Ralph Haupter im Exklusiv-Interview

"Wir wollen Windows neu erfinden"

11.01.2012
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Der schwierige Mobilfunkmarkt, Metro-Design und Entwicklerakzeptanz

Ihre Euphorie passt aber nicht recht zu den derzeitigen Marktzahlen.

Haupter: Wir wussten, dass der Markt kein einfacher sein würde. Wir sind auch vor zwölf Monaten relativ spät gestartet. Aber jetzt haben wir ein ziemlich perfektes Portfolio. Was sind denn die Alternativen? Kunden haben drei Optionen zur Auswahl: Es gibt den Closed Shop, also das iPhone. Dann haben Sie das andere Extrem: Jeder macht was er will - mit Android. Die Nachteile sind bekannt, Sie haben beispielsweise keine Synchronisierung der Betriebssystem-Releases über verschiedene Gerätetypen hinweg. Wir haben versucht, uns in die goldene Mitte zu setzen: klare Designprinzipien für die Hardware, ein standardisiertes Betriebssystem und jede Menge zukunftsfähige Funktionen.

Wie sieht es mit der Akzeptanz seitens der Entwickler aus? Es gibt nur ganz wenige Apps, die derzeit den neuen Metro-Designprinzipien folgen. Nicht einmal die Telekom unterstützt es. Sie entwickelt cross-platform, und die Apps sehen auf iPhone und Windows Phone gleich aus.

Haupter: Fakt ist, dass der Marktplatz und die Applikationen, die wir momentan haben, die Besten ihrer Klasse sind. Die Anzahl der Applikationen, die von einem User durchschnittlich heruntergeladen werden, liegt bei zwölf. Wenn Sie sich alle anderen Marktplätze ansehen, dann liegt das Mittel bei unter sechs. Das Angebot scheint also ganz gut zu sein.

Dann haben wir uns viel Mühe bei der Qualitätssicherung gegeben. Keine Spam-Apps, dafür haben wir sogar einen Testsieger-Award bekommen. Die Nutzer sind zufrieden mit der Qualität in unserem Marketplace.

Was das Metro-Design angeht, gebe ich ihnen recht. Vielleicht war, bevor wir auf der Build Windows 8 angekündigt haben, nicht wirklich klar, wie zukunftsweisend diese Optik für uns ist. Wir machen erst jetzt mit Windows Phone 7.5 die Metro-Design-Kriterien auch für Apps zum zentralen Thema. Jetzt werden zum Beispiel unter eine Metro-Design-Kachel Applikationen konsolidiert. Der Effekt setzt sich durch. Sobald die Community sieht, wie wir auf dem Windows-8-Marketplace das Metro-Design etabliert haben, wird es eine Rückkopplung auf das Phone-Geschäft geben. Dieser Markt wird spannend bleiben, wir sind äußerst optimistisch.

Nochmal zu den Entwicklern: Bei Windows 8 sieht der neue Startbildschirm ganz anders aus als früher. Er muss auch von den Entwicklern anders bedient werden. Im Prinzip muss mit Web-Techniken programmiert werden. Hat das keinen Aufschrei gegeben?

Haupter: Auf der Build ist es uns ganz gut gelungen, den Entwicklern zu zeigen, wie bestehende Windows-7-Applikationen auf Windows 8 transferiert werden können. Das betrifft das Entwicklungs-Kit und die APIs, die gebaut werden müssen, um das Metro-Design zu unterstützen. Wir haben uns aus perspektivischen Gründen zur Webtechnik bekannt. Es geht uns darum, Offenheit zu zeigen und Standardfunktionalität wie HTML 5 zu nutzen.

Unsere Partner sehen die Innovation. Wir entwickeln plötzlich einen relativ einfachen, standardisierten Marketplace für Windows-8-Applikationen, auf die Entwickler ihre Apps hochladen können. Auf der Build war sehr gut zu sehen, wie einfach Applikationen hochgeladen und kommerzialisiert werden können.

Vor zwölf Monaten war Windows Phone 7 gegenüber iOS und Android funktional ein Leichtgewicht. Wäre es nicht schlauer gewesen, zuerst ein Business-optimiertes Gerät für Ihre Geschäftskunden auf den Markt zu bringen? Immerhin hatten Sie dafür exzellente Startchancen, da fast jedes Unternehmen ein Windows-Shop ist.

Haupter: Lassen Sie mich dazu etwas weiter ausholen. 2006 hat Ray Ozzie ein Memo veröffentlicht, Stichwort: IT als Service. Darin wurden zwei Wellen beschrieben, mit denen wir heute zu tun haben. Die erste: Wir müssen IT als Service anbieten. Daraufhin haben wir unser gesamtes Portfolio überarbeitet, damit wir unsere Software sowohl als Produkt als auch als Service anbieten konnten. Und heute kann man unser gesamtes Produktportfolio entweder als lokal installierte Software, als Service aus der Cloud oder als Mischung aus beiden Welten, eine sogenannten hybride Lösung nutzen. Damit sind wir einzigartig am Markt, und zwar in allen Kategorien: Software, Infrastructure und Platform as a Service.

Die zweite Welle betrifft die Veränderung der Technologie am Arbeitsplatz und im täglichen Leben: Consumerization of IT ist das Stichwort. Einflussfaktoren sind Flatrates, die hohe Abdeckung der WLAN-Infrastrukturen, größere CPU- und Batterieleistungen sowie eine Vielfalt von Devices. Dazu ist und war es wichtig, ein Smartphone am Markt zu haben, das diese Services bedienen kann und dabei eine 100prozentige Integration in unsere Client-Welt bietet. Kern ist eine einheitliche Plattform und Infrastruktur am Endgerät.