Fujitsu-Chef Jürgen Walter im Interview

"Wir werden nicht als Service-Company wahrgenommen"

17.07.2013
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Fujitsu Technology Solutions strebt in Deutschland einen umfangreichen Personalabbau und eine inhaltlichen Neuausrichtung an. Central-Europe-Chef Jürgen Walter erläutert die Vorhaben im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann.

CW: Anfang des Jahres hat Fujitsu angekündigt, weltweit rund 5500 Stellen zu streichen. Bislang waren die Auswirkungen auf die deutsche Belegschaft unklar. Können Sie schon Details zum Restrukturierungsprogramm nennen?

Jürgen Walter, Fujitsu: "Wir hatten schon vor eineinhalb Jahren angekündigt, dass die Verwaltungskosten in der Region zu hoch sind."
Jürgen Walter, Fujitsu: "Wir hatten schon vor eineinhalb Jahren angekündigt, dass die Verwaltungskosten in der Region zu hoch sind."
Foto: Fujitsu

Walter: Unser Transformations-Programm hat zwei Dimensionen: Den leider notwendigen Mitarbeiter-Abbau haben wir im Februar angekündigt. Der Prozess ist konstruktiv verlaufen, so dass wir Anfang Mai den Interessensausgleich mit den Arbeitnehmervertretern unterzeichnen konnten. Derzeit beschäftigen wir uns mit der Umsetzung, beispielsweise mit der Einrichtung der Qualifizierungsgesellschaft. In anderen Ländern ist der Prozess weiter fortgeschritten, zum Teil konnten wir die Reduktion bereits im März abschließen. Je nach gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es hier unterschiedliche Geschwindigkeiten.

Die zweite Dimension betrifft die inhaltlich wichtigere strategische Entwicklung der Company. Wir werden unsere extrem gute Produkt- und Technologiebasis nutzen, um uns noch stärker in Richtung Lösungen und Services zu entwickeln. Fujitsu ist weltweit die Nummer drei im IT-Service-Markt und in den meisten Ländern werden wir auch als IT-Service-Company wahrgenommen. Das ist in Deutschland anders, obwohl wir beispielsweise für große DAX-Unternehmen die Data-Center betreiben. Hierzulande gilt Fujitsu zumeist als Produkt- und Technik-Unternehmen, das PCs, Server und Storage fertigt und vertreibt. Wir werden klar machen, dass wir mehr können.

Jürgen Walter im Porträt

Anfang April 2013 hat Jürgen Walter den Vorsitz der Geschäftsführung in Deutschland und die Verantwortung für die Region Zentraleuropa (Deutschland, Österreich und die Schweiz) übernommen. Zuvor war als Chief Corporate Development Officer für die Strategie und die Weiterentwicklung des Herstellers verantwortlich. In dieser Position hat er bereits maßgeblich an der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens in Deutschland mitgewirkt.

Walter ist weiterhin Mitglied des Fujitsu Executive Teams, das die Region CEMEA&I (Kontinentaleuropa, Naher Osten, Afrika und Indien) verantwortet. Vor seinem Wechsel zu Fujitsu Anfang 2012 hatte Walter über zehn Jahre führende Positionen bei Nokia Siemens Networks, unter anderem als Mitglied des Executive Boards, und Siemens Communications inne.

Walters Vorgänger, der vorherige Deutschland-Chef Marcel Schneider, hat das Unternehmen nach der CeBIT 2013 verlassen. Er war nur wenige Monate im Amt. Erst im Oktober 2012 hatte CEO Rolf Schwirz den Chef-Posten bei Fujitsu geräumt und anschließend den Vorstandsvorsitz bei Kontron übernommen.

Alle Geschäftsbereiche sind betroffen

CW: Wie viele Mitarbeiter sind von den Abbauplänen in Deutschland betroffen?

Walter: Wir verfolgen in unserer Region das Ziel, die Kosten pro Jahr um 150 Millionen Euro zu reduzieren. Das lässt sich nicht allein durch Personalabbau erzielen. Wir haben parallel dazu viele weitere Aktivitäten gestartet, um die Kosten zu senken. Zahlen auf Länderebene veröffentlichen wir grundsätzlich nicht.

Jürgen Walter, Fujitsu: Verstärkter Einsatz von Offshoring-Kapazitäten.
Jürgen Walter, Fujitsu: Verstärkter Einsatz von Offshoring-Kapazitäten.
Foto: Fujitsu

CW: In welchen Geschäftsbereichen wird gestrichen?

Walter: Wir haben keinen ausgenommen. Es gibt Maßnahmen in der Entwicklung, in der Fertigung, im Service-Delivery und im Sales. Der Schwerpunkt liegt aber auf den Overhead-Funktionen. Das kommt nicht überraschend. Wir hatten schon vor eineinhalb Jahren angekündigt, dass die Verwaltungskosten in der Region zu hoch sind.

CW: Forschung und Entwicklung, sowie Services-Delivery - das sind alles Bereiche, die eigentlich für die künftige Ausrichtung des Unternehmens wichtig sind. Warum wurde dort gestrichen?

