Sicherheit, die Anwendungen "eArztbrief", "ePatientenakte", "Patientenquittung" sowie "Patientenfach". Alle sollten erst in einigen Jahren auf der Karte gespeichert werden. Den Autoren zufolge resultiert der Hauptnutzen aus der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der hierfür nötigen IT-Infrastruktur aus den freiwilligen Anwendungen. Das Problem dabei: "Sie sind derzeit entweder noch gar nicht oder nur ungenügend spezifiziert." (jm)