"Wir sind der Meinung , es geht auch ohne Microsoft"

06.09.1991

Dieser Tage hat sich die Benutzergruppe "LAN Manager Forum e. V." offiziell gegründet. Die Organisation rekrutiert sich aus der ehemaligen 3 + Open-User-Group und machte im Vorfeld durch unverhohlene Kritik an Microsoft von sich reden. Mit dem Vorsitzenden Jean-Pierre Lucaire sprachen die CW-Redakteure Peter Gruber und Gerhard Holzwart.

CW: Wo sehen Sie denn den Unterschied zwischen Ihnen und Herrn Klockhaus?

Lucaire: Ich möchte mit meinen Kontakten zu größeren Firmen wie HP und Software AG die Masse der Anwender ansprechen, um dadurch dem LAN Manager zu mehr Marktakzeptanz zu verhelfen. Es soll Schluß sein mit dem Zustand, daß alle Aussagen darüber, was das Produkt kann oder nicht kann, hinter einem Vorhang verborgen bleiben und nur in Gerüchten gehandelt werden. Es geht schlichtweg darum, den LAN Manager endlich marktfähig zu machen.

CW: Daran müßte Herrn Klockhaus doch auch gelegen sein?

Lucaire: Mag sein, aber Herr Klockhaus will dies mit anderen Mitteln erreichen. Er vertritt meiner Auffassung flach mehr den Standpunkt des PR-Managers, das heißt für ihn steht letztlich der Marketing-Aspekt aus der Sicht von Microware im Vordergrund.

CW: Die User-Group also als Verkaufsvehikel?

Lucaire: Im Grunde ja, aber das sehe ich völlig pragmatisch und ohne Ressentiments. Jeder geht seinen eigenen Weg, welcher letztlich der erfolgreichere ist, bleibt abzuwarten.

CW: Wie wollen Sie denn unabhängig von Microsoft Ihre Ziele realisieren?

Lucaire: Wir haben uns bewußt nicht MS LAN Manager Forum genannt, weil wir der Meinung sind, daß es nicht nur einen LAN Manager gibt. Wir wollen, und darauf legen wir größten Wert, die alten 3 + Open-Anwender so gut betreuen wie die neu hinzukommenden LAN-Manager-User. Darüber hinaus wollen wir aber beispielsweise auch die LAN-Manager-Clientel von Ungermann-Bass ansprechen, und mit ziemlicher Sicherheit wird auch IBMs LAN Server für uns ein Thema.

CW: Betrachten Sie sich schwerpunktmäßig als Interessenvertreter der ehemaligen 3Com-User?

Lucaire: Ja. Unsere Hauptaufgabe sehen wir zunächst darin, alte 3 + Open-Anwender zum LAN Manager herüberzuholen und ihnen bei der Migration und Integration behilflich zu sein.

CW: Ist das LAN Manager Forum ein reines Anwender-Forum?

Lucaire: Keineswegs, es sind auch Hersteller zugelassen. Wir sind der Meinung, daß nicht nur Spezialisten daran teilnehmen sollten. Unsere Maßgabe ist vielmehr, daß die Hersteller zeigen, was es gibt und was läuft. Wir können uns nicht nur auf die User fixieren; der Markt braucht auch entsprechenden Input.

CW: Wieviele Hersteller haben ihr Interesse bekundet?

Lucaire: Nach dem gegenwärtigen Stand werden wir mit mindestens zehn Mitgliedern beginnen können, darunter namhafte Hersteller wie die Software AG und Hewlett-Packard.

CW: Was waren denn die ausschlaggebenden Motive für die Gründung des LAN Manager Forum e.V.?

Lucaire: Nachdem klar war, daß 3Com sich vom LAN Manager zurückzieht, gab es im Februar dieses Jahres erste Kontakte mit Microsoft. Ziel war, zusammen mit Microsoft einen Modus vivendi für die 3 + Open-Anwender zu finden, um sicherzustellen, daß weiterhin entsprechender Input und Support geleistet wird. Microsoft zeigte sich bei diesen Gesprächen zunächst aufgeschlossen gegenüber der Gründung einer neuen User-Group, allerdings unter der Bedingung, daß der Name 3Com nicht mehr in Erscheinung tritt.

CW: Nun ist aber zwischenzeitlich in Ihrem Verhältnis zu Microsoft einiges aus dem Ruder gelaufen. Wie kam es dazu?

