CW-Interview mit Hamid Akhavan

"Wir sind Ingenieure - keine Marketiers"

12.04.2012
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Cisco, Herausforderungen und Managing Trust

CW: Deren Vision würde ich mit dem Begriff eines Unified Network beschreiben, wo die meiste Intelligenz im Netz liegt. Dieser Ansatz soll es dem Anwender ermöglichen, zu jeder Zeit und an jedem Ort mit jedem zu kommunizieren.

AKHAVAN: Das ist die Theorie. In der Praxis glaubt niemand daran, dass er über eine Cisco-Plattform in einer "Unified"-Art kommunizieren könnte. Die unterstützen ja noch nicht einmal SIP vollständig, sondern bevorzugen ihr proprietäres Skinny (Anm. der Red.: Skinny Call Control Protocol = SCCP), was wirklich kein gutes Kommunikationsprotokoll ist. Ferner ist mir kein Hersteller bekannt, der sich wirklich in eine Cisco-Umgebung integrieren konnte - in der Realität versuchen alle ihre Lösungen um die Cisco-Welt und ihre proprietären Standards herumzubauen.

CW: Cisco hat aber Erfolg.

AKHAVAN: In meinen Augen haben die Anwender zu Cisco eine Hassliebe entwickelt. Wie bei vielen großen IT-Firmen hat sich hier kein emotionales Kunde-Lieferanten-Verhältnis entfaltet, sondern der Anwender ist zu einer Art Geisel geworden. Zudem ist es für viele Anwender einfach, auf den Cisco-Zug aufzuspringen und größere Tests zu sparen, denn schließlich machen es ja alle so. Aber davon kann ein IT-Konzern langfristig nicht leben, wie der Zusammenbruch anderer großer Namen in der Vergangenheit zeigte.

CW: Sie spielen auf IBM in den 80er und Microsoft in den 90er Jahren an?

AKHAVAN: Genau, das waren alles Unternehmen mit denen die Anwender eine Hassliebe verband. Das Problem dabei ist, sobald eine Alternative sichtbar wird, stürzen die-se Unternehmen von der Klippe. Ich will eine Company führen, die von ihren Kunden geliebt wird und ein solides Image hat, weil die Leute sagen, die investieren ihr Geld in bessere Produkte und nicht in hohle Marketing-Sprüche. Die Anwender sind uns nicht treu, weil sie die alte Technik lieben, sondern weil sie von uns das Modernste erwarten. Und gleichzeitig unterstützen wir ihr vorhandenes älteres Equipment - nicht wie bei Microsoft oder Cisco, wo der Anwender quasi alle drei Monate ein Upgrade erhält, egal ob er es will.

CW: Sorry, als Deutscher kann ich nur schmunzeln. Gerade mit Siemens verband uns in Sachen TK eine Hassliebe.

AKHAVAN: Das Image hat sich geändert. 90 Prozent unserer Kunden sind Wiederkäufer. Die Anwender erkennen an, dass sich das Unternehmen SEN grundlegend erneuert hat - nicht nur bei den Produkten, sondern auch in der Unternehmensphilosophie. Dazu kommt unser flexibles Business-Modell: Der Anwender kann mieten, leasen, kaufen oder die Services aus der Cloud beziehen. Selbst ein Hybridmodell offerieren wir.

CW: Sie sprachen über die Historie. Wo sehen Sie die Herausforderungen für Siemens Enterprise Communications?

AKHAVAN: Für uns bleibt es eine Herausforderung, auf den sich massiv verändernden Markt zu reagieren. Nehmen Sie nur die Bring-your-own-Device-Bewegung. Fast jeder Mitarbeiter nutzt ein iPhone oder iPad oder irgendein Android-Gerät. Die CIOs haben die IT-Sicherheit nicht mehr in der Hand. Denn diese Devices sind unsicher. Was passiert denn, wenn ein iOS-Device mit iTunes verbunden wird? Der Anwender hat ja mit der Nutzung quasi zugestimmt, dass Apple machen kann, was es will. Oder nehmen Sie Android. Hier hält der Anwender eine Cloud von Google in den Händen, ohne genau zu wissen, was vor sich geht. Die CIOs haben schlicht - in Bezug auf die Sicherheit - die Kontrolle verloren. Das ist ein Fakt!

CW: Und was soll der CIO tun?

AKHAVAN: Unser Anliegen war immer, dass unsere Produkte sicher sind und über verschiedene Plattformen hinweg funktionieren. Wir setzen deshalb auf eine End-to-End-Encryption. Die andere Herausforderung ist, unsere Marke als Anbieter entsprechender Lösungen zu promoten. Letztlich müssen wir dafür sorgen, dass die Anwender Siemens wieder als Netz-Player wahrnehmen.

CW: Und wofür steht der Netz-Player Siemens Enterprise Communications?

AKHAVAN: Zunächst einmal haben wir Innovationen wie Cloud Services, Desktop Video Conferences, ein Contact Center aus der Cloud oder die OneFabric-Architektur von Enterasys eingeführt. Ein Highlight ist unsere erweiterte OpenScape-UC- Suite, die jetzt tatsächlich alle Kommunikationskanäle von VoIP bis zu Videokonferenzen stationär oder mobil in einem System vereint.

CW: Vor dem Hintergrund von Cloud und Social Networks wird viel über das Thema Managing Trust diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

AKHAVAN: Nehmen wir das Wort Trust in seiner ursprünglichen Bedeutung als Vertrauen: Uns vertrauen seit über 150 Jahren Großunternehmen, Regierungen und nicht zuletzt das Militär - und dieses Vertrauen werden wir nie enttäuschen. Darüber hinaus haben wir uns auf Sicherheitslösungen spezialisiert.

CW: Wie sollte eine OrganisationVertrauen in Bezug auf die interne und externe Kommunikation schaffen?

AKHAVAN: Meine Empfehlung für jedes Unternehmen, das seine TK- und Collaboration-Infrastruktur betrachtet, lautet: Sehen Sie Ihre Infrastruktur als Gesamtheit und hören Sie auf, immer wieder neue Stücke hinzuzufügen. Dies ergibt ein Flickwerk, das nicht nur komplex ist, sondern auch kein einheitliches Sicherheitsniveau erlaubt.