Interview

"Wir sehen Mysap.com nicht als Konkurrenz"

22.10.1999
Mit Stephan Schambach, Gründer und CEO von Intershop Communications, sprach CW-Redakteur Gerhard Holzwart

CW: Ihr Unternehmen hat kürzlich versucht, sich mit der weltweiten Kunden- und Entwicklerkonferenz "Intershop Open" in New York den Anstrich eines Global Players zu geben. Ist dies gelungen?

Schambach: Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Wir hatten mit rund 800 Teilnehmern gerechnet. Tatsächlich konnten wir knapp 1500 Gäste begrüßen. Dies bestärkt uns darin, diese Konferenz künftig einmal pro Jahr auszurichten. Im übrigen müssen wir nicht am Image des Global Players basteln - wir sind es schon.

CW: Steht dem deutschen E-Commerce-Pionier nun der langersehnte Durchbruch auf dem US-Markt bevor?

Schambach: Wir sind in den USA schon gut im Geschäft. Allerdings werden wir in Nordamerika noch als eine Art Geheimtip innerhalb der Industrie gehandelt. Im Bewußtsein der Kunden sind wir nicht so stark verankert wie beispielsweise in Deutschland.

CW: Neben der Öffentlichkeitsarbeit stand in New York die Einführung Ihrer neuen Großkundensuite "Enfinity" im Vordergrund. Welche Bedeutung hat dieses Produkt für die künftige Intershop-Strategie?

Schambach: Eine enorme. Wir haben uns in den vergangenen Jahren vor allem auf das Geschäft mit Telefongesellschaften und Internet-Service-Providern konzentriert. Jetzt war es an der Zeit, ein weiteres Marktsegment in Angriff zu nehmen, nämlich das der großen Anwenderunternehmen.

CW: Aber es gab doch mit "Intershop Enterprise" schon erste Gehversuche im Großkundengeschäft.

Schambach: Das ist richtig, aber es war bis dato nicht unser Kerngeschäft.

CW: Ist Enfinity eine Weiterentwicklung dieser Software oder eine völlig neue Plattform?

Schambach: Wir haben mehr als zwei Jahre an dieser komplett neuen Produktgeneration gearbeitet, die wesentlich mehr Features und damit Anwendungsmöglichkeiten als Intershop Enterprise bietet.

CW: Wird es für die alten Enterprise-Kunden eine Migrationsmöglichkeit geben?

Schambach: Ja. Es gibt eine mit der Enterprise-Edition in etwa vergleichbare Enfinity-Version, die ein problemloses Upgrade ermöglichen wird. Trotzdem muß man betonen: Mit Enfinity wenden wir uns eigentlich an eine andere Anwenderkategorie.

CW: Welche?

Schambach: Die 2000 weltweit führenden Unternehmen - vorwiegend in den Bereichen Handel und Produktion.

CW: Und warum sollen die Enfinity einsetzen?

Schambach: Weil das Produkt völlig neue Dimensionen im E-Commerce erschließt. Es genügt heute nicht mehr, nur das interaktive Eingreifen auf einer Website zuzulassen. Man muß das gesamte Supply-Chain-Management unterstützen. Dazu zählt unter anderem die WAP-Unterstützung für das Shopping per Mobiltelefon, die Belieferung der beim jeweiligen Einkäufer stehenden Procurement-Systeme mit Daten inklusive Katalogsynchronisation oder die Verknüpfung mehrerer Enfinity-Installationen über das Web.

CW: Das hört sich sehr nach aufwendiger Standardsoftware an - ein Geschäft, das andere große und im Zweifel bekanntere Anbieter kontrollieren. Wagt sich Intershop mit Enfinity aus seiner bis dato sicheren Marktnische?

Schambach: Mit der - positiv gemeinten - Komplexität unserer Software brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken. Ob unser Geschäft bisher eine sichere Marktnische war, überlasse ich Ihrer Beurteilung.

CW: SAP, Oracle & Co. drängen ganz massiv in den Markt, den Sie mit Enfinity adressieren. Das können Sie doch nicht bestreiten.

Schambach: Wenn Sie sich die von Ihnen genannten Hersteller genauer anschauen, werden Sie feststellen, daß keiner von denen bisher eine erfolgreiche E-Commerce-Software auf den Markt gebracht hat. Wir sehen "Mysap.com" nicht unbedingt als Konkurrenz, sondern als System auf der Einkäuferseite, mit dem Enfinity als reine Verkaufsseiten-Lösung hervorragend korrespondiert.

CW: Ihr Management-Team hat vor kurzem mit Eckhard Pfeiffer als Chairman einen prominenten Neuzugang bekommen. Schwächt ein so starker Aufsichtsratschef nicht den CEO Stephan Schambach?

Schambach: Eckhard Pfeiffer wird uns mit Rat und Tat zur Seite sein - wobei ersteres im Vordergrund steht. Ich denke, daß wir bei Intershop kein Management-Problem haben. Aber Herr Pfeiffer kann und wird uns wichtige Türen im Markt öffnen.