Lucaire: Anläßlich der CeBIT 91 präsentierte Microsoft die Microware GmbH als neuen Sub-Distributor - einen Partner, von dem man sich offensichtlich mehr Engagement bei der Vermarktung des LAN Managers verspricht. Es zeigte sich dann sehr bald, daß es zwischen mir und Herrn Klockhaus von Microware Auffassungsunterschiede hinsichtlich der Zielsetzung einer künftigen LAN-Manager-Anwendervereinigung gibt.

CW: Was wird mit 3 + Open passieren?

Lucaire: Hier ist in der Öffentlichkeit teilweise ein falsches Bild entstanden. Es gibt nach wie vor den LAN Manager 2.0, also das alte 3 + Open, bei 3Com zu kaufen.

Allerdings nur noch unter der Prämisse, daß es auf 3Com-Servern läuft. Dies geht dann jedoch, und das ist der gravierende Punkt, von der Installation und vom Support her in eine völlig andere Richtung als beim MS LAN Manager für den PC-Server.

CW: Wie lange wird es die 3Com-Version des LAN Managers noch auf dem Markt geben?

Lucaire: Dazu habe ich keine stichhaltigen Informationen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß 3Com 3 + Open völlig vom Markt nimmt, solange die entsprechenden Server eine nach wie vor große Marktakzeptanz besitzen.

CW: Die von Microsoft angekündigten Migrationshilfen zum LAN Manager werden sicherlich dazu beitragen, daß 3 + Open relativ schnell vom Markt verschwindet.

Lucaire: Ich würde es so formulieren: Der MS LAN Manager wird von der Protokoll-Architektur dem 3 + Open angepaßt werden. 3Com war einer der ersten Hersteller, der NBP und XNS in Kombination mit eigenen Servern angeboten hat. Microsoft hat jetzt erst mit entsprechenden Toolkits nachgezogen, um die alten 3 + Open-Server im LAN Manager zu integrieren.

CW: Wir kommen nochmals auf Ihre Differenzen mit Herrn Klockhaus zurück. Bedeuten die Auffassungsunterschiede, daß es zukünftig mindestens zwei LAN-Manager-User-Groups geben wird?

Lucaire: Nach meinen Informationen ist Klockhaus gerade dabei, eine entsprechende Vereinigung zu gründen. Er wird vor allem zusammen mit Microsoft den LAN Manager über den Bereich DCA Comm Server sehr stark forcieren. Dies ist auch der Grund, warum sich Microsoft so zurückhält. Aber wie gesagt, wir sind der Meinung, es geht auch ohne Microsoft.

CW: Was macht Sie dabei so zuversichtlich?

Lucaire: Zum einen habe ich Kontakte zu Microsoft in den USA, die sehr gut funktionieren. Zum anderen bin ich der festen Überzeugung, daß man den LAN Manager nicht nur über das zur Schau Stellen von Know-how an den Mann bringen kann. Es ist ein Produkt, daß für jedweden Anwender transparent gemacht werden muß. Sie können sich, um ein Beispiel zu nennen, mit Anwendern, die über Jahre hinweg Netware gefahren haben und nun auf die Features eines SQL-Servers unter dem LAN Manager wechseln wollen, nicht nur über die Transparenz von Protokollen unterhalten, sondern Sie müssen mit ihm vor allen Dingen über praktische Anwendungen reden. Ich glaube, daß wir durch die Hereinnahme beziehungsweise Kontaktaufnahme zu großen Herstellern sowohl aus dem Hardware- als auch aus dem Softwarebereich einfach mehr Input bekommen, als würden wir nur die Microsoft-Schiene fahren.

CW: Damit sprechen Sie aber Herrn Klockhaus, jegliche Kompetenz ab.

Lucaire: Ganz im Gegenteil, ich finde das gut, wenn er zusammen mit Microsoft über den Bereich Comm Server sehr aggressiv an den Markt herangehen will. Herr Klockhaus hat dafür, da gibt es gar keine Frage, das entsprechende Know-how. Und Microware ist derzeit wohl europaweit der einzige Distributor, der den LAN Manager wirklich gut vermerkten kann. Was uns trennt, ist ganz einfach eine völlig anders geartete Philosophie. Solange hinter der Organisationsbezeichnung ein e.V. steht, ist sie gemeinnützig und hat entsprechend zu agieren - das heißt, ohne eigenen Profit öffentliche Belange zu wahren.

CW: Soweit zu Ihrer ideellen Basis. Sind Sie aber nicht materiell auf Microsoft angewiesen, und besteht nicht die Gefahr, daß Sie aufgrund Ihres Konfrontationskurses "ausgehungert" werden könnten?

