Interview / Mit Ray Ozzie sprachen Ted Smalley Bowen und Michael Vizard von "Infoworld"

"Wir müssen schnellstens auf viele Desktops kommen"

10.11.2000
Mitte Oktober hat Ray Ozzie, der "Vater von Lotus Notes", eine neue Software für die Gruppenarbeit vorgestellt. Rund drei Jahre benötigte seine Firma Groove Networks, um das Tool "Groove" zu entwickeln. Bislang liegt lediglich eine Testversion der Peer-to-Peer-Lösung unter www.groove.net vor. Mit Ray Ozzie sprachen Michael Vizard und Ted Smalley Bowen von der CW-Schwesterpublikation "Infoworld".

CW: Wie werden Firmen Peer-to-Peer-Anwendungen à la Groove künftig einsetzen?

Ozzie: Das überwiegende Interesse kommt von Anwendern, die regelmäßig Beziehungen zu kleineren Gruppen von Personen pflegen. Mit spontan gebildeten Arbeitsteams innerhalb eines Unternehmens haben wir noch keine Erfahrungen gesammelt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es aus diesem Bereich Interesse gibt, denn wir konnten hier bislang nicht mit Anwendern sprechen. Allerdings rechnen wir nicht wirklich damit, dass Lotus oder Microsoft Lücken in ihren Groupware-Produkten gelassen haben, die Groove schließen könnte. Daher liegt unser Schwerpunkt eindeutig auf der Internet-übergreifenden Zusammenarbeit, beispielsweise bei der Kundenansprache oder innerhalb von Zulieferketten.

CW:Wie ist die Verteilung von Groove geplant? Wird es einen kostenlosen Client geben?

Ozzie: Es gibt ihn bereits, und das wird auch weiterhin so sein. Entscheidend bei unserer gegenwärtigen Arbeit ist, so schnell wie möglich auf vielen Desktops der Anwender installiert zu werden. Darüber hinaus werden wir zu fairen Preisen erweiterte Groove-Varianten für Firmen und Endanwender anbieten.

CW: Was unterscheidet die kostenlose von der käuflichen Version der Software?

Ozzie: Wenn Sie Groove häufig einsetzen, um diverse Beziehungen und Projekte damit zu verwalten, brauchen Sie irgendwann neue Features, die Ihre Arbeit beschleunigen und erleichtern. Beispielsweise würden Sie gerne über die Taskbar oder eine E-Mail benachrichtigt werden, wenn sich etwas in Ihrem Groove-System ändert. Wir werden aber auch das Programm dahingehend anpassen, dass es sich einfacher in Microsofts "Office" integrieren lässt, als dies mit dem freien Standard-Client möglich ist.

CW: Wo liegen die Vorteile für Unternehmen?

Ozzie: Ein gutes Beispiel ist das System-Management. Wenn ich als Administrator ein Firmenverzeichnis erstellt habe, will ich vielleicht verbieten, dass die Nutzer ihre eigenen Alias-Namen bei Groove verwenden. Sie sollen sich an ihre Namen halten, die auch im offiziellen Directory stehen. Außerdem müssen Systembetreuer unter Umständen reglementieren, welche Tools die Leute in ihren Clients einsetzen. Zu diesem Zweck gibt es eine Groove-Version, mit der sich die verteilten Clients von einem zentralen Server verwalten lassen.

CW: Löst das Peer-to-Peer-Computing bestehende Architekturen ab, oder wird es mit Server-basierten Anwendungen integriert?

Ozzie: Groove ist komplett integriert. Kunden erwarten immer häufiger, dass sie neue Funktionen kostenlos erhalten. Ein wirtschaftlich stabiles Peer-to-Peer-Produkt muss daher zusätzliche Lösungen bieten und sich in unternehmenskritische Systeme von Drittanbietern einbinden lassen. Wir gehen das Problem über APIs und mittels eines speziellen Roboters an, der auf den Firmen-Servern nach den passenden Informationen sucht.

CW: Welche Rolle spielen Handhelds und mobile Geräte in Ihrer Architektur?

Ozzie: Das hängt davon ab, wozu Handys und PDAs in Zukunft dienen. Allerdings bin ich skeptisch, wenn ich höre, was Handys künftig alles können werden - ich persönlich benutze Mobiltelefone nur, um Leute anzurufen. Daher liegt unser Fokus nicht auf den Handys als Client. Gute Aussichten rechne ich mir hingegen bei den coolen "Blackberry"-Pagern aus (Die Blackberrys der kanadischen Firma RIM sind eine Mischung aus E-Mail-Empfängern, PDAs und Pagern, Anm. d. Red.). Am interessantesten für Groove wird jedoch die Geräteklasse zwischen PDAs und Laptops sein.

CW: Was kommt Ihrer Meinung nach als nächstes?

Ozzie: Jemand wird das Betriebssystem des Video-on-Demand-Dienstes Tivo knacken. Dann können die Nutzer alle Sendungen aufzeichnen und in einem Peer-to-Peer-Netz untereinander austauschen. Wieso das bis jetzt noch nicht passiert ist, ist mir ein Rätsel.