Freiberuflerverband

„Wir wollen den Druck auf den Gesetzgeber aufrechterhalten“

19.04.2017
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Der VGSD vertritt Selbständige branchenübergreifen und hat viele Mitglieder aus der IT-Branche. Über die Ziele des Freiberuflerverbandes, die Probleme der Scheinselbständigkeit sowie der Arbeitnehmerüberlassung spricht die Computerwoche mit dem Initiator und Vorstandsvorsitzenden des VGSD, Andreas Lutz.

Der VGSD (Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland) vertritt die Selbständigen branchenübergreifend, unter den Mitgliedern sind aber besonders viele IT-Selbständige. Wie kommt das?

Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender VGSD, 16:9
Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender VGSD, 16:9
Foto: VGSD e.V.

ANDREAS LUTZ: Wir haben bereits im Frühjahr 2014 als erster Verband auf die Verunsicherung von Auftraggebern durch das Thema Scheinselbständigkeit hingewiesen, nachdem Mitglieder das Thema bei Regionaltreffen mehrfach angesprochen hatten. Wir haben über alle Aspekte des Themas informiert, eine Arbeitsgruppe gegründet, mehrere bundesweite Vortragsreihen organisiert, Aktionen für mehr Rechtssicherheit gestartet. So wurden viele IT-Selbständige auf uns aufmerksam.

Was für Aktionen haben Sie initiiert?

ANDREAS LUTZ: Wir haben mit "UserVoice" Vorschläge für Positivkriterien gesammelt, bei deren Vorliegen eine Scheinselbständigkeit ausgeschlossen werden sollte. Mit "Deskmag" haben wir eine Befragung unter Selbständigen mit 3.500 Teilnehmern durchgeführt, um Transparenz zu schaffen. Das von uns entwickelte Positionspapier wurde Grundlage der Petition "Rechtssicherheit für Selbständige und ihre Auftraggeber". Sie wurde mehr als 20.000 mal mitgezeichnet, bevor wir sie im Mai 2016 an Staatssekretärin Fahimi übergeben haben. Wir waren ein maßgeblicher Unterstützer der Aktion "Experten-arbeit-retten.de", in deren Rahmen zehntausende E-Mails und Briefe an Abgeordnete gesendet wurden. Wir haben mit zahlreichen Bundestagsabgeordneten und im Rahmen eines Kamingesprächs mit anderen Verbänden auch direkt mit Arbeitsministerin Nahles gesprochen.

Mit welchem Erfolg?

ANDREAS LUTZ: Im Entwurf des Werkvertragsgesetzes ("Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze") war ursprünglich ein Negativkriterienkatalog enthalten, der die extrem einseitige Entscheidungspraxis der Deutschen Rentenversicherung bei Statusfeststellungsverfahren gesetzlich festschreiben sollte. Er hätte eine selbständige Tätigkeit in vielen Bereichen unmöglich gemacht. Dies konnte verhindert werden. Zudem gab es im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales von Seiten von Union und SPD eine gemeinsame Klarstellung, dass das Funktionieren der Projektbranche nicht durch das neue Gesetz gefährdet werden darf und dass die bei Projekten typische Tätigkeit vor Ort nicht als Scheinselbständigkeit ausgelegt werden darf.

Bringt diese Klarstellung nun mehr Sicherheit?

ANDREAS LUTZ: Sie ist kein Freifahrtschein, aber dürfte bei künftigen Entscheidungen von Gerichten eine erhebliche Rolle spielen, denn sie macht die Intention der Regierungsfraktionen deutlich und wird wohl Einzug in einschlägige juristische Kommentare finden. Die Auftraggeber sollten das Gesetz nicht "in vorauseilendem Gehorsam" strenger auslegen, als es intendiert ist, sonst vergrößert sich der Schaden.

Arbeitnehmerüberlassung

Viele Auftraggeber setzen auf Arbeitnehmerüberlassung. Wie bewerten Sie das?

ANDREAS LUTZ: Eigentlich wollte Ministerin Nahles Leiharbeit einschränken, statt dessen wird aufgrund der von ihr geschaffenen Rechtsunsicherheit bisher fair bezahlte Selbständigkeit in schlechter bezahlte Leiharbeit umgewandelt. Ein Großteil der Selbständigen und gerade die besonders qualifizierten werden das nicht mitmachen, eher ins Ausland gehen. Das Gesetz führt zu großem Schaden für die Wirtschaft.

Wie sollten sich Auftraggeber verhalten?

ANDREAS LUTZ: Wir haben mit den führenden Rechtsanwälten zu diesem Thema "Experten-Telkos" organisiert. Das Fazit: Die Merkmale der selbständigen Tätigkeit sollten schon im Vertrag betont und im Arbeitsalltag so auch gelebt werden - beide Seiten sollten darauf achten. Dies sollte auch dokumentiert werden, dann ist man auch für den Fall einer gerichtlichen Überprüfung gut gewappnet. Auf ein Statusfeststellungsverfahren bei der DRV sollte man verzichten. Anders als vor Gericht fehlt dort sehr oft die eigentlich vorgeschriebene Gesamtschau der Kriterien.

Wie geht es weiter? Welche Ziele verfolgen Sie?

ANDREAS LUTZ: Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode eine Revision des Gesetzes erreichen, die allen Branchen Rechtssicherheit gibt. Wenn schon vor Inkrafttreten Ausnahmeregeln für bestimmte Berufsgruppe, unlängst etwa für Notärzte, beschlossen werden, wenn selbst staatliche Stellen nicht in der Lage sind, sich gesetzeskonform zu verhalten, wenn Aufträge ins Ausland gehen, weil das in Deutschland nicht mehr rechtssicher möglich ist, dann läuft etwas schief. Vor einigen Wochen haben wir uns mit 20 anderen Verbänden zur "Bundesarbeitsgemeinschaft Selbständigenverbände" zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen wir den Druck auf den Gesetzgeber aufrechterhalten.

Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGSD)…

…mit Sitz in München vertritt die Interessen von Freiberuflern, Soloselbstständigen und kleinen Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern. Die größten Berufsgruppen sind dabei IT-Selbständige und Unternehmensberater. Die wichtigsten Themen sind Scheinselbständigkeit, Altersvorsorge- versus Rentenversicherungspflicht, Krankenversicherungsbeiträge, Bürokratie und Zwangsabgaben sowie Gründungsförderung. Entstanden ist der Verband 2012 aus einer erfolgreichen Bundestagspetition mit über 80.000 Mitzeichnern. Aktuell zählt der VGSD 2200 zahlende Vereins- und 8500 Communitymitglieder.