Lucaire: Zunächst ist festzustellen, daß die Existenz zweier User-Groups, so wie die Dingen liegen, Sinn macht - weil eben völlig unterschiedliche Ansatzpunkte vorliegen. Was Microsoft politisch vorhat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich rechne jedoch - auch angesichts meiner kritischen Äußerungen in der COMPUTERWOCHE - nicht gerade mit besonderem Wohlwollen. Aber ich betone noch einmal - ohne aggressiven Unterton -, wir brauchen Microsoft Deutschland nicht. Es ist ganz offensichtlich so, daß beide Seiten sich nicht füreinander interessieren.

Dies wäre natürlich anders, wenn ich mich hingestellt hätte und Microsoft sowie den LAN Manager über den grünen Klee gelobt hätte.

CW: Warum haben Sie dies nicht getan?

Lucaire: Zu dem Zeitpunkt meiner Kritik wußte kein Mensch etwas von Upgrade- und Migrations-Toolkits für 3 + Open auf LAN Manager, es herrschte große Unsicherheit bei den Anwendern. Daß Microsoft zwischenzeitlich entsprechende Produkte angekündigt hat, ist zwar im Sinne der Anwender, ändert aber nichts an der miserablen Informationspolitik,

CW: Was ist denn Ihrer Meinung nach in diesem Zusammenhang besonders zu kritisieren?

Lucaire: Daß der Markt keine Informationen bekommt, daß im Prinzip nur mit Gerüchten gehandelt wird. Microsofts bisherige Informationspolitik war es, alle Informationen an die Distributoren weiterzugehen, die wiederum für die Weitergabe an die Systemhäuser und Händler verantwortlich zeichneten. Irgendwo ist diese Informationskette - wann auch immer - abgerissen; in jedem Fall standen den Anwendern in der Regel nur unzureichend informierte Händler gegenüber.

CW: Hinzu kommt, daß jetzt mit Microsofts Kauf der 3Com-Rechte am LAN Manager kein direkter Draht zu den 3Com-Usern existiert.

Lucaire: So gesehen ja. Dies war ja auch die Befürchtung vieler 3Com-Kunden, die sich nun mit dem riesigen Microsoft-Apparat konfrontiert sehen und nicht wissen, von wem Sie zukünftig ihre Informationen bekommen. Allerdings muß ich auch ein gewisses Umdenken bei Microsoft konstatieren. Ich glaube, man hat dort erkannt, daß sich ein Produkt wie der LAN Manager nicht nur über Anzeigen verkaufen läßt, sondern primär über breit gestreute Informationen. Jedenfalls geht man jetzt in Unterschleißheim dazu über, neben den Distributoren auch die Systemhäuser mit technischen Informationen zu versorgen.

CW: Sie sehen also einen gewissen Lernprozeß?

Lucaire: Ich würde sagen, Microsoft hat bisher seine Ressourcen falsch eingesetzt. Sie mußten beim Marketing für den LAN Manager ganz einfach erkennen, daß es auch im LAN-Markt zunächst gilt, sich Vertrauen bei den Anwendern zu erarbeiten und daß sich ein Produkt nicht, wie es im Bereich der Textverarbeitungssysteme der Fall sein mag, mehr oder weniger von allein verkauft. Der Name 3Com war im Netzwerkbereich ein Begriff, der Name Microsoft ist dies sicherlich bei den PC-Betriebssystemen, mit dem LAN Manager jedoch betrat die Gates-Company völliges Neuland.

CW: Nun sagen Sie einerseits, daß Sie Microsofts Vorgehen nicht interessiere, wollen aber gleichzeitig die nun von Microsoft abhängigen ehemaligen 3Com-Kunden weiter betreuen und in Ihrer Funktion als Händler den LAN Manager verkaufen. Dies wird ohne Zusammenarbeit mit Microsoft - auf welcher Basis auch immer - nicht zu bewerkstelligen sein. Was erwarten Sie zukünftig von Microsoft?

Lucaire: Ich erwarte eine weitaus intensivere technische Unterstützung in Belangen, die nicht nur mich als Händler, sondern auch den Endverbraucher betreffen. Vor allen Dingen erwarte ich auch Aussagen über OS/2 angesichts der Tatsache, daß IBM OS/2 in den USA sehr aggressiv vermerktet. Hier ist deutlich mehr Engagement seitens Microsoft angesagt, denn eines ist ganz klar festzustellen: Solange OS/2 diese negative Akzeptanz im Markt hat, wird sich der LAN Manager nur schwer etablieren können.