Cisco-Boss John Chambers zur Nokia/Alcatel-Lucent-Fusion

"Wir stehen vor einer Phase der brutalen Konsolidierung"

17.04.2015
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Anlässlich der rund 15,6 Milliarden Euro schweren Fusion von Nokia mit Alcatel-Lucent diskutierten unsere US-amerikanischen Kollegen der Network World mit Cisco-CEO John Chambers über die Zukunft der IT-Branche. Cisco-Boss Chambers gab sich gewohnt siegessicher und sieht für die Konkurrenz harte Zeiten kommen.

Die Fusion von Nokia und Alcatel-Lucent ist für Cisco-Chef Chambers ein Beleg für den Transformationsprozess, der der IKT-Industrie bevorsteht und der von ihm bereits seit längerem vorhergesagt wurde. Diese Transformation läutet laut Chambers eine Phase der "brutalen Konsolidierung" ein. An deren Ende, so die Prognose des Konzernchefs, könnten dann lediglich zwei oder drei der Top-5-Konzerne überleben. So könnte etwa Alcatel-Lucent im Zuge der Fusion vom Markt verschwinden.

Einige haben die Transformation verschlafen

"Der Markt entwickelt sich so, wie wir es erwartet haben", erklärte Chambers unseren Kollegen, "Für einige Unternehmen wird es brutal werden. Sie haben die Markttransformation verschlafen und müssen sich jetzt schnell neu positionieren." Gerade das Erkennen solcher Veränderungen sei eine der Stärken von Cisco und helfe dem Konzern dabei, große Deals an Land zu ziehen. Alleine in dieser Woche hätten drei Kunden 100 Millionen Dollar ausgegeben, um ihre Netze upzugraden, damit sie fit für neue Themen wie das Internet of Everything (IoE) sind.

Derzeit ist IoE für Cisco bereits ein 4,5 Milliarden Dollar Geschäft mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 40 bis 50 Prozent. Dabei verdient die Company nicht nur am Produktgeschäft, sondern auch an Consulting-Dienstleistungen. Allerdings war es für Cisco bis dorthin ein langer Weg. Als die Company vor rund zehn die Möglichkeiten des IoE erkannte, wurde sie von vielen noch belächelt.

Auch Chambers selbst räumt ein, sich verschätzt zu haben: "Es dauerte länger als ich gedacht habe, bis sich IoE durchsetzte. Vor acht Jahren und selbst noch vor drei Jahren musste Leuten einen Drink kaufen, wenn ich über IoE reden wollte. Selbst auf der CES war das Thema im letzten Jahr noch eine Überraschung, während sich dieses Jahr alles um IoE dreht. Und selbst auf dem World Economic Forum, wo es 2014 lediglich ein Panel dazu gab, wurden jetzt 21 veranstaltet. Und ganze Länder beschäftigen sich jetzt mit dem Thema." Mit der letzten Bemerkung spielt Cisco auf Deals in Frankreich, Deutschland und Indien an.

Keine Angst von Dell, HP, IBM oder Juniper

Den nächsten großen Transformationsprozess sieht Chambers bei der Digitalisierung, wenn alles überall ausgeführt werden kann, solange es Verbindung zu einem Netz hat. "Dabei geht es nicht nur um Connectivity, sondern um IOE, Mobility, Architekturen, Server/Netzwerke/Storage", so Chambers, "hinzu kommen Themen wie Security, Data Analytics sowie Business Process Change. Das alles ist netzzentriert, Digitalisierung ist quasi der Cloud der Clouds."

Ein anderer Bereich, wo Cisco in den Augen Chambers der Konkurrenz voraus ist, sind End-to-end-Architekturen. Hier habe der Konzern einen zehnjährigen Vorsprung gehabt, bevor die Konkurrenten über daran dachten dieses Feld zu besetzen - und das auch nur mit mäßigem Erfolg. "Unsere Konkurrenten haben uns fast ein Jahrzehnt in Ruhe gelassen und unsere Architektur nicht herausgefordert. Und die Unternehmen, die versuchten unseren Stil zu kopieren, egal ob Juniper oder HP. befinden sich nur auf dem Rückzug", urteilt der Konzernchef selbstbewusst über die Konkurrenz. "Und als wir 2008 mit dem Unified Computing System in den Server-Markt eintraten, prophezeite uns HP, dass wir in einem Jahr wieder verschwunden wären", legt Chambers nach, "heute sitzen wir an ihrem Tisch."

Standard-Hardware wird eine Herausforderung

"IBM oder HP sind für uns in Sachen Server keine Konkurrenz, auch nicht Dell - die werden wir schlagen", gibt sich der CEO kämpferisch. Als wichtigsten Konkurrenten sieht er mittlerweile vielmehr die ganzen ungelabelten Server, Einfach-Switches ohne spezielle Firmware sowie die dazugehörige Opensource-Software. Gerade diese billige und einfach austauschbare Standard-Hardware würde von Web-Companies bevorzugt, die schnell ihre Kapazität und Leistung erhöhen müssen. "Dennoch werden wir auch diese Konkurrenz schlagen, denn der TCO ist bei einer Cisco Application Centric Infrastructure 40 Prozent geringer als bei Standard-Hardware", erklärt Chambers und fügt hinzu. "so wird Standard-Hardware in der Zukunft eher eine Herausforderung sein als HP oder Juniper."