Walter: Wir müssen permanent unsere Kostenposition und Wettbewerbsfähigkeit verbessern. In der Entwicklung werden wir die Leistungsfähigkeit trotz der angekündigten Maßnahmen nicht reduzieren. Wir werden die Arbeiten durch das Offshoring von Leistungen ergänzen. Durch eine Mischkalkulation bei den Stundensätzen können wir unsere Entwicklungskapazität bei reduzierten Kosten erhöhen. Das gleiche gilt für das Service-Delivery. Wir achten streng darauf, nicht die für unsere Zukunft wichtigen Segmente zu schwächen. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Personalmaßnahmen auf den Overhead-Kosten, die keine Wirkung auf das Kundengeschäft haben.

Der Markt ist wettbewerbsintensiv, daher musste was geschehen

CW: Wie ist angesichts der Einschnitte die Stimmung in der Belegschaft?

Walter: Wir sind uns alle einig, dass das nicht angenehm ist. Konsens besteht aber auch darin, dass wir etwas tun mussten, weil der Markt extrem wettbewerbsintensiv ist. Ich denke, wir haben, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern, faire Konditionen für die Mitarbeiter gefunden, was etwa Abfindungen und Qualifizierungsmaßnahmen betrifft. Wichtig ist, dass man eine solch schwierige Situation irgendwann hinter sich lassen kann.

CW: Wann wird das soweit sein?

Walter: Die Qualifizierungsgesellschaft wird zum 1. September starten. Ein wesentlicher Teil der Kollegen, die sich für diesen Weg entscheiden, werden daher zum 31. August in die Qualifizierungsgesellschaft wechseln. Wir planen, die Maßnahmen in Deutschland bis Ende des Jahres unter Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen abzuschließen.

Jürgen Walter, Fujitsu: Wir werden im Servicemarkt sichtbarer werden.
Jürgen Walter, Fujitsu: Wir werden im Servicemarkt sichtbarer werden.
Foto: Fujitsu

CW: Weltweit ist Fujitsu ein wichtiger Player im IT-Servicegeschäft. Warum hat das in Deutschland bislang nicht geklappt?

Walter: In Deutschland wird Fujitsu mit Produkten, Notebooks, Servern und Storage-Systemen assoziiert, nicht mit Services. Wir müssen und werden mehr tun, um unser Serviceportfolio, das von Business- und Applikations-Services bis hin zu Managed-Infrastructure-Diensten und Maintenance reicht, sichtbarer zu machen.

Unser Differenzierungsmerkmal ist, dass wir Produkte - vom mobilen Client bis zum Supercomputer - mit Software, Lösungen und Services kombinieren können.

CW: Das können die weltweit größten Serviceanbieter, IBM und HP, auch.

Walter: Diverse andere Wettbewerber sind nur im Servicegeschäft unterwegs.

CW: Der Servicemarkt, so wie sie ihn mit dem genannten Portfolio beschrieben haben, ist in Deutschland reif und in festen Partnerbeziehungen. Wir wollen sie die engen Banden zwischen Partner und Kunde aufbrechen?

Walter: Wir haben gute Kundenbeziehungen, auf deren Basis sich neue Möglichkeiten ergeben, wenn wir etwa mit unseren Produktkunden über zusätzliche Services wie Managed Storage und Data-Center-Betrieb sprechen. Sowohl im Mittelstand als auch in den Großunternehmen ist der Trend weg vom internen Betrieb und hin zu externen Services noch längst nicht abgeebbt.

Zudem betreten wir mit dem Offshoring die nächste Stufe der Service-Erbringung. Fujitsu betreibt Delivery Center, die quer über die Welt verstreut sind, etwa in Polen, Portugal, auf den Philippinen und natürlich in Indien. Durch eine intelligente Mischung von Onshore- und Offshore können wir Kosten reduzieren.

CW: Die Prozesse im Offshoring genau auszutarieren, ist nicht einfach. Andere Anbieter wie Tata, Infosys, HP und IBM haben hier einen jahrelangen Erfahrungs- und Know-how-Vorsprung.

Walter: Fujitsu ist die weltweite Nummer drei, so schlecht sind wir nicht aufgestellt. Entscheidend ist nicht das Portfolio der anderen, sondern wie wir unsere Services anbieten. Wir sind nah am Kunden, gehören zu einem japanischen Konzern und orientieren uns am deutschen Datenschutz - das sind wichtige Differenzierungsmerkmale.

CW: In jüngster Zeit ist es etwas ruhig um den App Store von Fujitsu geworden.

Walter: Wir haben ständig neue Partner gewonnen. Zurzeit nutzen etwa 2000 Kunden unseren Cloud Store. Angesichts der Einnahmen ist er kein Schwerpunktthema für uns. Dennoch ist es wichtig, in dieser Richtung Präsenz zu zeigen. Der Marktplatz stellt den Partnern und Anwendern ein interessantes Delivery-Modell zur Verfügung, und uns schafft er die Gelegenheit, ein Partner-Ökosystem aufzubauen.

Wir werden weiter zu fairen Bedingungen fertigen

CW: Was denken Sie, wo Fujitsu in zwei Jahren steht?

Walter: In Deutschland werden wir im Retail-Markt deutlich stärker wahrgenommen. Die Umsatzverteilung unsere Portfolio-Mixes wird sich zu den Serviceleistungen verschieben. Heute nehmen wir etwa ein Drittel des Umsatzes mit Services ein, das wird mehr werden, bei gleichzeitig absolutem Umsatzwachstum im Produktgeschäft. Auch in zwei Jahren werden wir noch in Deutschland zu fairen Bedingungen in hoher Qualität fertigen. (mhr)